Der Expedkader beim Lehrgang in den Dolomiten.
Der Expedkader beim Lehrgang in den Dolomiten. Foto: DAV/Philipp Abels
Expedkader Männerteam 2025

Das Kernteam steht

Zwölf junge Bergsteiger wurden nach dem Sichtungscamp im Frühjahr in die Vorauswahl des DAV-Expedkaders berufen und haben gemeinsam einige Trainingscamps durchlaufen. Sechs von ihnen bilden nun das Kernteam – und sind hochmotiviert für die nächsten Aktionen.

„Es ist bewundernswert, wie reflektiert und mit wieviel Respekt die Jungs an ihre Touren herangehen; das sehe ich als gutes Zeichen für unsere gemeinsame Zeit“, sagt Sebastian Brutscher über die Mitglieder des neuen Expedkaders, die er in den nächsten zwei Jahren als Cheftrainer begleiten und coachen wird. Brutscher – DAV-Expedkader 2012, Mitglied im Bergführerlehrteam und schon länger Co-Trainer des Expedkaders – hat diese Aufgabe von Christoph Gotschke übernommen, der aus beruflichen und familiären Gründen die Zusatzbelastung als Cheftrainer abgegeben hat. „Sebi“ war beim Sichtungscamp dabei und hat die dort ausgewählten zwölf Team-Aspiranten bei drei Trainingscamps intensiv kennengelernt; gemeinsam mit den anderen Trainern wurde nun das Kernteam bestimmt:

Jonas Fertig (DAV-Sektion Rosenheim)

Florian Frank (DAV-Sektion Bad Aibling)

Luis Funk (DAV-Sektion München&Oberland)

Leon Schaake (DAV-Sektion Freiburg)

Hannes Tegethoff (DAV-Sektion Reutlingen)

Josef Vögele (DAV-Sektion Garmisch-Partenkirchen)

„Die Auswahl ist uns schwer gefallen“, erzählt Brutscher, „es hätte noch einige super Leute gegeben, für die kein Platz mehr war und um die es mir leid tat, nachdem wir über ein halbes Jahr verteilt miteinander unterwegs waren – aber die Jungs sind super drauf, und es wird eine gute Zeit werden.“

Der neue Cheftrainer Sebastian Brutscher beim Lehrgang in den Dolomiten. Foto: DAV/Philipp Abels

Pfalz – Bergrettung und selbst absichern

Das erste Trainingscamp an Pfingsten, noch von Christoph Gotschke organisiert und mit den Co-Ausbildern Brutscher und Jürgen Oblinger, führte das Zwölferteam in die Pfalz. Tradklettern in schwierigen Rissen war angesagt, aber auch die legendären Kiesel-Sportklettereien. Klassiker wie „Magnetfinger“ (IX+) oder der selbst abzusichernde „Lindwurm“ (VIII+) wurden mehrfach geklettert. Neben dem taktisch cleveren Absichern mit Klemmkeilen und Friends bekamen die Jungs aber auch ein Update im Standplatzbau und ein Intensivtraining in behelfsmäßiger Bergrettung: Wie beim Bergführerlehrgang wurden von Grund auf die Basistechniken vermittelt – Flaschenzugmethoden, Bodyhauling, Seilverlängerungen –, dann ging es in komplexe Szenarien: Wie kann ich helfen, wenn der Nachsteiger im Quergang fällt? Oder gar wenn sich der Vorsteiger beim Sturz im ansteigenden Quergang verletzt? Für solche Krisensituationen eine gut gefüllte Trickkiste im Kopf zu haben und die Handgriffe aus dem ff zu beherrschen, ist ein wichtiges Sicherheitsfundament im „wilden“ Gelände, in dem sich die Expedkader ihre ambitionierten Ziele suchen. Hannes Tegethoff zählt die Bergrettungs-Ausbildungstage explizit zu den Highlights des Jahres. Bei super Wetter war die Woche auf dem Campingplatz eine gute Zeit für alle und legte die Basis für künftiges gutes Unterwegssein.

Hannes in der Route "Flug des Albatros" in der Pfalz. Foto: David Vorderholzer

Chamonix – Alpines Gelände sicher und zügig

Weniger Glück hatten die Jungs Anfang Juli in Chamonix, denn wechselhaftes Wetter und nachlassende Verhältnisse schränkten die Möglichkeiten für ganz große Touren ein. Ein bisschen enttäuschend für Flori Frank, der „zuvor noch nie in Chamonix war … aber ich denke, wir haben das Beste daraus gemacht.“ Hannes Tegethoff ergänzt: „Ich fands super, wie selbst bei schlechten Bedingungen das Maximum aus dem Tag rausgeholt wurde. Bei den Ausbildungsblöcken hat man richtig gemerkt, wie wichtig es den Trainern ist, dass wir was mitnehmen.“ So gingen Brutscher und Oblinger, verstärkt durch die zwei Chamonix-Experten Michi Wärthl und Jörn Heller, mit ihren zwölf Eleven zuerst ins Argentièrebecken für intensives Steigeisentraining, schulten Rückzugsmethoden und Spaltenbergung.

Das Hauptthema des Camps aber war das Bewegen im Alpingelände, denn „da war die Erfahrung der Teilnehmer am geringsten“, erzählt Sebi Brutscher. Wann und wie kann und muss man sichern, wann darf oder sollte man seilfrei gehen, wie wägt man Sicherheit gegen die nötige Geschwindigkeit ab, um vor Wetterverschlechterung oder Schneebrückenaufweichung mit einer langen Tour fertig zu sein? Dafür waren klassische bis gehobene Hochtouren ein gutes Lernfeld; teilweise wurde dafür auf die Südseite des Massivs gewechselt, zu Gipfeln wie Aiguille Noire de Peuterey, Gran Paradiso oder Petites Jorasses. Abgerundet wurde das Programm durch ein paar Felstouren an den Granitnadeln beidseits des Tales und einen Trainingstag zum Drytoolen. Und Tom März vom Expedkader 2022 stattete spontan einen Besuch ab, erzählte von seiner Kaderzeit und berichtete mit einem Bildervortrag von der Expedition nach Grönland.

Hannes vor dem Mont Blanc. Foto: Leon Schaake

Dolomiten – „Abenteuerklettern“ gut im Griff

Praktisch einstimmig als beste Aktion des Jahres nennen die Kaderjungs das letzte Camp des Sommers: Mit Stützpunkt in Canazei standen in der ersten Septemberwoche die klassisch alpin gesicherten Klettereien der Dolomiten auf dem Programm. Für Leon Schaake ein Aha-Erlebnis: „Ich war davor noch nie dort und hab mir die Dolomiten als großen und steilen Schutthaufen vorgestellt. Ich muss aber sagen, die Kletterei ist super und der Fels gar nicht mal so schlecht.“

Der Expedkader berät sich beim Lehrgang in den Dolomiten. Foto: DAV/Philipp Abels

Was untertrieben erscheinen mag – schließlich konnten die zehn Jungs (zwei waren nicht mehr mitgefahren) bei bestem Wetter Traumtouren abhaken: die „Mayerlverschneidung“ (300 m, VII) am Heiligkreuzkofel, die „Hypersalami“ (350 m, VII+) am Langkofel mit vier Seilschaften, dazu einige kühnere Neoklassiker am Meisulesturm wie „Maghi i Maghetsch“ (300 m, VIII), „Via Franz“ (300 m, VII) oder „Africa“ (210 m, VIII-); „verrückt, dass man mit nur zwei Schlaghaken und ein paar gefädelten Sanduhrschlingen sicher durch so eine Wand kommt“, schwärmt Hannes Tegethoff.

Auch wenn die Schwierigkeiten nicht überwältigend wirken mögen angesichts des Kletterniveaus der Teilnehmer – gerade das findet der Trainer Sebi Brutscher bemerkenswert: „Ich fand das sehr cool, dass sie auf klassische Touren motiviert waren; schwer klettern können sie ja. Dass ein 8c-Kletterer sich fragt, ob er der 6b gewachsen ist: Das ist das genaue Gegenteil der Selbstüberschätzung, die leider sonst oft zu beobachten ist.“

Technische Grundlagen vermittelten Sebi, Oblinger und der Cotrainer Fabian Hagenauer (Expedkader 2022) zuvor in der Steinernen Stadt am Sellajoch: Standplatzbau mit mobilen Geräten und Normalhaken, Einschätzung von Fixpunkten im relativ „weichen“ Dolomitgestein, Hakenschlagen, Seilmanagement (Einfachseil+Tagline, Doppelseiltechnik), Klettern mit Haulbag in schweren Touren … damit waren die Jungs dann auch gerüstet für echte alpine Abenteuertouren wie die „Harrer“ (600 m, V) an der Grohmannspitze, in der sie fast überhaupt keine Haken vorfanden. Josef Vögeles Fazit werden wohl alle unterschreiben: „Coole Touren, gutes Wetter und Tourenpartner, mit denen man gerne unterwegs ist – so macht klettern Spaß!“

Sicherungstechniken werden beim Lehrgang in den Dolomiten vermittelt. Foto: DAV/Philipp Abels

Als Gruppe bewährt – ohne Konkurrenzkämpfe

Der Sommer war ein Test für das neue Konzept beim Männerkader, der als Zwölfergruppe begann und zuletzt auf sechs Personen konzentriert wurde. Das bot mehr jungen Alpinisten die Chance, viel zu lernen – aber würde das Bewusstsein um den bevorstehenden Auswahlprozess auf die Stimmung drücken oder gar durch Leistungsdruck die Risikobereitschaft erhöhen? Außerdem ist, „je mehr Leute unterwegs sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert; Bergsport hat eben ein Restrisiko“, wie der Cheftrainer Brutscher anmerkt. Deshalb „haben wir viel miteinander geredet und versucht, den Druck rauszunehmen.“

Was offensichtlich funktioniert hat: „Die Stimmung empfand ich immer als recht entspannt“, sagt Josef Vögele, „Konkurrenzkämpfe gabs keine, vielmehr haben wir im Team immer ganz gut funktioniert.“ Und Leon Schaake ergänzt: „Jeder war auch auf das Wohl der anderen sehr bedacht und nicht nur auf den eigenen Vorteil.“ Flori Frank merkt an: „Natürlich wollte sich jeder von seiner besten Seite zeigen, es war aber nicht so, dass deswegen ein Konkurrenzdenken entstanden wäre. Dies ist aber vielleicht auch unserer Gruppe zu verdanken…“ Und Luis Funk merkt an: „Man hat schon gemerkt, dass der Druck in der Gruppe kurz vor der Entscheidung, wer in den Kader kommt, deutlich höher war als davor. Jeder wollte auf jeden Fall nochmal sein Bestes geben.“ Doch auch er resümiert: „Wir sind als Gruppe zusammengewachsen.“

Auch die „ausgeschiedenen“ Teilnehmer bestätigten in der Feedbackrunde, dass kein Leistungsdruck zu spüren gewesen sei, so der Cheftrainer Brutscher. Immerhin besteht für sie ja immer noch die Chance, bei weiteren Camps einen freien Platz zu ergattern – und die Erlebnisse und Erfahrungen dieses Sommers kann ihnen niemand nehmen.

Der Expedkader beim Lehrgang in den Dolomiten. Foto: DAV/Philipp Abels

Herbst und Winter: ein volles Programm

Für das Kernteam geht es nun weiter mit einem durchgetakteten Plan weiterer Treffen und Trainingscamps. Im Herbst stand einiges allgemein-organisatorische im Kalender: Ein Treffen mit Tom Strobl vom Sponsoringpartner Mountain Equipment, bei dem auch ein erster Teil der Teamausrüstung ausgegeben wurde; ein Tag Medienschulung beim DAV in München; ein Tag Leistungsdiagnostik zur Trainingsplanung in Bamberg; ein Firmenbesuch bei Edelrid mit Sicherungsupdate und im Dezember eine Weihnachtsfeier mit den Eltern zum gegenseitigen Kennenlernen.

Dann ist wieder alpiner Input angesagt: eine Einführung ins Winterbergsteigen im Allgäu, im Februar Eis- und Mixedklettern in Osttirol. In dieser Spielart des Bergsteigens sieht Cheftrainer Brutscher noch den größten Übungsbedarf: „Da wollen wir viele Meter machen.“ Ein Lawinenlehrgang mit dem Skilehrer- und Bergführer-Ausbilder Andi Thomann auf Heidelberger Hütte soll im Januar die Grundlagen für sicherheitsbewusstes Unterwegssein im winterlichen Gelände legen. Gute Voraussetzungen also, dass sich Luis Funks Wunsch erfüllt, „dass wir unfallfrei und sicher unterwegs sind und dass ich sehr viel lernen werde.“ Darin sind sich ohnehin alle im Team einig – Florian Frank etwa drückt seine Ziele so aus: „Mich als Bergsteiger weiterzuentwickeln, viel zu lernen und Spaß mit den anderen zu haben.“

Diesen Spaß wünschen wir allen Beteiligten – und immer eine gute Hand für die richtigen Entscheidungen.

Josef und Luis bei der Einkleidung beim Hauptsponsoring-Partner Mountain Equipment. Foto: DAV/Philipp Abels

Und die Mädels?

Das Frauenteam des DAV-Expedkaders 2023 berichtet am 21.11. zum offiziellen Abschluss der Kaderzeit von seiner Abschlussexpedition nach Grönland. Alle Infos zum Abschlussabend findet man hier.

Ein neuer Frauenkader wird nächstes Jahr ausgewählt und dann bis 2026 die alpinistische Ausbildung genießen. Die Einladung zum Sichtungscamp – wahrscheinlich werden es zwei Veranstaltungen sein – wird über die digitalen Medien des DAV veröffentlicht werden.

Der Mädels Expedkader in Grönland. Foto: DAV/Carolin Neukam

Der DAV-Expedkader wird unterstützt von Mountain Equipment, Edelrid und Katadyn. Herzlichen Dank für die langjährigen Partnerschaften!

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