Während die Ursachenforschung simpel erscheint, ist die Realität eine andere: Neben Kraft tragen weitere Faktoren maßgeblich zur Kletterleistung bei – wer an diesen Faktoren arbeitet, wird sich beim (Hallen-)Klettern spürbar verbessern.
Faktoren der Kletterleistung
Neben Kondition (v.a. Maximalkraft, Kraftausdauer und Beweglichkeit) spielen beim Sport- und Hallenklettern Technik, Taktik und nicht zuletzt die Psyche eine entscheidende Rolle. Während man konditionelle Defizite deutlich spürt, sind Schwächen in den anderen Bereichen schwieriger zu analysieren, resultieren jedoch häufig in weiterem „Kraftverlust“: Wenn aus Sturzangst Griffe mit zu viel Kraft gehalten werden, Rastpositionen nicht genutzt werden, Sequenzen unökonomisch oder zögerlich bewältigt werden oder mangels klettertechnischer Fähigkeiten unnötig viel Kraft vergeudet wird. Gerade für Kletterneulinge ist es zielführender, an Technik, Taktik und Psyche zu arbeiten, um die eigene Kletterleistung zu steigern.
Das Hallenklettern bietet dafür beste Voraussetzungen. In der Folge sind einige Übungsvorschläge aufgeführt, die sich gut in eine Einheit in der Kletterhalle integrieren lassen. Prinzipiell gilt: Wer nie eine schwere Route probiert, wird nie eine schwere Route klettern. Versuche regelmäßig Routen, die knapp über deinem Niveau sind oder dir vom Stil wenig liegen.
Technik
Gute Klettertechnik führt zu effizientem, kraftsparendem Klettern. Technik-Einheiten sollten obligatorischer Teil jeder Klettersession sein, idealerweise am Beginn der Einheit. Klettertechnik beim Einklettern: Nimm dir in einer leichten Aufwärmroute einen Aspekt der Klettertechnik vor und setze diesen sehr bewusst um (z.B. präzise Treten, seitliche Hüftverschiebung und Aufstehen; Nachlassen; siehe dazu auch "Grundlagen der Klettertechnik" in Panorama 3/2023), hol dir Feedback zur Umsetzung von außen ein.
Neue Bewegungen
Bouldern ist ideal, um neue Bewegungserfahrungen und Techniken zu sammeln – integriere daher regelmäßig Bouldereinheiten in dein Training. Wähle Boulder, die du nicht auf Anhieb schaffst und die technisch fordernd sind (senkrecht bis leicht überhängend).
Tipps
Analysiere deine Stärken und Schwächen
Arbeite gezielt an Schwächen
Pflege deine Stärken & erhalte so deine Motivation
Fokussiere dich auf Technik, Taktik und Psyche
Integriere Einheiten ins Einklettern
Studiere regelmäßig Routen ein und klettere sie
Technik anwenden
Routen auschecken und Rotpunkt klettern trainiert unterschiedliche Leistungsfaktoren und ist daher besonders empfehlenswert: Wähle anfangs Routen, bei denen parallel eine leichtere Route ein Auskneifen und Vorclippen ermöglicht. Versuche dennoch für jede Stelle eine Lösung zu finden. Beim Ausbouldern der Schlüsselstellen erweiterst du dein Technikrepertoire, schleifst Bewegungen ein und lernst, Stellen am Limit effizient zu klettern. Zudem verbesserst du deine Klettertaktik. Lege beim Auschecken von Routen besonderes Augenmerk darauf, wo Rastpunkte sind, wo Schlüsselstellen und wo eher kräftige Passagen. Ob Neulinge oder Fortgeschrittene, es gibt einen an sich banalen, aber weit verbreiteten Taktikmangel: Fehlende Tempovariationen (Pacing) und mangelhafte Ausnutzung von Rastpunkten. Eine Kletterroute ist kein Dauerlauf, den man in möglichst gleichmäßigem Tempo absolviert. Kletterrouten bestehen aus leichten und schweren Passagen, aus kraftraubenden und eher technischen Abschnitten, aus Schüttelpositionen oder gar No-Hand-Rests, und Passagen, an denen man sich gerade noch an der Wand halten kann. Darauf muss man reagieren: kräftige Passagen schnell und effizient klettern, technische mit Bedacht, Schüttel- und Rastpositionen nutzen und das Klettertempo entsprechend anpassen.
Nach dem Auschecken einer Route sollte man diese in unterschiedliche Etappen unterteilt und für jede Passage einen groben Plan haben. Zumindest für die Schlüsselsequenz sollte man Griff- und Trittabfolge präsent haben und abrufen können. Wichtig: Nach dem Auschecken ausreichend Pause machen und versuchen, die Route Rotpunkt zu klettern. Nur so lernt man die Umsetzung von taktischen Überlegungen und eingeschliffenen Bewegungssequenzen. Richtiges Pacing und Rastpunkte zu nutzen, kann bereits ins Einklettern integriert werden: Übe zügiges bis schnelles Klettern in unterschiedlichen, auch anspruchsvolleren Passagen, raste an großen Griffen und schüttle die Arme aus (auch wenn du es in der Route nicht brauchst), versuche möglichst effiziente Rastpunkte zu nutzen, finde möglichst viele und kreative No-Hand-Rests. Versuche Rastpunkte maximal zu nutzen und gewinne ein Gefühl, wie lang du wo sinnvoll rasten kannst. Allein der Fokus auf das Ausnutzen von Rastpunkten und das richtige Pacing kann gerade für Neulinge große Fortschritte bewirken. Rastpunkte bieten neben der körperlichen Erholung auch die Möglichkeit, die eigene Psyche in Griff zu bekommen. Nutze Rastpunkte, um tief durchzuatmen, achte auf langes Ausatmen. Genauso wie Angst häufig zu schnellem, gepresstem Atmen führt, kann bewusst tiefes Atmen die Psyche beruhigen. Integriere bewusstes Atmen regelmäßig in dein Klettern, achte besonders nach schwierigen oder psychisch stressigen Passagen auf deine Atmung. Übe zudem, den Fokus auf die Lösung der nächsten Klettermeter zu legen, anstatt über einen möglichen Sturz nachzudenken. Auch hierfür eignen sich insbesondere Routen, die man bereits einstudiert hat (Rotpunkt-Versuch).
Der Kopf
Den Kopf – nach Aussage von Wolfgang Güllich der wichtigste „Muskel“ beim Klettern – in den Griff zu bekommen, ist ein komplexes Unterfangen. Sturzangst abzubauen, dauert und bedarf vieler kleiner Schritte und Einheiten. Voraussetzung ist, dass das Halten von Stürzen, das weiche Sichern und das richtige Fallen absolut beherrscht und Sturz-Einheiten in Absprache und Einvernehmen mit Seilpartner*in erfolgen. Und was ist mit Konditions- und Krafttraining? Ohne Kraft geht nichts im Klettern, das ist richtig. Jedoch steigern sich gerade im Einstiegsbereich die relevanten Kraftformen noch sehr gut allein durchs Klettern. Bouldern und Auschecken von Schlüsselstellen zahlt auf die Maximalkraft ein, Durchstiegsversuche trainieren die Kraftausdauer. Wer dennoch konditionelle Aspekte bearbeiten will, sollte regelmäßiges Beweglichkeitstraining (Stretching) und Training der weniger belasteten Muskeln (Ausgleichstraining) in den Vordergrund stellen. Generell gilt es einige Prinzipien zu berücksichtigen: Nähere dich neuen Aspekten im frischen Zustand und in für dich einfachen Routen. Nimm dir Zeit. Achte auf viele Wiederholungen und steigere Anspruch und Schwierigkeiten nur langsam. Hole dir Feedback von Freund*innen oder Profis zu deinen Stärken und Schwächen. Arbeite an deinen Schwächen und pflege deine Stärken. Erhalte deine Motivation und akzeptiere Stagnation und Rückschritte.