Blick auf den Rosengarten im Abendrot
Der Rosengarten: eines der vielen atemberaubenden Bergmassive der Dolomiten. Foto: Jonas Kassner
Italienische Sagen

Von Königen und Schlernhexen

Auch in Italien hat sich im Laufe der Zeit ein riesiger Schatz an Sagen und Legenden entwickelt. Häufig handeln sie von der Entstehung der Berge, Seen und Almen, von magischen Geschehnissen oder legendären Figuren. Unsere Auswahl beschränkt sich auf den bergigen Norden, insbesondere Südtirol und die Lombardei.

König Laurin und sein Rosengarten

Die Geschichte vom unglücklichen Zwergenkönig Laurin und seinem Rosengarten ist weit über die Landesgrenzen bekannt. Laurin hatte ein fleißiges Volk untertan, Berge voll mit kostbarem Erz und seinen wunderschönen Rosengarten, hoch oben in den grauen Felsen. Zu seinem Glück fehlte ihm nur eine Frau. Wie es das Schicksal will, suchte just zu dieser Zeit der König an der Etsch einen Gatten für seine Tochter Similde. Erbost, dass er zum Ritterwettkampf zu Simildes Ehren nicht eingeladen wurde, ging Laurin mithilfe einer Tarnkappe unsichtbar dennoch hin – und verliebte sich in die Königstochter. Kurzerhand entführt er sie und zieht damit natürlich den Zorn des Königs auf sich. Der macht sich mit seinen Rittern auf den Weg, die Prinzessin zurückzuholen. Im Rosengarten treffen sie auf Laurin, der trotz seines Zaubergürtels, der ihn stark wie zwölf Männer macht, nicht gegen die Ritter ankommt. Mithilfe seiner Tarnkappe versucht der Zwergenkönig zu fliehen, doch die Bewegung der Rosen verrät ihn – und die Ritter des Königs nehmen Laurin fest. Dieser fühlt sich von seinem Rosengarten verraten und verflucht ihn: Kein Mensch soll ihn je wieder zu Gesicht bekommen, weder bei Tag noch bei Nacht. Die Dämmerung vergisst er in seinem Fluch allerdings. Und so erblüht König Laurins Rosengarten bei Sonnenaufgang und -untergang immer wieder neu – in Gestalt des Alpenglühens, das hierzulande auch Enrosadira genannt wird.

Die Gletscherfee

Das Val Genova liegt idyllisch im Naturpark Adamello-Brenta im schönen Trentino. Nicht ganz so idyllisch ist die Geschichte von der dort ansässigen Gletscherfee. Sie soll gemeinsam mit ein paar Zwergen in einem Eisschloss gelebt und einen Schatz bewacht haben. Eines Tages versuchte ein Jäger gewaltsam hineinzukommen und den Schatz zu rauben. Doch die Strafe folgte auf dem Fuße: Herabfallende Eisbrocken erschlugen den Eindringling. Bestraft wurde aber auch die Bevölkerung im Tal, die ihn nicht aufgehalten hatte: Am nächsten Morgen war der Gletscher weg, alles Wasser versiegte, Wiesen verdorrten und das Weidevieh verdurstete.

Die Strafe der Gletscherfee. Illustration: Marmota Maps

Der Lorgg von Mals

Noch nicht lang ist es her, dass in Mals ein unheimlicher Geist sein Unwesen trieb: der Lorgg, ein riesengroßer, schwarzer Mann mit einem dreieckigen Hut auf dem Kopf. Das gruseligste an ihm war wohl, dass er seinen Kopf meist unter dem Arm trug und nachts ruhelos durch die Gassen des Dorfes streifte. Um sein Leben musste man zwar nicht fürchten, wenn man dem Lorgg begegnete, einen ordentlichen Schrecken konnte er einem aber schon einjagen. So vertrieb er zum Beispiel Obstdiebe und verfolgte sie bis zu ihren Häusern. Wer sich einen Spaß mit dem Lorgg erlaubte, bereute das jedoch schnell. So zum Beispiel ein paar Burschen, die Steine nach ihm warfen. Vom zornigen Geist verfolgt flohen sie und klammerten sich an ein Feldkreuz, das ihnen Schutz bot. Erst mit dem morgendlichen Glockenläuten ließ der Lorgg von ihnen ab. Auch der Malser Nachtwächter ging dem Lorgg aus dem Weg, drückte sich des Nachts an die Mauern und markierte sie mit Kreuzen aus Mörtel. Seitdem wurde der Lorgg nie wieder gesehen, die Gasse wird aber noch heute Lorggassl genannt.

Die Silberfee

Die Strafe der Silberfee. Illustration: Marmota Maps

Im Hinterpasseier Tal begegnete ein Jäger am Schneeberg der Silberfee, die ihm allen Reichtum versprach, wenn er keine Tiere mehr töten würde. Er akzeptierte und kehrte als reicher Mann zurück ins Tal. Doch er brach sein Versprechen und erlegte einen Steinbock. Zur Strafe erschlug ihn ein Stück vom Gletscher und alle Erzminen am Schneeberg versiegten.

Der Hartmannsbrunnen

Eines Tages war ein heiliger Bischof namens Hartmann auf dem Weg nach Fassa. Er war schon recht durstig, als er in der Gegend der Welschnofner Alm an einem Brunnen vorbeikam. Doch schnell warnten ihn die Bauern vor einem Trunk aus dem Brunnen, da allerlei giftiges Gewürm in seinen Tiefen hause. Wer von dem Wasser trinke, müsse alsbald sterben. Weit und breit gab es jedoch kein Wasser, was auch die Almleute vor Probleme stellte. Also sprach der Bischof seinen Segen über den Brunnen und alles giftige Getier verschwand. Aus Dankbarkeit benannten die Bauern den Brunnen nach dem gütigen Bischof: Hartmannsbrunnen. Bis heute gibt es weit und breit kein köstlicheres und gesünderes Wasser als das aus diesem Brunnen auf der Welschnofner Alm.

Die Sage von Dolasilla

Die Sage von Prinzessin Dolasilla ist eine der bekanntesten Südtirol, sie entstammt dem ladinischen Nationalepos vom Reich der Fanes. Dolasilla war eine von zwei Töchtern eines Dolomiten-Königs. Während sie mit ihrem Vater durchs Land zog, wuchs ihre Zwillingsschwester Luianta bei den Murmeltieren in den Bergen auf. Dolasilla verhinderte, dass ihr Vater den Schatz eines Zwergenvolkes stahl, und wurde von diesen dafür mit silbernen Pfeilen belohnt, die ihr Ziel nie verfehlten, und einem Harnisch, der sie vor Gefahren warnen sollte. Irgendwann wandte sich der König gegen sein Volk und seine eigene Tochter. Diese zog gegen ihren Vater und die Feinde des Landes in den Krieg, obwohl der Harnisch sie warnte – weder der König noch Dolasilla überlebten. Daraufhin kehrte Luianta aus den Bergen zurück und übernahm die Thronfolge.

Die sagenhaften Schwestern Dolasilla und Luianta. Illustration: Marmota Maps

Die Schlernhexen

Die Sage um die Schlernhexen ist insbesondere auf der Seiser Alm sehr bekannt. Das dortige Bergmassiv, der Schlern, ist ein Wahrzeichen Südtirols. Um wenige andere Berge ranken sich so vielen Sagen, der Schlern werden gar magische Kräfte zugeschrieben.

Bereits im Mittelalter sollen der Ritter Fuchs von Fischberg und der Malefizrichter Lienard Peyssar diese Zone als Tanzplatz der Hexen und des Teufels ausgewiesen haben. Dort sollen die Schlernhexen schwere Unwetter heraufbeschworen haben und waren deshalb gefürchtet. Es gab jedoch auch eine gute Hexe, die Hexe Martha, die besonders freundlich zu Kindern war. Auch in Verbindung mit König Laurin werden die Hexen erwähnt.

Die Geschichten von den Schlernhexen erinnern an dunkle Zeiten: Allein im Gebiet von Völs am Schlern wurden im 16. Jahrhundert neun Frauen als Wettermacherinnen und Hexen zum Tode verurteilt. Wie viele es in der ganzen Zone des Schlerngebietes wirklich waren, ist bis heute noch nicht genau bekannt und wird wahrscheinlich auch nie genau festgestellt werden können. Den Frauen wurden Teufelsbuhlschaft, Ritte auf Besen und zahlreiche andere Freveltaten zur Last gelegt.

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