Ein Ausbilder erklärt einer Bergsteigerin, wie am Gletscher mit einem Pickel ein T-Anker gelegt werden kann.
Wer Touren im alpinen Gelände unternehmen will, benötigt fundiertes Wissen. Foto: DAV/Silvan Metz
Ausbildung beim DAV

Alles, was man können muss

Wer als Trainer*in Kurse geben und Touren führen möchte, benötigt mehr als die sportlichen Fähigkeiten. Beim DAV gibt es ein spezielles Ausbildungswesen, in dem die notwendigen Kompetenzen erworben werden. Was steckt dahinter?

Es begann vor über sechzig Jahren: Im Winter 1962/63 starteten beim Deutschen Alpenverein die ersten Ausbildungskurse, und zwar im alpinen Skilauf und Skibergsteigen. Das oberste Ziel: Unfälle beim Bergsport reduzieren. Wer einen Blick in die Bergunfallstatistiken der letzten Jahre wirft, erkennt, dass Unfälle in den Bergen auch heute keine Seltenheit sind. Gründe dafür gibt es viele, ein wichtiger aber sind mangelnde Kenntnisse: In brenzligen Situationen fällen Bergsportler*innen dann falsche Entscheidungen, sie schätzen die Bedingungen am Berg, ihre Fähigkeiten und Kondition nicht richtig ein oder sind schlecht ausgerüstet. Wissen und Können am Berg erwirbt man nicht ausschließlich durch eigene Erfahrungen. In den DAV-Sektionen gibt es ausgebildete Expert*innen, die alles Wichtige anschaulich in Theorie und Praxis vermitteln: Wie man Touren plant und was man dabeihaben muss. Wie man einen Klettergurt anlegt und sich ins Seil einbindet. Wie man den Bergwetter- und den Lawinenlagebericht liest. Wie man mit Steigeisen geht und sich in Notsituationen verhält.

Eines von 11 Bundeslehrteams: Das Lehrteam Naturschutz. Foto: DAV

Bundeslehrteams

Die elf Bundeslehrteams des DAV leiten die Aus- und Fortbildungen und konzipieren sie gemeinsam mit den Bildungsreferent*innen. In den Lehrteams Bergsteigen, Bergwandern, Mountainbike, Familienbergsteigen, Umweltbildung, Skilauf, Sportklettern Breitensport, Sportklettern Leistungssport, Routenbau, Bergsport inklusiv und persönliche Schutzausrüstung (PSA) arbeiten 160 Ausbilder*innen. Sie verfügen über hohe Expertise im jeweiligen Sport- bzw. Fachbereich und der Erwachsenenbildung. Am größten sind die Bundeslehrteams Sportklettern mit knapp 60 Mitgliedern und Bergsteigen mit 50 Bergführer*innen. Mehr Infos zu den Bundeslehrteams

Diese Trainer*innen, Wanderleiter*innen oder Kletterbetreuer*innen auszubilden, ist im Laufe der Jahrzehnte eine der wichtigsten Aufgaben im DAV geworden. „Wir müssen den Leuten das Knowhow vermitteln, um ihnen zeigen zu können, wie sie selbstständig ihre Touren machen können“, fasst Hans Hocke vom Bundeslehrteam Bergsteigen zusammen.

Gemeinschaft erleben

Heute werden Jahr für Jahr fast sechshundert Aus- und Fortbildungen für Trainer*innen beim DAV angeboten. Wer sich einen Überblick verschaffen möchte, findet das komplette Ausbildungsprogramm unter ausbildung.alpenverein.de. Nach der Ausbildung führen Trainer*innen in ihrer Sektion Touren, vermitteln Bergsportwissen in Kursen oder leiten Gruppen. Das Kurs- und Tourenprogramm kann man auch als „das Herzstück des Sektionslebens“ bezeichnen, wie DAV-Vizepräsidentin Burgi Beste betont.

„Die ehrenamtliche Tätigkeit unserer Trainer*innen in den Sektionen bildet das Herzstück unseres Vereins. Durch ihr Engagement bei den vielfältigen Kursen und Touren wird erst möglich, was schon im DAV-Leitbild verankert ist: Wir möchten unsere Mitglieder dabei unterstützen, kompetente, verantwortungsvolle und naturverträgliche Bergsportler*innen zu werden.“
- Burgi Beste, DAV-Vizepräsidentin

Hier lernen sich die Mitglieder untereinander kennen, gründen Gruppen und es entstehen Freundschaften – oft ein Leben lang. Ohne gemeinsame Veranstaltungen würde sich schließlich kein Zusammengehörigkeitsgefühl in der Sektion entwickeln. Deshalb gehen die Ziele einer Ausbildung beim DAV weit über das rein sportliche Fachwissen hinaus. Wer mit Menschen arbeitet, Gruppen gar in alpinem Gelände führt, benötigt personale und soziale Kompetenzen. Man muss Verantwortung tragen können, reflektiert, kritikfähig und empathisch sein. Und natürlich mit den Gefahren und Risiken am Berg angemessen umgehen. „Wir integrieren die Werte des DAV- Leitbilds in unsere Bildungsangebote“, erklärt Caroline Chaillié, Leiterin des Ressorts Bildung in der Bundesgeschäftsstelle des DAV. „Und wir fördern eine Atmosphäre, in der sich alle willkommen fühlen und respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen.“

Wie überwindet man am sichersten eine Gletscherspalte? Foto: DAV/Franz Guentner

Was im Skisport seinen Anfang nahm, ist heute eine weitläufige Ausbildungslandschaft, die den Bergsport im Sommer und im Winter, den Klettersport und das Mountainbiken abdeckt. Für jeden Lehrgang gibt es detaillierte Ausbildungskonzepte. E-Learning- Module bereichern das Angebot, einzelne Fortbildungen finden komplett digital statt. Immer wichtiger wurde in den Lehrgängen die Umweltbildung, seit einigen Jahren steht besonders der Klimaschutz im Fokus. „Wir sind Bergsport- und Naturschutzverband und leben Natur- und Klimaschutz auch in unseren Ausbildungen“, betont Caroline Chaillié. Was motiviert Menschen, eine Ausbildung beim DAV zu beginnen? Trainer*innen sind ehrenamtlich für die Sektion tätig. Es ist der Spaß am Engagement, daran, Wissen und Begeisterung zu teilen und andere dabei zu unterstützen, verantwortungsvoll in die Berge zu gehen.

Bergführer*in, Trainer*in, was ist was?

DAV-Trainer*innen werden vom DAV ausgebildet und sind ehrenamtlich in den Sektionen tätig. Staatlich geprüfte Berg- und Skiführer*innen werden beim Verband Deutscher Berg- und Skiführer e.V. (VDBS) in Deutschland oder ähnlichen Verbänden in anderen Ländern ausgebildet. Wer die Ausbildung abgeschlossen hat, macht oft seine Leidenschaft zum Beruf und arbeitet danach selbstständig oder für Alpinschulen. Im VDBS sind 700 Bergführer*innen organisiert, davon arbeitet ein Drittel hauptberuflich. Die wichtigste Aufgabe: Gäste auf anspruchsvollen Touren sicher und mit Freude hinauf- und wieder hinunterbringen.

Wer Trainer*in werden oder eine ähnliche Aufgabe übernehmen möchte, benötigt die Zustimmung der Sektion, die auch einen Teil der Kosten für die Ausbildung übernimmt. Neben einem Mindestalter von in der Regel achtzehn Jahren muss man ausreichend Erfahrung in der jeweiligen Sportart mitbringen. Diese wird etwa im Bergsport mit einem Tourenbericht belegt. Wer beispielsweise eine Ausbildung zum*zur Wanderleiter*in machen möchte, muss im Tourenbericht mindestens zwanzig Bergwanderungen mit jeweils um die 800 Höhenmeter nachweisen. Außerdem ist neben Grundkenntnissen in Orientierung, Wetterkunde und alpinen Gefahren auch der Nachweis über einen absolvierten Erste-Hilfe-Kurs notwendig.

Die Voraussetzungen der Ausbildung zum* zur Trainer*in B Skihochtour sind um einiges umfangreicher. „Da wollen wir nur updaten, die Best-of-Methodik vermitteln und noch ein paar Tipps und Tricks draufsetzen“, erklärt Hans Hocke vom Bundeslehrteam Bergsteigen. Manche Teilnehmer*innen haben sich allerdings Praktiken angewöhnt, die nicht der Lehrmeinung entsprechen. „Sie müssen alte Bewegungsmuster aufbrechen. Das ist oft schwerer, als wenn sie es von vornherein neu lernen würden“, berichtet Chris Semmel vom Bundeslehrteam Bergsteigen. „Außerdem sollte man bereit sein, lebenslang zu lernen“, betont Caroline Chaillié. Denn während der Tätigkeit in der Sektion besteht in der Regel alle vier Jahre die Pflicht, Fortbildungen zu besuchen.

Gemütlicher Ausklang des Kurstages in der Franz-Senn-Hütte. Foto: DAV/Franz Guentner

24.000 Lizenzen - Tendenz steigend

Viele Teilnehmer*innen behalten die Kurse noch lange in guter Erinnerung. So sagt auch Simone von der Sektion Ulm nach dem Lehrgang Skihochtour auf der Franz-Senn-Hütte: „Den Kurs fand ich total klasse, weil ich viel gelernt und die ganze Woche mit supernetten Leuten verbracht habe. Eigentlich würde ich jetzt noch gern länger hierbleiben.“ Und, Prüfungsstress hin oder her, „wann hat man schon mal die Chance, mit Bergführern unterwegs zu sein und alle Fragen, die man zum Bergsport hat, loswerden zu können

Das fand ich schon sehr besonders“, freut sich Moritz von der Sektion München. Wer seine Prüfungen erfolgreich abgelegt hat, erhält die ersehnte Lizenz. Im Januar 2024 gab es im gesamten DAV 24.000 Lizenzen. Die meisten davon werden mittlerweile im Klettersport vergeben. Die eigentliche Zahl der Trainer*innen ist aber etwas kleiner, denn es gibt Personen, die mehrere Ausbildungen abgeschlossen haben. Der Frauenanteil liegt bei rund einem Drittel. Wer ins Online-Kursprogramm schaut, wird überwältigt von dem riesigen Angebot. Was man nicht sieht, ist der große Aufwand, der dahintersteckt. Die Maxime „Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren“ der DAV-Klimastrategie gilt auch für den Ausbildungsbereich. „Wir werben nicht nur für die öffentliche Anreise und unterstützen Fahrgemeinschaften, sondern legen auch die Ausbildungsstandorte möglichst gut erreichbar oder in Bergsteigerdörfer und wählen nachhaltig wirtschaftende Stützpunkte aus“, erklärt Martina Bogner vom Ressort Bildung.

Die meisten Lizenzen für Trainer*innen werden im Klettersport vergeben. Foto: DAV/Hansi Heckmair

Die Planung hat sich in den letzten Jahren nochmals verkompliziert. Stichwort Klimawandel: Dort, wo früher zuverlässig Schnee lag, gibt es jetzt keinen mehr, oder zu anderen Zeiten. Durch häufigeren Starkregen gehen mehr Muren ab als früher: Wege, Hänge oder Rinnen werden unpassierbar. Die Gletscher schmelzen, es wird immer schwieriger, überhaupt Stützpunkte für Hochtourenkurse zu finden. Dies alles fordert Flexibilität. „Manchmal müssen Kurse kurzfristig verlegt werden, damit sie stattfinden können“, erzählt Martina Bogner. Ein großes Aufgabenpaket für die zwölf Mitarbeiter*innen in der DAV-Bundesgeschäftsstelle, die sich nicht nur um die Kursplanung und -buchungen kümmern, sondern auch die gesamte Bildungskonzeption und die Koordination der Lehrteams übernehmen. Das kommt nicht nur den Sektionen zugute, sondern auch allen Bergsportler*innen im DAV.

Bildung bei der JDAV

Die Ausbildung von Jugendleiter*innen, die in den Sektionen Kinder- und Jugendgruppen leiten, übernimmt das vierzigköpfige Bundeslehrteam Jugend. Jährlich finden über hundert Schulungen mit unterschiedlichen bergsportlichen Schwerpunkten statt. Die JDAV bietet auch auf Bundesebene ein Jugendkursprogramm an. Dieses wird von rund dreißig Teamer*innen geleitet, die neben ihrer fachsportlichen Ausbildung auch eine pädagogische Qualifikation besitzen. Die Jugendbildungsstätte Bad Hindelang der JDAV bietet mit einem Trainer*innen-Team bergsportliche Erlebnisse für Schulklassen und weitere Gruppen an. Das Projekt Check Your Risk, das Entscheidungskompetenz und Verantwortungsbewusstsein bei Wintersport und Mountainbiken vermittelt, wendet sich ebenfalls an Schulklassen und Jugendgruppen. Mehr unter jdav.de

Themen dieses Artikels