Mensch läuft auf Tourenski durch unberührten Schnee, Sonne steht hinter Gipfeln im Hintergrund
Skitourenklassiker: Beim Anstieg zur Kuhscheibe blickt man zurück auf die Pyramide des Schrankogels. Foto: Stefan Herbke
Skitourenziel Gries im Sulztal

Dreitausender am laufenden Band

Wer nach Gries kommt, entdeckt die stille Seite des Ötztals und einige der schönsten Ski-Dreitausender der Stubaier Alpen. Dazu zwei bestens geführte Alpenvereinshütten als Stützpunkte.

Nicht jeder Traum wird Wirklichkeit. „Eigentlich wollte ich Hubschrauberpilot werden“, erinnert sich Serafin Gstrein, „die Ausbildung habe ich schon begonnen.“ Aufgewachsen ist der im Jahr 1971 geborene Venter in den Bergen. Genauer gesagt auf dem Hochjoch-Hospiz in den Ötztaler Alpen, das erst seine Eltern und später seine Schwester bewirtschafteten. Manchmal war er auch oben am Brandenburger Haus bei seinem Bruder. „Mit 20 Jahren verbrachte ich den ersten Sommer im Tal und nicht auf der Hütte“, blickt er zurück. „Da habe ich mir geschworen, dass ich nie wieder einen Fuß in eine Hütte setze.“ Und dann lernte er seine Frau Lydia kennen, die schon in jungen Jahren auf diversen Hütten arbeitete und mit der er eine Existenz aufbauen wollte. „Da war die Bewirtschaftung einer Hütte naheliegend“, meint er und ergänzt schmunzelnd: „Das war ja das Einzige, was ich von klein auf gelernt hatte.“

Après-Ski: Sonnenterrasse der Amberger Hütte. Foto: Stefan Herbke

Und so landeten die beiden nach einer Station im Karwendel im Winter 2008/09 auf der Amberger Hütte – seit Jahrzehnten eine der beliebtesten Skitouren-Stützpunkte der Stubaier Alpen. „Im Sommer sind unsere Gäste eher gemäßigt unterwegs, wir sind ein ideales Familienziel“, erklärt Serafin Gstrein, „aber im Winter sind wir eine richtige hochalpine Skitourenhütte.“ Und die ist von Gries im Sulztal aus auf einem gewalzten Weg problemlos zu erreichen. „Bei uns kann man eine ganze Woche lang verschiedene Gipfel in allen Schwierigkeitsstufen machen. Von der Anfängertour wie zum Beispiel dem Wütenkarsattel bis hin zur anspruchsvollen Mutterberger Seespitze ist das ganze Spektrum dabei“, freut sich der Hüttenwirt über das große Angebot.

Eine klassische Stützpunkthütte

Das Angebot mit leichten Gletschertouren und Dreitausendern wie dem anspruchsvollen Schrankogel, immerhin zweithöchster Gipfel der Stubaier Alpen, zieht viele Skitourenfans an. Auch wegen einiger Skitourenklassiker wie der Kuhscheibe, die bei allen Gästen auf dem Programm steht. Zu Recht. Über einer kurzen, wenn auch kurzzeitig steilen Geländestufe über dem flachen Talboden öffnen sich traumhafte, wunderbar kupierte Hänge, ehe es in ein Kar hineingeht und in eine Mulde, die noch vor ein paar Jahren komplett mit einem kleinen Gletscher ausgefüllt war. Der ist heute weitgehend Geschichte, so dass mittlerweile der Schlusshang auf den Gipfelkamm und zum Skidepot deutlich steiler geworden ist. Zum Finale sorgt ein kurzer Grat für etwas alpines Feeling, ehe man auf dem Gipfel eine wunderbare Rundsicht genießt – und einen ersten Überblick über die vielen Skitourenziele im Bereich der Amberger Hütte bekommt.

First Line: frischer Powder bei der Abfahrt von der Kuhscheibe. Foto: Stefan Herbke

„Skitourengehen ist in den letzten Jahren zur Massenbewegung geworden und boomt ohne Ende“, hat Serafin Gstrein festgestellt, „allerdings sind viele ans Wochenende und an die Ferien gebunden. Die sind dann enttäuscht, wenn sie keinen Platz mehr bekommen. Doch wenn die Hütte voll ist, dann ist sie voll.“ Platz genug gibt es dagegen auf den Bergen rund um die Amberger Hütte. Und mit etwas Gespür findet man sogar einsame Ziele. So kann man etwa über den Wilde-Leck-Ferner und einen steilen Nordhang eine namenlose Scharte erreichen und darf sich dort über einen ungewohnten Ausblick und garantiert unverspurte Hänge freuen. Oder man wählt das Wannenkar und die Hänge Richtung Kuhscheibenferner, die mangels Gipfel ebenfalls von vielen Tourengehenden schlichtweg übersehen werden. Tourenziele für schöne Erlebnisse gibt es jedenfalls genug. „Abends mache ich gerne noch eine Runde durch die Gaststube“, erzählt Serafin, der längst sein Glück in der Rolle als Hüttenwirt gefunden hat. „Wenn du dann siehst, wie die Gäste nach einem schönen Tag zufrieden beisammensitzen, dann sind auch wir zufrieden.“ 

Baustelle auf der Alm

Zu den Skitourenklassikern über der Amberger Hütte zählen auch der Hintere Daunkopf und der Wütenkarsattel, wobei der Anstieg über die sanften Schneefelder des Sulztalferners führt. Der ist mit seinem Gletscherbruch noch heute recht beeindruckend und der mit Abstand größte Gletscher des Sulztals. Wer aber Bilder von früher anschaut, kämpft mit den Tränen. So wie beim Blick auf die Baustelle kurz unterhalb der Amberger Hütte. Dort begannen im Sommer 2023 bei der Hinteren Sulztalalm die Arbeiten für den Bau einer Fassung, um den Fischbach und damit das Wasser vom Sulztalferner und seiner kleinen Nachbar-Eisfelder zu sammeln – und hinüber in den neuen Speichersee Kühtai im Längental zu pumpen. Ein massiver Eingriff in die Natur und eine Großbaustelle im Sommer.

Doch aufgrund eines Baustopps in den Wintermonaten wird man auf Skitour oder beim Winterwandern davon wenig mitbekommen – nur die Container bei der Sulztalalm und ein tief verschneiter Haufen an Ausbruchmaterial erinnern an die Baustelle. Ab dem Jahr 2025 beginnt die Renaturierung und dann soll nur noch das Stollenportal zu sehen sein, so zumindest der Plan. Im Vergleich zu den ursprünglichen Plänen verschmerzbar. Denn ursprünglich wollte man bei der Amberger Hütte einen 150 Meter hohen Damm errichten – das Sulztal wäre dann unter 120 Millionen Kubikmeter Wasser komplett begraben worden.

Nur für Hartgesottene: Das Wasser der Schwefelquellen bei der Amberger Hütte hat frische 19 Grad. Foto: Stefan Herbke

Und so darf man heute entspannt auf der großen Sonnenterrasse der Amberger Hütte sitzen und den Blick über den flachen, kilometerlangen Boden der Sulze genießen. Wunderschön, auch wenn manchmal ein Schwall Schwefel die Nase irritiert. „Gleich da vorne sind drei Schwefelquellen“, weiß Serafin und zeigt auf einen Teich, der nur nach einer langen Kälteperiode mal kurz unter einer dünnen Eisdecke verschwindet. „Das schwefelhaltige Wasser kommt dort das ganze Jahr über mit 19 Grad aus dem Berg raus. Im Sommer baden sogar einige Gäste, aber im Winter schaffen das nur harte Holländer.“ Im Bereich der Quellen, die nie zufrieren, tummeln sich das ganze Jahr über Kaulquappen, Frösche und Salamander. Laut Serafin hat das Wasser genau dieselbe chemische Zusammensetzung wie das Heilwasser im Aqua Dome unten in Längenfeld.

Im Gegensatz zu Sölden – nach Wien und Salzburg übrigens der Ort mit den drittmeisten Übernachtungen in ganz Österreich – geht es in Längenfeld eher ruhig zu. Doch wer wirklich eine stille Oase mitten in den Bergen sucht, fährt von dort auf einer kurvenreichen Straße – die 13 großen Kehren tragen alle Namen wie Sulztal-, Amberger, Grieskogel- oder Schrankogelkehre – weiter nach Gries. Der kleine Ort mit Übungslift und ein paar Loipenkilometern ist umgeben von mächtigen Dreitausendern – und eine Sackgasse. Weiter geht es nur zu Fuß, im Winter am besten mit Ski: entweder zur Amberger Hütte im Sulztal oder auf der Sonnenseite des Ortes zur Winnebachseehütte.

Eishöhle: Gletscherrest bei der Abfahrt über den Larstigferner. Foto: Stefan Herbke

Ins wildromantische Winnebachtal

Der traditionsreiche Stützpunkt am kleinen Winnebachsee – das Wasser des dort entspringenden Winnebachs wird ebenfalls in Zukunft gefasst und zum Speicher Kühtai geleitet – begeistert mit einem modernen Anbau und Panoramafenstern, die einen ungehinderten Blick auf die umgebende Bergwelt ermöglichen. Dort findet man viele schöne Skitouren wie den Seeblaskogel, doch nicht alle enden auf einem Gipfel – manchmal ist auch nur ein nordseitiger Pulverschneehang wie unter dem Bachfallenkopf das Ziel. Und dann gibt es natürlich wie auf der Amberger Hütte echte Klassiker. Bei der Winnebachseehütte ist dies der Breite Grießkogel – Skitouren-Pflichtziel. Der Aufstieg verläuft durchwegs in der Sonne und führt zuletzt über die Wellen des stark zurückgegangenen Grießkogelferners zum Kreuz. Ein lohnendes Ziel, auch wegen der einsamen Abfahrtsvarianten nach Niederthai. Überaus spannend und lang ist die Abfahrt durch das Grasstalltal, skifahrerisch am interessantesten dagegen die Route über die Larstigscharte auf den versteckten Larstigferner, der alten Beschreibungen nach recht spaltig war.

Eine kurze Kletterstelle bildet die Schlüsselstelle beim Zugang zum Larstigferner. Foto: Stefan Herbke

Mittlerweile ist jedoch der Zugang die Schlüsselstelle: Früher konnte man nach einem kurzen, wenn auch steilen Anstieg von der Scharte problemlos auf den Gletscher abfahren, heute erschwert ein mehrere Meter hoher Felsabsatz den Abstieg. Doch der schaut schlimmer aus, als er ist – und im Zweifel seilt man einfach ein paar Meter ab. Das lohnt sich, denn bei der Abfahrt über den Larstigferner werden Träume wahr – zumindest für die, die sich schon immer eine einsame Pulverschneeabfahrt gewünscht haben.

Skitourenklassiker zwischen Winnebachsee- und Amberger Hütte

Anreise/mobil vor Ort: Mit der Bahn bis Ötztal-Bahnhof und mit dem Bus über Längenfeld nach Gries.

Beste Zeit: Februar bis April.

Stützpunkte:

Info: oetztal.at

Karten: Alpenvereinskarte, 1:25.000, Blatt Blatt 31/1, Stubaier Alpen – Hochstubai und Blatt 31/2, Stubaier Alpen – Sellrain.

Literatur: Stephan Baur, Rudolf und Siegrun Weiss: Skitourenführer Ötztal – Silvretta, Bergverlag Rother, 4. Aufl. 2024.

Skitourenziele

1. Kuhscheibe (3189 m)

Der Klassiker über der Amberger Hütte mit wunderbaren Hängen und einem kurzen Gipfelgrat.

Anforderungsprofil: mittel, 1625 Hm Aufstieg und Abfahrt, 5.30–6 Std. Gehzeit, Exposition: Nordost, Ost, Nord.

Ausgangspunkt: Gries, großer Parkplatz (gebührenpflichtig) am Ortsende (1572 m).

Route: Von Gries auf gewalzter Spur über die Sulztalalm zur Amberger Hütte (2 Std.). Von dort durch den flachen Talboden („In der Sulze“) gut einen Kilometer flach taleinwärts, dann nach rechts (Westen) über eine 200 Meter hohe Steilstufe (30-35°) zu den weiten Böden des Rosskars. Durch die schönen Mulden aufwärts bis auf 2700 Meter Höhe. In südlicher Richtung über kurze Aufschwünge zu den Resten des Rosskarferners und steil (30–35°) auf die Kammhöhe. Entlang des felsigen Grates auf den Gipfel. 

2. Wütenkarsattel (3103 m)

Einfache Tour mit sanften Hängen und wunderbarer Gletscherkulisse.

Anforderungsprofil: leicht, 1545 Hm Aufstieg und Abfahrt, 5.30-6 Std. Gehzeit, Exposition: Nord, Nordost.

Ausgangspunkt: Gries, großer Parkplatz (gebührenpflichtig) am Ortsende (1572 m).

Route: Von Gries auf gewalzter Spur über die Sulztalalm zur Amberger Hütte (2 Std.). Von dort durch den flachen Talboden („In der Sulze“) flach taleinwärts und über eine Stufe in den nächsten Boden. Weiter in südwestlicher Richtung auf den Sulztalferner und am westlichen Rand im mäßig steilen Gelände (unter 30°) bis in den Wütenkarsattel (Spalten). Abfahrt wie Aufstieg. 

3. Breiter Grießkogel (3287 m)

Der wohl beliebteste Skiberg im Gebiet der Winnebachseehütte bietet wunderbare Abfahrtsvarianten.

Anforderungsprofil: mittel, 1665 Hm Aufstieg und Abfahrt, 2.30 Std. Gehzeit, Exposition: Südwest, Südost, Süd, Nordost.

Ausgangspunkt: Gries, Parkplatz Winnebachseehütte (1625 m) an der Straße zum Weiler Winnebach.

Route: Vom Parkplatz zum Weiler Winnebach auf dem markierten Sommerweg bis zu einer Weggabelung auf ca. 1850 Metern Höhe. Links zweigt der Sommerweg ab, die Skiroute führt geradeaus weiter und durch das Tal bis auf gut 2220 Meter Höhe. Über eine Steilstufe links zur Winnebachseehütte (2362 m) und flach ins Winnebachkar. Das Letschhorn links umgehen, über kupiertes Gelände teils steil (30–35°) ins Zwieselbachjoch aufsteigen und links haltend flach zum Grießkogelferner. Eine Steilstufe (30–35°) wird am linken, südlichen Rand überwunden, der kurzzeitig sehr steile Gipfelaufschwung (35–40°) ebenfalls links. Abfahrt wie Aufstieg. Nur bei sicheren Verhältnissen möglich ist die Route durch das Grasstalltal nach Niederthai. Ein Traum ist die Variante über den Larstigferner, allerdings ist der Übergang zum Larstigferner anspruchsvoll und beim kurzen Abstieg aus der Scharte ist leichte Kletterei erforderlich.

Tipps für den Bergurlaub

  • Längenfeld gilt als Rodelhochburg des Ötztals. Neben der Strecke zur bewirtschafteten Wurzbergalm (4 km) ist auch die Bahn von der ebenfalls bewirtschafteten Nisslalm nach Gries (5 km) recht beliebt.

  • Wer auch im Winter lieber wandert, erreicht die Amberger Hütte auf einem gewalzten Weg (6 km).

  • Für Langlauf-Fans wird im Talschluss von Gries eine kurze Loipe gespurt.

  • Das Naturparkhaus Längenfeld zeigt auf knapp 300 Quadratmetern eine naturkundliche Ausstellung. Zudem wird das im Ötztal immer präsente Thema Wasser in allen Facetten – von Gletschern über Seen, Flüsse und Moore – dargestellt.

  • Als perfektes Schlechtwetterprogramm bietet sich der Besuch der Bade- und Wellnesslandschaft im Aqua Dome in Längenfeld an.

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