Der Stüdlgrat ist auf über 400 Höhenmetern eine gleichmäßig ansteigende Linie. Stufe um Stufe klettert man die Leiter gen Himmel und erreicht so den höchsten Punkt von Österreich. Einen solchen Blockgrat findet man kein zweites Mal. Die Kletterei ist so, wie es der Anblick erwarten lässt: Ab dem Frühstücksplatz geht es in anhaltenden Schwierigkeiten aufwärts, der vierte Grad wird nie erreicht.
Mitte Januar 2025 hat sich am Stüdlgrat ein tragischer Todesfall mit viel medialem Echo ereignet. Diesen Todesfall bedauern wir zutiefst und wünschen den Angehörigen viel Kraft. Der Artikel und das Video stehen mit diesem Ereignis in keinem Zusammenhang. Wir veröffentlichen beides anlässlich des 100. Todestags von Johann Stüdl am 29.1.2025.
Die Kletterei ist mannigfaltig: Es gibt luftige Querungen und die eine oder andere Platte muss überschlichen werden. Die Hanglplatte vereint beides und ist die schönste Stelle, die frei geklettert werden kann. Immer wieder arbeitet man sich spreizend in Verschneidungen aufwärts. Als Einzelstelle darf das Klapfl nicht vergessen werden: Dort fehlt eine Leitersprosse. Doch einmal kräftig am Seil anziehen reicht und schon ist der Weg zum Gipfel frei. Der Fels der gesamten Route ist gut. Die Kratzer der Steigeisen am Fels erleichtern dir, die leichteste, logische Linie um die Türme herum zu finden. Der Grat ist exponiert. Exponiert bedeutet aber nicht nur eine Herausforderung. Exponiert kann auch schön sein – die Ausblicke sind überwältigend sobald die Sonnen aufgegangen ist.
Es bleibt auch beim Abstieg bis zum Glocknerleitl noch sehr luftig. Auf dem Stüdlgrat wirst man, zumindest bei annehmbaren Bedingungen, nicht allein sein. Und auf dem Normalweg im Abstieg ist dann noch einmal deutlich mehr los – es geht zu wie in der Fußgängerzone. Noch mehr wie an anderen Bergen gilt am Stüdlgrat die Empfehlung antizyklisch, z.B. unter der Woche unterwegs zu sein. Weiters ist anzuraten früh in der Saison auf den Großglockner zu klettern. Die Gletscher und besonders das Glocknerleitl sind bei Firn am angenehmsten zu begehen, als auf Eis oder im ausgeaperten Zustand.
Mit guter Planung ist der Stüdlgrat eine klare Empfehlung. Einmal sollte jede*r ambitionierte Bergsteiger*in den Mythos Großglockner selbst erleben!
Stüdlgrat – Stück für Stück
Der Hüttenzustieg
Std., 860 Hm vom Lucknerhaus (1918 m)
Vom Lucknerhaus auf dem schön angelegten Fußweg rechts des Baches taleinwärts. So gelangt man auf einen Wirtschaftsweg, auf diesem bis zur Lucknerhütte weiter ansteigen. Hinter der Hütte betritt man den Nationalpark Hohe Tauern und folgt dem markierten Weg 702 B weiter taleinwärts. In einigen Serpentinen, aber ohne Schwierigkeiten geht es zuletzt auf dem Weg mit der Nummer 713 zur Stüdlhütte (2802 m).
Der Zustieg
1,5 Std., 530 Hm bis zum Einstieg
Von der Stüdlhütte auf einem Steig nach Norden entlang eines Rückens auf das Teischnitzkees. Weiter angeseilt auf den flachen Gletscher und westlich (links) vom Luisengrat bis in den Bereich der Luisenscharte (3175 m). Immer in gleicher Himmelsrichtung gelangt man schließlich an den Einstieg an einer leicht grünlichen Rampe mit zwei Stangen (3350 m). Eine Randkluft ist bislang nicht vorhanden.
Die Kletterei
4-5 Std., ca. 16 SL, über 400 Klettermeter bis III+ A0, zusätzlich ca. 600 Klettermeter seilfrei bis zum Frühstücksplatz und im Abstieg
Der erste Abschnitt über die sogenannte Petersstiege ist brüchig und die Orientierung im Blockgelände nicht einfach. Wie auf der gesamten Tour weisen aber auch hier schon massive Eisenstangen den Weg. Durch den gespaltenen Turm erreicht man den Frühstücksplatz auf 3550 m. Nachdiesem sind die ersten Stellen im 3. Grad zu bewältigen. Deshalb klettern von hier an viele Seilschaften gesichert. Es gibt viele Stangenund solide Haken, an denen Stand gemacht werden kann. Die einzelnen Seillängen sind nicht fix vorgegeben. Empfehlenswert sind tendenziell kürzere Seillängen, um große Seilreibung zu verhindern und die Kommunikation zu erleichtern. Es geht an der sogenannten Kanzel vorbei und es wird zunehmend exponiert. Die Tour führt nicht gerade nachoben, dennoch ist die Routenführung um die Türme herum meist logisch. Mit etwas alpinem Spürsinn sollte die Wegfindung keine größeren Probleme bereiten. Als markante Stellen sind noch die luftige Hanglplatte und das Klapfl zu nennen. Dann ist der Weg auf das Top of Austria frei.
Tipp: Der Fels in der Tour wird durch die vielen Begehungen mit Steigeisen immer besser und gewinnt weiter an Struktur. Einzig an der Petersstiege ist der Fels nicht wirklich fest.
Der Abstieg
3 Std., 1900 Hm auf Normalweg
Vom Gipfel geht es in leichter Kletterei circa fünfzig Meter (I-II, BH) hinunter in die obere Glocknerscharte (Sicherungsstange). Hier mündet von Norden die Pallavicinirinne. Man überquert vorsichtig die sehr exponierte Scharte und geht jenseits davon am Fixseil entlang hinauf zum Kleinglockner. Jetzt in leichter Kletterei (I-II) den Sicherungsstangen folgend immer am sehr exponierten Grat entlang. Zuerst noch flach und dann teils über Platten steil abwärts bis auf die Schulter. Hier dreht man nach Osten (links) ab und steigt das ehemalige Glocknerleitl weiter ab. Bei Firn und Eis können nur noch oben an der nördlichen (linken) Begrenzung ein paar Bohrhaken zum Sichern verwendet werden. Bei zunehmender Ausaperung im Jahresverlauf kommen neu installierte Trittbügel zum Vorschein.
Ein Fixseil hilft, eine glatte Verschneidung die letzten Meter hinab auf den Gletscher zu bewältigen. Bis hierher kann bei viel Betrieb und ungeübtem Seilhandling viel mehr Zeit als angegeben benötigt werden. Dann auf dem immer flacher werdenden Gletscher in südöstlicher Richtung hinab zur Adlersruhe (Erzherzog-Johann-Hütte, 3451 m). Weiter geht es über den drahtseilgesicherten Mürztaler Steig hinunter auf das Ködnitzkees. Auf diesem wieder angeseilt anfangs mäßig steil und dann im flachen Gletscherbecken bis auf die Moräne. Weiter in südwestlicher Richtung (leicht rechts) weisen zunächst Steinmänner die Route, bis man auf einen Steig gelangt. Auf diesem weiter hinab zur Stüdlhütte. Man muss nicht zurück zur Hütte, sondern kann auf dem Mürztaler Steig bleiben und in fast direkter Linie zur Lucknerhütte absteigen.