Ich bin glücklich über diese Veranstaltung und die Diskussionen, die es gab. Und ich bin erleichtert, dass das Bergsteigen und das Engagement der Sektionen in den Alpen nicht infrage stehen.“ Dieses positive Fazit zog DAV Präsident Roland Stierle nach eineinhalb Tagen, in denen die Klimawandelfolgen für Hütten & Wege, Bergsport, Ausbildung, Gesundheit und die Perspektive junger Bergsportler*innen im Fokus standen. Folgen, die so drastisch sind, dass Roland Stierle zu Beginn der Veranstaltung auch provokante Fragen aufwarf: „Wenn unsere Kernsportarten so stark dem Wandel unterworfen sind oder gar in Teilen nicht mehr möglich sein werden: Steht am Ende der Verzicht? Oder steht der urbane Bergsteigerverein, der Indoor-Alpenverein dann an erster Stelle?“
Klimaschutz und Anpassung gemeinsam denken
Auf der DAV-Werkstatt 2019 wurde der Grundstein für die im selben Jahr verabschiedete Klimaresolution und das 2021 verabschiedete Klimaschutzkonzept gelegt. Und 2025 wurde deutlich: Klimaschutz und Klimaanpassung sind kein Widerspruch, sondern müssen Hand in Hand gehen. Emissionen vermeiden und reduzieren sind die wichtigsten Maßnahmen, um die Klimakatastrophe abzumildern. Gleichzeitig gilt es, im Verband notwendige Anpassungsstrategien zu entwickeln. Emissionen, Erwärmung und Extremwetterereignisse, Hitze und erhöhte UV-Strahlung, alpine Naturgefahren und die Möglichkeiten von Vorhersagen und Modellierungen: Die jeweiligen Ursache-Wirkungs-Ketten veranschaulichten der Klimaforscher Prof. Dr. Jürgen Kropp, der Bio- und Umweltmeteorologe Prof. Dr. Andreas Matzarakis und der Geograph und Geologe Prof. Dr. Michael Krautblatter. Sie bereiteten damit den wissenschaftlichen Boden für die folgenden Diskussionen und Arbeitsgruppen.
Dass im Alpenverein bereits einiges an Anpassung unternommen wird, verdeutlichte eine Übersicht mit Beispielen aus dem Bundesverband, die in die Sektionsarbeit hineinwirken: Monitoring der Wasserversorgung mit dem Ziel der Vorhersage der Wasserverfügbarkeit, Prognosen für Hangbewegungen, Anpassungen bei der alpinen Ausbildung (Inhalte, Standorte, Zeiten) und gezielte politische Arbeit für die notwendigen finanziellen Mittel. Ein anschauliches Beispiel, wie Klimaschutz in der Praxis beim Hüttenbau und -betrieb funktioniert, lieferte die Sektion München mit ihrer angepassten Hüttenstrategie: „So wenig wie möglich, so viel wie nötig“ bei den Baumaßnahmen, regionale, überwiegend vegetarische Verpflegung, einfache Sanitärausstattung und möglichst hundert Prozent regenerative Energie beim Betrieb.
In der Schlussrunde waren sich DAV-Präsident Roland Stierle, ÖAV-Präsident Peter Schnabl, AVS-Präsident Georg Simeoni und Bundesjugendleiterin und DAV-Vizepräsidentin Annika Quantz einig, dass die Veranstaltung einen weiteren wichtigen Impuls gesetzt hat, die Zukunft des Bergsports in den Alpen jetzt aktiv zu gestalten und als große gemeinsame Aufgabe der Alpenvereine anzupacken. Dass es dabei allerdings nicht nur um die Wirkung nach innen geht, sondern auch eine starke Stimme in Richtung Politik nötig ist, bekräftigte Annika Quantz zum Abschluss eindringlich: „Es gibt im DAV eine halbe Stelle für die Interessenvertretung von Natur- und Klimaschutz. Wenn wir in München, Berlin oder Brüssel auftauchen, dann sind wir eine halbe Person. Große Automobilkonzerne haben eine Mannschaft von dreißig, vierzig Lobbyist*innen. Nach innen haben wir schon so viel gewirkt, jetzt müssen wir das auch entfalten: Wir haben 1,6 Millionen Mitglieder, die ein Interesse daran haben, die Berge zu schützen und den Klimawandel abzumildern.“
Werkstatt-Ergebnisse
Neben wissenschaftlichen Vorträgen und Podiumsdiskussionen gab es intensive Gruppenarbeiten in sechs verschiedenen Foren mit folgenden Fragen: In welchem Ausmaß treffen die Folgen des Klimawandels den Bergsport, unsere alpine Infrastruktur und damit den Verband? Und wo geht es um Anpassung, wo um weitreichendere Folgen für den Alpenverein, seine Aufgaben und seine Identität? Auch wenn auf der Werkstatt keine Beschlüsse gefasst oder Entscheidungen getroffen werden, ist sie ein wichtiges Stimmungsbarometer und gibt Impulse für die Arbeit in den Verbandsgremien.
Kernbotschaften aus den Foren:
Krank durch Klima - das muss nicht sein:
Hitze muss man bei der Tourenplanung zunehmend mitdenken.
UV-Strahlung in der Höhe wird nach wie vor unterschätzt, Sonnenbrand ist eine der häufigsten Verletzungen im Bergsport, Hautkrebs eine mögliche Spätfolge.
Wenig bekannt ist, dass Klimawandelfolgen auch auf die Psyche wirken, die Veränderungen i0n der Natur lösen verschiedene Emotionen aus. Es gilt, die individuelle Resilienz zu fördern.
Alpen 2025: Perspektive junger Menschen
Es gibt ein Recht auf Risiko – Risiko braucht Wissen & Ausbildung.
Einfache alpine Infrastruktur (Downsizing) und nachhaltige Hüttenpachtverträge (keine Gewinnmaximierung).
Landschaft ohne „Inszenierung“ – keine neue Infrastruktur in Gebieten, die an touristischer Attraktivität verlieren, unerschlossene Gebiete erhalten.
Die Energiewende erfordert den Ausbau erneuerbarer Energien (Stichwort Windkraft).
Bergsport ohne Berge?
Der Rückgang klassischer Disziplinen macht Anpassungen in der Ausbildung nötig (z.B. alternative Winterangebote, gletscherfreie Hochtouren, Fortbildungen zu Klimawandel).
Gefragt ist mehr Flexibilität im Tourenprogramm mit Fokus auf das „Gesamterlebnis Berge“.
Notwendig ist eine stärkere Bewusstseinsbildung an der Basis zu Sommergefahren. Ansatz könnte ein „Lagebericht Sommergefahren“ analog zum Lawinenlagebericht sein.
Der Berg steht noch länger – ist das so?
Dogma der Unantastbarkeit der alpinen Infrastruktur aufheben. (Lenkung durch Rückbau oder auch Ausbau bei entsprechendem Einzugsgebiet).
Neue Rollen einnehmen und Kooperationen mit weiteren Organisationen eingehen (Alpen und auch Mittelgebirge).
Herausforderung der Klimawandelfolgen nicht nur als Problem, sondern auch als Chance begreifen.
Hütten & Wege in Bewegung 1 + 2
Ehrenamt und Solidarität tragen den DAV auch in Zukunft.
Mehr Einfachheit bei Bau und Betrieb der Hütten + Definition Einfachheit.
Standortanalysen: Welche Infrastruktur können wir langfristig erhalten und finanzieren, welche vielleicht nicht?
Moderne Technologien sinnvoll einsetzen: nicht alles, was geht, sondern nur das Notwendige.
Hüttengäste und Mitglieder noch besser aufklären und sensibilisieren.
Agieren statt Reagieren und mehr Gewicht gegenüber Politik und Gesellschaft.
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Hans Hocke ist als Bergführer und DAV-Ausbilder seit Jahrzehnten im Hochgebirge unterwegs.