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Der Streit um die Badener Wand

FAQs: Worum geht's eigentlich am Battert?

25.01.2023, 17:00 Uhr

Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat die ganzjährige Sperrung der Badener Wand am Felsmassiv Battert in der Nähe von Baden-Baden beschlossen. Die Haken und die Felsenbrücke wurden entfernt. Der DAV und die lokalen Arbeitskreise Klettern und Naturschutz stellen sich klar gegen das ganzjährige Verbot. Warum überhaupt die Sperrung, was ist dagegen einzuwenden und was ist jetzt noch dagegen auszurichten? – Auf einige häufig gestellte Fragen antworten wir hier.

Was gilt jetzt für die Badener Wand?

Für die Badener Wand und die darunter liegende Blockschutthalde gilt ein ganzjähriges Betretungsverbot, auch das Klettern dort ist verboten. Die Haken und die Felsenbrücke wurden entfernt. Obwohl zunächst eine Sperrung für 5 Jahre angekündigt wurde, fehlt in der Allgemeinverfügung ein Enddatum. Aktuell gilt die ganzjährige Sperrung also für unbestimmte Zeit.

 

Warum überhaupt eine Sperrung?

In der Badener Wand gibt es einen Brutplatz für Wanderfalken. Sperrungen zur Balz- und Brutzeit (in der Regel von 1. Februar bis 30. Juni) sind dann üblich, damit die Vögel ihren Nachwuchs ungestört aufziehen können. So wird es in den meisten Regionen, auch international, gehandhabt, um die Felsbrüter zu schützen – und die Erfolge sprechen für sich.
Für die Badener Wand wurde allerdings nun eine ganzjährige Sperrung beschlossen – und das obwohl grundlegende Daten zu Störfaktoren fehlen und wirksame, weniger restriktive Lösungen vorgeschlagen wurden. Für die Klettercommunity und Engagierte vor Ort, die sich für eine naturverträgliche Sportausübung einsetzen, ist das ein Schlag ins Gesicht.

 

 

Warum ist der DAV gegen die Sperrung? In anderen Klettergebieten werden Kletterverbote doch sogar oft unterstützt.

Als Bergsport- UND Naturschutzverband ist es Aufgabe des DAV, Klettern und Naturschutz zu vereinbaren. Das ist das zentrale Ziel der Arbeit in den Sektionen und mit anderen Verbänden und wird in der Bildungsarbeit, Kletterkonzeptionen und Kampagnen mit Leben gefüllt. Wo Felsbrüter anzutreffen sind, bedeutet das auch, dass für einige Monate im Jahr auf das Klettern in diesen Bereichen verzichtet werden muss. Solche temporären Sperrungen werden zum Beispiel durch die Verbauung der unteren Sicherungshaken und durch Kontrollgänge von Ehrenamtlichen sichergestellt. In der Klettercommunity sind diese Regelungen akzeptiert und werden in aller Regel eingehalten. Über Jahrzehnte wurde Vertrauen zwischen Kletternden und Naturschützer*innen aufgebaut, dass Klettern möglich bleibt, wenn die Naturschutzregeln eingehalten werden. Mit ganzjährigen Sperrungen wie am Battert, deren Notwendigkeit nicht ausreichend mit validen Daten belegt werden kann, wird dieses Vertrauen nachhaltig und über den Battert hinaus erschüttert.

 

Wie sollte der Wanderfalke an der Badener Wand denn sonst geschützt werden, wenn nicht mit der verhängten Sperrung?

Die Basis wäre eine temporäre Sperrung mit weiteren Maßnahmen, die sicherstellen, dass sich auch alle daran halten. Zusätzlich muss überprüft werden, ob andere Faktoren für die geringen Bruterfolge am Battert eine Rolle spielen.
Konkret hat der DAV folgende Punkte vorgeschlagen:
1. Temporäre Sperrung von 1.1. bis 31.7. der gesamten Badener Wand
2. temporäres Verschrauben der unteren Kletterhaken während der Schutzzeit, um die Einhaltung der Kletterregelung sicherzustellen (vorläufige Maßnahme)
3. Ehrenamtliche Horstbewachung an Wochenenden und Feier-/Brückentagen, um sicherzustellen, dass die temporären Verbote eingehalten werden
4. Wildkameras, die Horst, Felsfuß und Felsenbrücke überwachen, um festzustellen, ob Fressfeinde wie Uhu, Fuchs, Marder oder Waschbär vorkommen

Zur Einordnung: Auch vor der jetzt verhängten ganzjährigen Komplettsperrung gab es temporäre Kletterverbote. Diese galten aber nur für den linken Teil der Badener Wand und wurden erst seit 2022 während der Sperrzeit entsprechend vor Verstößen gesichert und von Ehrenamtlichen kontrolliert. In diesem Jahr wurden keine Verstöße gegen das Kletterverbot registriert. Mit den vom DAV vorgeschlagenen Maßnahmen könnte eine Störung durch Menschen also weitgehend ausgeschlossen werden.
Wildkameras werden erst jetzt an der Badener Wand installiert.
 

 

Dann ist halt eine Wand gesperrt – verhältnismäßig hin oder her – warum so ein großer Wirbel?

Dafür gibt es verschiedene Gründe.
Zunächst einmal die übergeordneten: Zur Frage, warum der DAV gegen die Sperrung ist (s.o.), haben wir es schon angerissen. Vertrauen und ein gemeinsamer Verhaltenscodex, der zwischen Klettercommunity und Naturschutz seit Jahrzehnten Gültigkeit hat, wird hier grundlegend infrage gestellt. Das untergräbt die Arbeit vieler (ehrenamtlich) Engagierter, die sich für naturverträgliches Klettern einsetzen. Darüber hinaus schafft diese Sperrung einen regionalen Präzedenzfall, der auch europarechtliche Auswirkungen haben könnte. Eine ganzjährige Sperrung muss zweifelsfrei notwendig sein – doch diese Notwendigkeit belegt die Begründung der Regierung nicht. Deshalb können wir sie so nicht mittragen.

Aber auch lokal hat die Badener Wand eine große Bedeutung für den Klettersport: Wegen der Wandhöhe und alpinen Absicherung dient sie vielen Kletterer*innen in Baden-Württemberg und angrenzenden (Bundes-)Ländern zum Training von alpinen Mehrseillängen. Nicht ohne Grund kletterten dort auch Alpinlegenden wie beispielsweise Reinhard Karl und Ralf Dujmovits. Letzterer ist nach wie vor regelmäßig beim Klettern am Battert anzutreffen.

 

Das Regierungspräsidium hat doch ein Gutachten vorgelegt und kommt zu dem Schluss, dass die ganzjährige Sperrung das einzige richtige Mittel ist. Worauf bezieht sich denn der DAV, wenn er sagt, dass das vollkommen überzogen ist?

Zwei große Punkte kritisieren wir an der Begründung des Regierungspräsidiums: Die mangelhafte Datengrundlage des Gutachtens und die Interpretationen zur Verhältnismäßigkeit.

Im Detail wird das relativ komplex, deshalb folgen jetzt ein paar längere Absätze.

 

Zur Datengrundlage des Gutachtens:
Vorab: Wir kritisieren nicht die Arbeit des Gutachters, sondern die zur Verfügung gestellten Daten. Der Gutachter selbst benennt seine Arbeit als Stellungnahme, nicht als Gutachten – womöglich bewusst, weil die Datengrundlagen die Standards eines Gutachtens nicht erfüllen.

Was ist das Problem bei der Stellungnahme?

  • Die Methodik der Datenerhebung wird nur zum Teil, die Daten überhaupt nicht dargestellt. Für ein fachlich fundiertes Gutachten ist eine sorgfältige Methodik und Dokumentation unabdingbar. Konkret heißt das: 3-4 Begehungen pro Jahr, Dokumentation der räumlichen Umstände (Datum, Uhrzeit, Temperatur, Niederschlag, etc.), alles erhoben und festgehalten von fachkundigen Personen. Die gleichen Ansprüche müssen natürlich Daten über Störungen erfüllen. Die genutzten Daten wurden von der Arbeitsgruppe Wanderfalke des NABU erhoben, von wem, wann und bei welchen Rahmenbedingungen, ist nicht dokumentiert bzw. nicht veröffentlicht. Viele notwendige Informationen fehlen, z.B. Datum, Anzahl der jährlichen Begehungen, Witterung, Informationen zu Störungen, etc.
  • Die Witterung wird in der Stellungnahme (vermutlich wegen fehlender Daten) nicht berücksichtigt. Das ist wichtig, weil nasse und kalte Witterung während der sensiblen Brutzeit zum Abbruch der Brut führen kann. Hier kommt es dann oft zu einer Nachbrut.
  • Fressfeinde wie Fuchs, Marder oder Waschbär könnten an den Brutplatz gelangen – trotzdem werden sie in der Stellungnahme nicht ausreichend als mögliche Störfaktoren berücksichtigt. Der Uhu wurde zwar in der Untersuchung kurz bearbeitet, seine Auswirkung als Brutplatzkonkurrent und Fressfeind am Battert aber unzureichend untersucht. Junge Wanderfalken stehen auf dem Speiseplan vom Uhu und dessen Ausbreitung ist ein fachlich nachgewiesener Einflussfaktor für die regionale Stagnation der Wanderfalkenverbreitung.
  • Die Daten von Vergleichsfelsen werden anders interpretiert als die Daten vom Battert: Am Battert wird bei jeder Nichtbrut von einem Brutabbruch ausgegangen – und ein Brutabbruch in die statistische Auswertung aufgenommen. Bei den Vergleichsfelsen hingegen wird eine Nichtbrut in den meisten Fällen nicht in die Wertung aufgenommen. Hier wird davon ausgegangen, dass gar kein Brutversuch vorlag.
  • Die Frage zum Einflussfaktor Herbstbalz, die als Grund für die Sperrung von September bis Januar aufgeführt wird, wird in der Stellungnahme nicht final beantwortet. Vielmehr wird die Aussage getroffen, dass die Herbstbalz aufgrund der regelmäßigen Brutversuche an der Badener Wand in fast jedem Jahr keine wesentliche Rolle bei der Wahl des nächstjährigen Brutplatzes spielt. Und das obwohl aufgrund der südseitigen Exposition der Wand gerade der trockene Herbst und Frühwinter viele Kletterer an die Badener Wand lockt.

  • In der Stellungnahme gibt es keine abschließende Bewertung der Verhältnismäßigkeit einer ganzjährigen Sperrung. Das Regierungspräsidium attestiert die eigene Entscheidung als verhältnismäßig, weil die Sperrung der Badener Wand nur einen Teil der verfügbaren Routen am Battert betrifft. Für die Nicht-Kletternden: Das ist, als würde man einen schönen Wanderpfad sperren und stattdessen auf die Forststraße als tolle Alternative verweisen.

Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf die Interpretation der Verhältnismäßigkeit der ganzjährigen Sperrung – und hier wird es juristisch. Das Regierungspräsidium begründet die ganzjährige Sperrung mit der unmittelbaren Verschlechterungsgefahr der lokalen Population des Wanderfalken und bezieht sich damit auf §44 im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG).
Zwar wird die „lokale Population“ weder in der Allgemeinverfügung noch in der Stellungnahme definiert, aus der Begründung der Sperrung lässt sich aber ableiten, dass das Regierungspräsidium das einzelne Brutpaar am Battert als die lokale Population interpretiert. Denn nur dann wäre die Argumentation mit dem negativen Trend der durchschnittlichen Reproduktionsrate und der daraus folgenden Verschlechterung der lokalen Population und schließlich der ganzjährigen Sperrung als Gegenmaßnahme juristisch korrekt.
Fachlich ergibt diese Definition der lokalen Wanderfalkenpopulation allerdings wenig Sinn – und stellt so auch die damit verbundene ganzjährige Sperrung in Frage. Warum? Biologisch bedingt gibt es immer wieder sogenannte „Umverpaarungen“, quasi neue Partnerschaften bei den Wanderfalken. Demnach wäre - nach der Interpretation der Regierung - jedes Mal, wenn sich neue Individuen verpaaren, die lokale Population am Battert in Gefahr. In unseren Augen umfasst die lokale Population die Brutpaare der Region Baden-Baden und evtl. darüber hinaus. Wie viele Tiere bzw. welchen Radius die lokale Population umfasst, muss in diesem Kontext allerdings fachlich und juristisch geklärt werden.

 

Welcher Seite soll ich denn jetzt glauben?

Unsere Antwort auf diese Frage wäre vermutlich etwas tendenziös. Klar ist aber, dass das Team beim DAV durchaus Expertise hat: Von der formellen Bildung (Biologie, Umweltplanung, etc.) und der Erfahrung (Kletterkonzeptionen, die wirksame Schutzkonzepte für Wanderfalke und Uhu auf den Weg gebracht haben).

 

Was kann man jetzt noch gegen die Sperrung tun?

Die Arbeitskreise Klettern und Naturschutz Battert und Nordschwarzwald rüsten sich gerade mit Unterstützung von Einzelpersonen und des DAV-Landesverbands für eine mögliche Klage. So ein Verfahren ist aufwendig und teuer, wer sich beteiligen möchte, findet hier Infos: https://battert100.de/

 

Wird der DAV klagen?

Gegen eine Allgemeinverfügung kann nur klagen, wer direkt betroffen ist. Der DAV-Bundesverband ist also in diesem Fall nicht klageberechtigt, unterstützt aber im Rahmen seiner Möglichkeiten die Initiative 100% Battert  (s.o.) sowie den DAV-Landesverband Baden-Württemberg.

 

Badener Wand wird gesperrt

Kletterverbot am Battert ab Januar 2023

Mehr erfahren
Der Battert im Nordwesten des Schwarzwalds ist ein beliebtes Klettergebiet, viele traditionsreiche Routen befinden sich hier an der Badener Wand. Um die dortigen Nistplätze des Wanderfalken zu schützen, hat das Regierungspräsidium Karlsruhe beschlossen, die Wand für Kletternde zu sperren. Der Landesverband Baden-Württemberg des DAV hatte sich bis zuletzt dafür eingesetzt, naturverträgliches Klettern weiterhin zu ermöglichen. Im Jahr 2004 kehrten die Wanderfalken zurück an die Badener Wand. Im Jahr 2020 wurden immerhin drei ausgeflogene Jungfalken gezählt. Sind die Kletter*innen dafür verantwortlich, dass sich am Battert der Wanderfalke eher spärlich fortpflanzt, wie das Regierungspräsidium Karlsruhe unterstellt?