Warming Stripes der Schweiz
In den Alpen steigt die Temperatur doppelt so stark wie im globalen Durchschnitt - hier erkennbar an den "warming stripes" der Schweiz ShowyourStripes/University of Reading/CC Ed Hawkins
Klimalehrpfad

Die Klimakrise im Alpenraum

Die Klimakrise trifft die Alpen besonders stark. Zentral ist der starke Temperaturanstieg, der weitreichende Konsequenzen hat. Aber: Wir haben noch die Wahl!

Die erste Spur im glitzernden Pulverschnee. Das vertraute Knirschen unter den Steigeisen auf gewaltigen Gletschern. Die sanfte Brise über blumenübersäten Bergwiesen. Das aufgeregte Pfeifen der Murmeltiere. Wer in den Alpen unterwegs ist, erlebt die Natur auf eine ganz besondere Weise. Doch auf unseren Bergtouren wird uns immer stärker bewusst: die Alpen verändern sich. Einer der Hauptgründe dafür: die Klimakrise.

Schneller heißer

Kaum eine Region in Europa ist so stark von der Klimakrise betroffen wie die Alpen: im Jahr 2024 lag die durchschnittliche mittlere Jahrestemperatur in Österreich 3,1°C über dem vorindustriellen Niveau - ein besorgniserregender Wert. Diese Erwärmung wirkt als zentraler Motor für viele weitere Veränderungen, die weit über reine Hitze hinausgehen.

Besonders alarmierend ist die Geschwindigkeit: In den Alpen steigen die Temperaturen mehr als doppelt so schnell wie im globalen Mittel. Das Klimamittel 1991-2020 ist um rund 2 °C wärmer im Vergleich zum späten 19. Jahrhundert. Vor allem seit den 1980er Jahren war die Erwärmung mit +0,5 °C pro Jahrzehnt außergewöhnlich stark. Und die Entwicklung geht weiter. Forschende rechnen bis 2050 mit einem zusätzlichen Temperaturanstieg von rund 1,4 - 2 °C. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnten es sogar 3 bis 5 °C mehr sein – mit weitreichenden Konsequenzen für Natur, Wasserhaushalt, Tourismus und alpine Siedlungen.

Warum erwärmen sich die Alpen durchschnittlich so viel schneller als der Rest der Welt?

  1. Land statt Wasser: In den globalen Schnitt fließen die Lufttemperaturen über Land- und Wasserfläche ein. Landmasse erwärmt sich unter Sonneneinstrahlung aber grundsätzlich schneller als Wasser, weil Wasser rein physikalisch mehr Energie benötigt, um sich aufzuheizen.

  2. Mehr Landmasse: Aus der Vogelperspektive sieht ein Quadratkilometer Gebirge und ein Quadratkilometer Flachland gleich aus. Die tatsächliche Erdoberfläche ist im Gebirge aber durch die Auffaltungen sehr viel größer und damit auch die Fläche die von der Sonne erwärmt werden kann.

  3. Rückkopplungseffekte: Dunkle Flächen erwärmen sich schneller als helle, das kennen wir zum Beispiel von Straßen im Sommer. Durch die Klimakrise schmelzen die Gletscher in den Alpen immer weiter ab, Dauer und Fläche der Schneebedeckung nimmt konstant ab. Ihre weiße Oberfläche, die Sonnenstrahlung reflektiert, wird also immer kleiner und die dunklen Felsen, die darunter zum Vorschein kommen, erwärmen sich in der Sonne stärker.

  4. Dünnere Luft: Die Alpen ragen zum Teil über 4500 m in die Höhe. Dort oben ist die Luft dünner und erwärmt sich deshalb auch schneller.

Regen statt Schnee

Eine der Folgen der Klimakrise, die wir auf Bergtouren erleben, betrifft den Schnee. Immer häufiger fällt Niederschlag als Regen statt als Schnee – selbst in Höhenlagen, die früher zuverlässig verschneit waren. Touren beginnen zunehmend auf schneefreiem Boden. Was sich früher nur in besonders warmen Wintern zeigte, wird heute zunehmend zum neuen Normal.

Seit den 1950er-Jahren hat sich die Schneegrenze in den Alpen bereits um mehr als 100 Höhenmeter nach oben verschoben. Auch die Dauer einer geschlossenen Schneedecke nimmt deutlich ab – seit den 1960er Jahren sind es pro Jahrzehnt 5-10 Tage weniger mit Schneedecke im Schnitt im Alpenraum. Diese Entwicklung geht weiter: bis 2050 nimmt die Anzahl der Schneedeckentage um mindestens 5 Tage pro Jahrzehnt weiter ab.

Parallel dazu ist die durchschnittliche Neuschneemenge im Alpenraum um rund 34 % zurückgegangen. Bis Ende des Jahrhunderts ist ein weiterer Rückgang der Schneemenge um 25 - 50% prognostiziert. Das bedeutet: weniger Schnee insgesamt, und wenn er fällt, bleibt er oft nicht lange liegen.

Wusstest du schon?

Im ewigen Kreis...

...befindet sich Wasser in den Alpen. Durch Sonneneinstrahlung verdunstet es, steigt in die Atmosphäre auf, wird durch Luftströmungen weitertransportiert und kondensiert schließlich, wenn die Luft in höheren Lagen abkühlt. In der Folge fällt es als Regen oder Schnee wieder zur Erde zurück.

Die Klimakrise...

...bringt diesen fein tarierten Wasserkreislauf aus dem Gleichgewicht. Steigende Temperaturen führen dazu, dass Wasser schneller verdunstet. Gleichzeitig kann wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen – ein physikalischer Zusammenhang, der zur Verstärkung von Trockenperioden und Starkniederschlägen beiträgt. Besonders in Hitzeperioden verdunstet mehr Wasser aus Böden und Gewässern, bis die Luft gesättigt ist. Die in der Atmosphäre gespeicherte zusätzliche Feuchtigkeit kondensiert schließlich – oft in Form intensiver Regenfälle. In den Alpen kommt es dadurch vermehrt zu Starkregenereignissen.

In einem bestimmten Alpental...

...kann es besonders stark regnen, im anderen aber nicht. Das liegt an der Topographie der Alpen. Durch das Aufeinandertreffen von feuchter Luft mit den Gebirgshängen können sich Regenwolken stauen – der Niederschlag fällt dadurch lokal besonders intensiv aus. Anders ist es in sog. inneralpinen Trockentälern - durch die Topographie abgeschirmt von der niederschlagsreichen Westströmung und somit im "Regenschatten", fällt z.B. im Ötztal oder im Vinschgau deutlich weniger Niederschlag.

Tief im Boden...

...gibt es auch wasserbedingte Veränderungen! Forschende gehen davon aus, dass sie in vielen Regionen Europas, auch in den Alpen, abnehmen wird. Bei höheren Temperaturen verliert der Boden kontinuierlich mehr Wasser. In ausgetrockneten Böden versickert Regen schlechter – insbesondere bei Starkniederschlägen. Das Wasser fließt dann oberflächlich ab, was die Gefahr von Überschwemmungen erhöht.

Und die Gletscher...

...spielen auch mit im Wasserkreislauf. Schnee und Gletscher fungieren traditionell als natürliche Süßwasserspeicher: Ihr Schmelzwasser sichert die Wasserversorgung in den tiefer gelegenen Regionen während der trockenen Sommermonate. Doch durch das frühere und stärkere Abschmelzen ist dieses Gleichgewicht gestört. Auf lange Sicht, wenn ein Großteil der Gletscher verschwunden ist, wird sich das erheblich auf die Wasserverfügbarkeit in trockeneren Alpentälern und -regionen auswirken.

Tal für Tal ganz anders

Die Alpen sind ein komplexes System. Aufgrund ihrer vielfältigen Topografie, Mikroklimata und Höhenlagen ist die Niederschlagsverteilung von Tal zu Tal verschieden. Das macht lokale Vorhersagen schwierig. Deshalb lassen sich auch nur schwierig Vorhersagen über die Veränderung der Gesamtniederschläge treffen. Denn diese kann je nach Region unterschiedlich sein. Grundsätzlich zeigen Studien aber schon, dass sich die Niederschläge verändern. Für den Zeitraum von Dezember bis Februar rechnen Forschende bis zur Mitte des Jahrhunderts mit einem Anstieg der Niederschläge um 0 bis 17 Prozent – ein wachsender Teil davon als Regen. Im Sommer zeigen die Modelle weniger einheitliche Ergebnisse. Die projizierten Veränderungen reichen von –18 % bis +15 %, wobei viele Szenarien von einem Rückgang der sommerlichen Niederschläge ausgehen.

Extremer wird's

Gleichzeitig ist ein klarer Trend zu mehr Extremwetter erkennbar: Starkregen, Gewitter, aber auch längere Trockenperioden nehmen zu. Warme Luft - und die haben wir durch die Klimakrise - kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Daher können stärkere Gewitter entstehen, die auch nicht mehr so schnell ziehen.

Mittlerweile bringen extreme Regenereignisse innerhalb einer Stunde 15 Prozent mehr Regen also noch in den 1980er Jahren. Aktuelle Studien gehen bei einer weiteren Erwärmung um 2°C von einer Verdoppelung der Anzahl an Starkregenereignissen aus: ein Ereignis was heute alle 50 Jahre einmal auftritt, kommt dann alle 25 Jahre vor.

Auch Hitzewellen und Trockenperioden nehmen in Intensität und Häufigkeit zu: was in der Zeit 1961-1990 noch ein zehnjähriges Ereignis (1 mal alle zehn Jahre) war, wird bei einer Erwärmung von 2 °C in Zukunft im Schnitt fünf mal in zehn Jahren eintreten.

Die konkreten Zusammenhänge sind aber noch nicht komplett erforscht. Vor allem auf regionaler Ebene versuchen Risikomanager*innen in den Alpen Extreme zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen.

Auch die alpine Infrastruktur steht vor wachsenden Herausforderungen. Auch sie müssen sich auf häufiger auftretende Extremwetterereignisse und veränderte Niederschlagsmuster einstellen. Dazu kommt das Problem mit dem Wasser: Hochalpine Berghütten sind häufig auf Schnee und Eis als Wasserspeicher angewiesen. Nicht nur nimmt die Schneemenge allgemein ab, auch die Schneeschmelze findet immer früher statt. Altschneefelder, die bisher bis weit in den Hochsommer Wasser lieferten, apern heute schon oft im Frühsommer aus. Bereits heute kämpfen einige Hütten mit Wassermangel. In Zukunft wird es deshalb nötig sein, neue Konzepte zu entwickeln, die eine verlässliche Wasserversorgung in hochalpinen Regionen sicherstellen.

Fassen wir also zusammen:

  • Die Alpen sind besonders stark von der Klimakrise betroffen und die Auswirkungen der Klimakrise sind hier schon jetzt besonders stark spürbar.

  • Zentral ist der deutliche Temperaturanstieg in den Alpen: Die Alpen erwärmen sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt. Das Klimamittel 1991-2020 ist um zwei Grad wärmer als zum Ende des 19. Jahrhunderts. Das Jahr 2024 war um 3,1 °C wärmer im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum. Das hat weitreichende Auswirkungen.

  • Der Temperaturanstieg wirkt sich allgemein auf die Niederschlagsmuster in den Alpen aus. In der kalten Jahreszeit nehmen die Niederschläge tendenziell zu, fallen jedoch häufiger als Regen statt als Schnee. Im Sommer hingegen sinkt die Niederschlagsmenge, während Extremereignisse wie Starkregen und Trockenheit erwiesenermaßen zunehmen.

Wir haben Klimakrise. Und jetzt?

Was bedeutet das für die Alpen? Und was heißt das für uns als Bergsportler*innen?

Die Klimakrise ist längst Realität – vor allem in den Alpen. Die steigenden Temperaturen verändern nicht nur die Landschaft, sondern auch, wie wir uns in ihr bewegen.

Für den Wintersport verändert sich die Planbarkeit grundlegend. In tieferen Lagen fehlt der Schnee immer häufiger – werden beim Skitourengehen in Zukunft Tragestrecken auch im Hochwinter die Normalität? Die Tourensaison verschiebt sich, die Bedingungen werden unberechenbarer und fordern mehr Flexibilität, Erfahrung und Umsicht.

Auch im Sommer spüren wir die Folgen: Gletscher ziehen sich drastisch zurück, legen instabile Schuttflächen frei, Felswände verlieren durch den tauenden Permafrost ihre Stabilität. Steinschlag, Felsstürze und auch große Bergstütze nehmen zu - aktuelle Beispiele dafür sind u.a. die Bergstürze am Fluchthorn oder in Blatten. Diese Prozesse bergen reale Sicherheitsrisiken für Bergsportler. Touren, die früher als „Standard“ galten, sind heute mitunter nicht mehr begehbar oder deutlich gefährlicher. Und oft verändern sich die Tourenbedingungen oder die Begehbarkeit rasant innerhalb einer kurzen Zeit.

Hinzu kommt: Extreme Wetterereignisse treten häufiger und intensiver auf. Heftige Regenfälle, lange Trockenperioden und plötzliche Wetterumschwünge beeinflussen nicht nur die Tourenplanung, sondern auch die alpine Infrastruktur. Wege werden unterspült, Hütten haben Wasserknappheit, Almen und ganze Siedlungen geraten unter Druck.

Wie stark die verschiedenen Ökosysteme in den Alpen betroffen sind – und welche Konsequenzen das langfristig hat – kannst du auf einer virtuellen Bergtour mit uns erleben. Denn ja, die Klimakrise trifft die Alpen und uns Bergsportler*innen hart.

Aber: Noch haben wir die Wahl.

Im DAV haben wir sie getroffen. Wir setzen auf aktiven Klimaschutz – und haben uns ein klares Ziel gesteckt: Bis 2030 wollen wir klimaneutral sein. Und zwar by fair means – das heißt, wir vermeiden und reduzieren unsere Emissionen konsequent, bevor wir ab 2030 auch kompensieren.

In unserem Klimalehrpfad zeigen wir nicht nur, wie sich der Klimawandel auf die Alpen auswirkt, sondern auch, welche Lösungen möglich sind – für die Natur, für den Bergsport, für uns alle. Du siehst nicht nur den Ist-Zustand, sondern auch unsere Vision: eine Zukunft mit engagiertem Klimaschutz, in der wir das schützen, was wir lieben – die Alpen.

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