Der Rückblick auf die Schlagzeilen des Sommers 2025 verfestigt den Eindruck, dass die Berge immer mehr in Bewegung geraten: Im Mai zerstörte eine durch Gletscherabbruch ausgelöste Schutt- und Eislawine das zuvor evakuierte Dorf Blatten im Wallis. Im Juli wurden zwei Wanderinnen auf dem Pfaffenferner Richtung Hildesheimer Hütte bei Sölden durch einen Felssturz verletzt. Weitere Felsstürze gab es im August am Stüdlgrat des Großglockners und am Zuckerhütl in den Stubaier Alpen. Am Südende des Watzmann-Massivs donnerten schätzungsweise viertausend Kubikmeter Fels und Geröll aus ungefähr 1700 Metern Höhe talwärts. Die Bergwacht flog zwanzig Personen aus, die sich oberhalb der verschütteten Stelle befanden und nicht weiterkamen. Und im September stürzte die Eiskapelle am Fuß der Watzmann-Ostwand ein; dass sie im Zuge des Klimawandels verschwinden würde, war klar. Dass das bereits jetzt passiert ist, überraschte selbst Expert*innen.
Ich war mit einer Gruppe unterwegs im Lechtal auf Wanderwegen, Einstufung T3. Normalerweise kein Problem. Durch die sehr starken Regenfälle in der Zeit davor waren die Wege jedoch teilweise weggespült oder so verschlammt, dass das Gehen im abschüssigen Gelände eine echte Herausforderung war. Für mich als Tourenleiterin und Tourenreferentin heißt das, dass ich Wetterextreme bei der Tourenplanung verstärkt mit einbeziehen muss.
Fakt ist: Die Berge sind nicht statisch, sondern bewegen sich immer. Fakt ist aber auch: Der Klimawandel beschleunigt diesen Prozess deutlich und vielfältig. Vegetationszonen verschieben sich nach oben, der Lebensraum für Tiere und Pflanzen im Hochgebirge wird knapper. Ziehen sich Gletscher, Permafrost, Eis und Schnee zurück, gelangt schottriges und brüchiges Material an die Oberfläche. Das Gelände wird schwieriger oder auch nicht mehr begehbar. Kommt dann extremer Regen dazu, können ganze Hänge instabil werden.
Daraus folgende massive Wegeschäden ziehen neben hohen Kosten einen hohen Aufwand für die meist ehrenamtlich arbeitenden Teams der Sektionen nach sich. Auf der anderen Seite leiden viele Hütten unter Wassermangel. Schwindende Gletscher, zu wenig Schnee im Winter, ein trockenes Frühjahr und heiße Sommertage machen Wirtsleuten wie Gästen zu schaffen. Denn die allermeisten Hütten beziehen das Wasser aus Niederschlägen oder Schmelzwasser.
Viele Touren, insbesondere (Ski-)Hochtouren, geraten zunehmend an ihre Grenzen Übergänge und Schlussanstiege sind oft nicht mehr sicher begehbar oder unmöglich. Parallel dazu nehmen Steinschlag und andere alpine Gefahren spürbar zu, während Extremwetterlagen sichtbare Spuren an Wegen und Infrastruktur hinterlassen. Schneesicherheit ist kaum mehr planbar – Flexibilität und schnelle Entscheidungsfähigkeit werden zur Schlüsselkompetenz bei der Tourenplanung. DAV-Sektionen unterhalten Hütten und Wege als wichtige alpine Infrastruktur und bieten Touren und Kurse an. Mit verschärften Bedingungen müssen sie an vielen Stellen umgehen.
Zeit für Umdenken in den Bergen
Wo müssen wir also umdenken, uns anpassen oder sogar verzichten? Auf die Wunschtour, weil die aktuellen Bedingungen oder das Können nicht passen? Auf den steinschlag- oder murengefährdeten Wanderweg, dessen Unterhalt auf Dauer zu aufwendig ist? Oder bei kritischem Standort auf eine bewirtschaftete Hütte, die aufgrund der erschwerten Wasser und Energieversorgung – rund sechzig Prozent der DAV-Hütten werden per Wasserkraft mit Strom versorgt! – nur noch schwer aufrechtzuerhalten ist? Zugegeben: Dieses Szenario mag düster erscheinen. Und doch gehören auch solche schmerzhaften Fragen zur Gesamtschau auf das, was in den kommenden Jahren auf uns zukommt. „Wenn eine Tür sich schließt, öffnet sich eine andere“, lautet eine alte Lebensweisheit. Einige Türen hat der Alpenverein bereits geöffnet, etwa mit seinem ambitionierten Klimaschutzprojekt. Oder mit neuen Wegen bei der Ausbildung: Neben der Sensibilisierung für anspruchsvolleres Gelände und eine detaillierte, tagesaktuelle Tourenplanung, gibt es Anpassungen bei der Struktur.
Das Trinkwasser auf der Kaunergrathütte stammt ausschließlich aus Schneeschmelze, die oberhalb der Hütte in einem Auffangbecken gesammelt wird. Ein bewusster und sparsamer Umgang ist unerlässlich. Duschmöglichkeiten wurden eingeschränkt. Der Cottbusser Höhenweg musste 2024 im letzten Wegabschnitt neu trassiert werden, was die Gehzeit zur Kaunergrathütte verlängert. Die große Kaunergratrunde ist in der ursprünglichen Form nicht mehr machbar: Mehrere Murenabgänge mit der Folge massiver Geländeveränderungen haben den Weg unpassierbar gemacht.
Ein Beispiel: Alpinklettern und Klettersteiggehen waren ursprünglich aufbauende Qualifikationen zur Ausbildung Trainer*in C Bergsteigen, mittlerweile stehen die Ausbildungen auch für sich. Die Ausbildung am Gletscher und im kombinierten Gelände entfällt in diesem Fall, da die Zustiege immer häufiger schnee- und eisfrei sind. Und auch bei Hüttensanierungen gibt es richtungweisende Entwicklungen. Beispiele sind der Rückbau der Duschen auf der Kemptner und der Tölzer Hütte oder die Umrüstung auf Trockentoiletten auf der Neuen Prager Hütte, der Hochlandhütte oder dem Stöhrhaus.
Einen individuellen Beitrag dazu leisten können wir alle, indem wir Touren noch sorgfältiger planen, unsere Bergsportkompetenz realistisch einschätzen und gegebenenfalls erweitern oder auch Verständnis zeigen: Zum Beispiel dann, wenn ressourcenintensive Annehmlichkeiten wie eine warme Dusche oder eine aufwendige Speisekarte am Berg entfallen. Damit das, was wir lieben, auch noch in den kommenden Jahrzehnten möglich ist.
Obwohl die Quellen normalerweise genügend Nachschub liefern, gelten bei uns während der gesamten Saison Sparmaßnahmen. Geduscht wird ausschließlich unter der eiskalten Außendusche: viel Aussicht, wenig Temperatur, geringer Wasserverbrauch. Die Gäste erfahren, dass alle – auch das Team – aus gutem Grund auf gewisse Dinge verzichten müssen. Und sind oft richtig dankbar, wenn man sie auf den ‚richtigen Weg‘ bringt. Es ist kein Mangel, aber es ist auch kein Überfluss.
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