Mann steht auf Fels in den Bergen
Die Sozialen Medien fördern den Fokus auf die eigene Person. Foto: DAV/Wolfgang Ehn
Im weltweiten Netz der Aufmerksamkeitsökonomie

Und hier bin ich!

Social Media - das ist uns allen ein Begriff und einige von uns können es sich gar nicht mehr aus ihrem Alltag wegdenken. Auch der Deutsche Alpenverein nutzt Kanäle wie Facebook, Instagram und Twitter, um alles rund um Bergsport, Alpinismus sowie die Natur- und Kulturräume der Alpen an die Bergbegeisterten zu bringen. Die Abwägung zwischen dem Schutz der Natur und den Interessen der Menschen beschäftigt den Alpenverein schon seit seiner Gründung im Jahr 1869. Mit der Aufmerksamkeit durch Posts auf den sozialen Netzwerken geht aber auch eine gewisse Verantwortung einher und genau um diese Gratwanderung geht es unter anderem im Alpenvereinsjahrbuch BERG 2022.

Die Social-Media Ambivalenz der Alpenvereine

Mit ihrer gemeinnützigen Non-Profit-Ausrichtung spielen die Alpenvereine im digitalen Raum eine gewisse Sonderrolle: Sie wollen mitreden, müssen aber nicht zwanghaft etwas verkaufen, nicht zwanghaft immer weiterwachsen. Klar, viele Views auf den Videos freuen schon, viele Likes auf den Post auch – aber es ist auch mal egal, wenn beide ausbleiben.

Wichtiger sind die Themen und der daraus resultierende Diskurs. Und die dürfen eben auch manchmal kritisch, sprich unpopulär sein.

Dabei braucht es aber nichtsdestotrotz eine gewisse Anpassung an die Leitkultur des jeweiligen Mediums, weil man sonst schlicht untergeht. Ein Bild der Drei Zinnen im Sonnenuntergang bringt mit großer Wahrscheinlichkeit zehnmal so viele Däumchen hoch wie das einer Saubere-Berge-Wanderung. Für die Themenvielfalt braucht es am Ende des Tages beides, also einen ausgewogenen Mix. Denn Accounts, die nur Randthemen bespielen und niemals Likebombs zünden wollen, werden in den von den Plattformen diskreditierten Rahmenbedingungen auf Dauer wahrscheinlich nie richtig groß werden. Und die Größe, im Sinne der Followerzahl und der daraus resultierenden Reichweite der Postings, bestimmt durchaus mit, wie stark eine Stimme im digitalen Kosmos gehört wird – was wiederum auf die klassischen Massenmedien abstrahlt. Es macht einen Unterschied, ob eine Organisation ihre Appelle an 1354 Fans richtet oder an 145.000. Es geht gewissermaßen um das Kampfgewicht.

Apropos Verantwortung

Mit der Größe wächst auch die Verantwortung. Die Alpenvereine können und sollen ihre Kompetenzführer aus der analogen Welt natürlich auch in digitale Sphären transferieren. Social-Media-Kanäle zu bedienen, macht man nicht, weil es gerade hip ist, sondern weil es eine neue Form der Öffentlichkeitsarbeit darstellt. Und weil sich manchmal, vor allem jüngere Zielgruppen nur noch so erreichen lassen. Gerade junge Menschen sind, ob in ihrer Sturm-und-Drang-Phase oder wegen fehlender Erfahrung, besonders anfällig für gefährliches Halbwissen und in der Phase der Selbstfindung einer ausgeprägten Bringschuld in Sachen Selbstvermarktung ausgesetzt – frei nach dem Motto: „Was die kann, kann ich auch.“ Weil plötzlich nicht mehr nur die Dorfkinder die Peergroup sind, sondern man sich im Digitalen gleich mit der ganzen (westlichen) Welt messen kann oder vielleicht sogar muss, liegt die Latte naturgemäß gleich deutlich höher. The pressure is on!

Smartphone und Social Media sind auch am Berg immer dabei. Foto: DAV/Jens Klatt

Es findet ein langsames Erwachen statt, digital Aktive werden sich mehr und mehr ihrer Verantwortung bewusst, vom privaten Boulder-Erschließer bis zum Star der Freeride Worldtour. Ein Element davon ist Geotagging, das exakte Verorten des Bildes oder Videos. Die Facebook-Seite der Zugspitze verzeichnet zum Beispiel rund 126.000 Zugriffe. Nun ist die Zugspitze bekannt, viele andere Orte sind es nicht. Lässt man Namen und GPS-Daten bewusst weg, ist es meist nur mehr ortskundigen Personen möglich, einen Post geografisch zuzuordnen – was potentielle, der Herausforderung eventuell nicht gewachsene Follower davon abhält, die Action am Foto für ein paar Likes zu reproduzieren und sich dabei möglicherweise in Gefahr zu bringen.

Diese Dynamik können die Alpenvereine aber auch als Chance begreifen, die wichtige Zielgruppe mit adäquaten Inhalten genau dort abzuholen, wo sie sich aufhält. Sie können mit intelligenter Präventions- und Jugendarbeit den Mut zum gesunden Risiko propagieren und gleichzeitig Selbstüberschätzung verhindern. Und bei jungen Menschen ein Selbstbewusstsein aufbauen, das nicht im Wettbewerb um quantifizierte Aufmerksamkeit entsteht, sondern in sozialer Verantwortung gegenüber Mitmenschen.

Von der #kulikitakachallenge bis zu Tentporn - den kompletten Artikel gibt's im aktuellen Alpenvereinsjahrbuch "BERG 2022", Autor: Simon Schöpf.

Freiheit im aktuellen Alpenvereinsjahrbuch "BERG 2022"

Sind die Menschen in den Bergen wirklich frei? Das neue Alpenvereinsjahrbuch "BERG 2022" beschäftigt sich mit dieser uralten und dann doch sehr aktuellen Frage – Stichworte: Corona, Overtourism, Social Media. Die Antworten der Autor*innen sind so unterschiedlich wie überraschend. Über den Themenfokus zur Freiheit hinaus bietet das Gemeinschaftswerk des Deutschen, Österreichischen und Südtiroler Alpenvereins einmal mehr eine  Mischung aus alpinen Themen – aufbereitet in außergewöhnlichen Reportagen, interessanten Porträts und packenden Bildern. Das Alpenvereinsjahrbuch ist im DAV-Shop leider ausverkauft.

Das Alpenvereinsjahrbuch BERG 2022. Foto: DAV

Einen Einblick ins Buch gibt es hier.

Infos und Bestellung:

Alpenvereinsjahrbuch „BERG 2022“

Herausgeber: Deutscher Alpenverein (DAV), Österreichischer Alpenverein (ÖAV) und Alpenverein Südtirol (AVS)

Redaktion: Axel Klemmer, Tyrolia-Verlag Innsbruck-Wien

256 Seiten, mit 336 Farb- und Schwarz-Weiß-Abbildungen, 21 x 26 cm, gebunden
ISBN 978-3-7022-3977-0

Preis: € 20,90

DAV-Mitglieder erhalten zum Jahrbuch kostenlos die historische Alpenvereinskarte „Zillertaler Alpen West“ von 1930, mit Ergänzung der aktuellen Gletscherstände sowie weiteren Informationen zum Klimawandel in den Alpen: Zillertaler Alpen West, Nr. 35, im Maßstab 1:25.000.

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