Eine Person mit Rucksack wandert auf verschneitem Berggelände vor einem steilen, schneebedeckten Berg unter blauem Himmel.
Der abweisende Gipfel der Presanella wird in einem weiten Rechtsbogen bestiegen. Foto: Michael Pröttel
Klassiker Presanella

Über das Dach des Trentino

Die hoch über dem Val di Sole aufragende Cima Presanella schlägt den Monte Adamello um knapp zwanzig Meter und ist somit in Sachen Meereshöhe der Kulminationspunkt der beeindruckenden Adamello-Presanella-Gruppe. Und nicht nur das. Ganz oben glänzt auch noch das höchste Gipfelkreuz des Trentino in der Südalpen-Sonne. Während die anspruchsvollen Nordwandrouten aufgrund des Anstiegs der Permafrostgrenze immer problematischer werden, sind die zwei Normalwege weiterhin gut machbar.

Ein ganz besonderes Hochtourenerlebnis ist es, die beiden Normalwege zu verbinden. Denn die Kombination des Nordwest-Anstiegs über den Vedretta Presanella und die Sella Freshfield mit dem spannenden Süd-Abstieg über die Bocchetta di Monte Nero kann man durchaus als „Königsweg“ über die Cima Presanella bezeichnen. Allerdings muss oder besser darf man für diese Variante zwei Hüttenübernachtungen einplanen, was bei der weiten Anreise ohnehin sinnvoll ist.

Los geht es mit einem gemütlichen Talspaziergang im Val di Sole, dem ein landschaftlich sehr schöner Hüttenzustieg zum Rifugio Denza folgt. Oben angekommen kann man sich – mit etwas Glück – auf ein musikalisches Schmankerl freuen. Nicht selten packt der sympathische Hüttenwirt Mirco nach dem Nachtisch Zieh-, Mundharmonika und Gitarre aus. Der landschaftlich sensationelle Gipfeltag beginnt mit einem hübschen Bergsee, gefolgt von beeindruckenden Urgestein-Platten und dem herrlichen Gletscheranstieg zur Sella Freshfield. Hier hat man den zur Cima Presanella führenden Firnkamm bereits vor sich. Am Gipfel sollte man nicht allzu lange Wurzeln schlagen: Spätestens wenn die für die Südalpen typische Quellwolkenbildung so richtig in Gang kommt, steigt man über Firnfelder und Blockgelände zur Bocchetta di Monte Nero hinab. Dort richtete Egidio Bonapace 2012 einen neuen Klettersteig ein, nachdem der alte, eine Scharte weiter oben gelegene Übergang immer steinschlaggefährdeter wurde. Am letzten Tag geht es auf einer genauso schönen wie einsamen und ausgedehnten Überschreitung über den Passo Scarpaco ins Val die Sole zurück, wo man in der netten Bar von Vermiglio auf die tolle Hochtour anstoßen kann.

Über weite Gletscherflächen geht es hinauf auf den Gipfel der Cima Presanella. Foto: Jörg Bodenbender

Presanella Überschreitung – Stück für Stück

Vermiglio – Rifugio Denza

4 Std., 1100 Hm ↗, 60 Hm ↘


Von der Hauptstraße folgt man der „Via di Dossi“ ins Tal. Unten angekommen geht es dem Torrente Vermiglio entlang nach Westen. Dann überquert man zweimal auf Brücken den Fluss und wandert nach Westen weiter, bis man die Häuser von Stavèl sieht. Man geht rechts zur Teerstraße hoch zum Hüttenparkplatz. Der deutliche und gut beschilderte Hüttenzustieg folgt zuerst einem Bach, wird dann steiler und stößt nach einer Querung und einer Linkskurve auf einen weiteren Hüttenzustieg, dem man nach links folgt. Nun sehr schön ein Stück über einen mit großen Steinen gepflasterten Weg bergan. Das Gelände wird lichter, der Weg wendet sich nach Süden und man sieht die Hütte, die man über einen letzten steileren Anstieg erreicht.

Rifugio Denza – Sella Freshfield

3 Std., 1100 Hm ↗

Von der Hütte folgt man zunächst dem deutlichen Pfad, der nach Westen zum kleinen Laghetto Presanella hinaufführt. Hier gleich rechts (nicht den Spuren geradeaus am Ufer folgen) und kurz steiler empor. Dann an Gabelung links und immer auf dem markierten Steig (Wegweiser Passo Cercen, Weg Nr. 235) nach Südwesten bergan. Das Gelände wird felsiger und führt in einen Kessel, wo man die Gletscherreste des Vedretta Presanella bereits vor sich sieht. Weiter im gletscherfreien Gelände geht es den Markierungen folgend nach Süden bergan. Noch vor dem Passo Cercen wendet man sich nach links, um den recht spaltenarmen Gletscher zu betreten. Über einen ca. 35° geneigten Gletscherhang erreicht man nach Osten ansteigend die Sella Freshfield (3375 m), wo der Gipfel zum ersten Mal zu sehen ist.

Kurz nach Aufbruch von der Hütte erstrahl die Nordseite der Presanalla im Morgenlicht. Foto: Michael Pröttel

Sella Freshfield – Cima Presanella

1½ Std., 230 Hm ↗, 30 Hm ↘

Auf der anderen Seite geht es ein Stück steil in Geröllgelände bergab (Achtung: Steinschlaggefahr), dann quert man den Kessel südlich der Cima Vermiglio nach Osten, um leicht ansteigend den zunächst breiten Westrücken der Cima Presanella zu erreichen. Dieser Rücken wird zu einem schmaleren, sehr schönen Firngrat, bevor es zuletzt wieder steiler im Blockgelände (UIAA II) zum Gipfel geht.

Erstaunlich klein und windschief: das Gipfelkreuz der Presanella, der höchste Punkt des Trentino. Foto: Michael Pröttel

Cima Presanella – Bocchetta di Monte Nero

1 ¼ Std., 20 Hm ↗, 450 Hm ↘

Vom Gipfel steigt man ein Firnfeld nach Südosten bergab und folgt dem Rücken zur rechts unterhalb gelegenen Biwakhütte. Nun geht es ein Stück lang seilversichert erst bergab, dann quert der Weg leicht ausgesetzt ein Felsband und führt wieder steiler hinauf auf einen Geländeabsatz. Hier wendet man sich nach links und folgt im Geröll den Spuren in den Bergkessel südlich des gegenüberliegenden Monte Nero. Immer gut auf die Markierungen achtend, geht es ein Stück steiler bergab. Dann wendet sich der Steig nach Osten und führt zum Klettersteig über die Bocchetta di Monte Nero. Dieser wurde 2012 neu angelegt und überquert den Felskamm etwas südlich der Bocchetta.

Bocchetta di Monte Nero – Rifugio Segantini

2 ¼ Std., 750 Hm ↘

Auf der anderen Seite geht es noch ein Stück mit Stahlseil-Hilfe weiter bergab. Dann quert man ein Firnfeld und folgt nun deutlich flacher den Markierungen im Geröll und Fels nach Osten. Zuletzt führt der Weg über eine markante Moräne zu einem wunderschönen Wildbach hinab, wo man sich etwas rechts hält und über Gletscherschliff-Platten das herrlich gelegene Rifugio Segantini erreicht.

Rifugio Segantini. Foto: Michael Pröttel

Rifugio Segantini – Passo Scarpaco – Ossana

6 Std., 600 Hm ↗, 1950 Hm ↘

Vom Rifugio ein Stück zurück (Beschilderung Bocchetta dell’Uomo) und über eine Brücke. Es geht steiler bergauf. Dann wendet sich der Weg nach rechts und folgt einem Tälchen nach Nordosten. Eine Querung führt mit tollen Brenta-Blicken zur Bocchetta dell’Uomo. Hier links und zum linken See der drei Laghi di Cornisello hinab. Auf breitem Weg zum Nordufer, wo links der Weg zum Passo Scarpaco abzweigt. Zunächst als Wiesenpfad, dann im Geröll führt der Steig nach Norden zum Passo Scarpacò (2617 m). Auf der anderen Seite geht es weglos bergab. Dann wird der Steig deutlicher und führt zum Lago Venezia. Weiter westlich des Westufers nach Norden, wobei Bäche übersprungen werden. Dann folgt man dem Tal nach Nordosten. Über eine Waldstufe zur Baita di Bon und weiter zu einer Wiese mit erneuter Bachquerung. Man folgt weiter dem Tal und erreicht eine Brücke, hinter der es über die Wiesen des Val Piana zum gleichnamigen Rifugio geht. Dahinter folgt man ein Stück der Straße und kann rechts in den beschilderten Fußweg nach Ossana abzweigen. Von dort mit Bus oder Autostopp nach Vermiglio.