Highlights des Alpinismus.Illustration: AdobeStock/zzooby
Highlights des Alpinismus (Teil 3)
Der sechste Grad und die großen Nordwände (Erster bis Zweiter Weltkrieg)
Eine mehrteilige Reise in die Alpinismus-Historie lädt ein, herausragende Berg-Ereignisse kennenzulernen – ebenso wie die Menschen, die hinter diesen Geschichten stehen.
Highlights des Alpinismus.Illustration: AdobeStock/zzooby
30. Oktober 2025
Lesedauer: 13 Minuten
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Alpinismus endgültig zum Gesellschaftssport, neben dem bürgerlich geprägten Alpenverein führten die "Naturfreunde" auch Arbeiter in die Berge. Erste Fälle von Overtourismus entstanden in den wilden Zwanzigern im Münchner Auszugsbereich, alte Haudegen beklagten zuviel nackte Haut – und zum Schutz der oft büschelweise gepflückten Edelweiße wurde die Bergwacht gegründet.
Viele der stärksten Alpinisten aller Nationen waren in den Schützengräben des Weltkrieges gestorben, oft als Freiwillige für "Ehre und Vaterland". Völkische Verblendung wurde durch den Versailler Vertrag nicht gemildert, der DAV trieb nach rechts, schloss Juden aus und sah die "Jungmannschaften" als Schmiede künftiger Fronthelden. Ein gewisser nationaler Ehrgeiz mag beim Wettstreit um neue alpinistische Highlights mitgespielt haben – vor allem bei den nationalen Expeditionen zur "Eroberung" der Achttausender, die in den Zwanzigerjahren starteten. In den Bergen aber waren Deutsche und Italiener, Österreicher und Franzosen als faire sportliche Konkurrenten unterwegs, mit zunehmend besserer Ausrüstung. Der faktische Sieg der "Münchner Schule" mit Seil und Haken ermöglichte den Schritt zum sechsten Grad; durch Eishaken und neu entwickelte Steigeisen mit Frontzacken wurden steilste Eiswände möglich – bis hin zur Eiger-Nordwand 1938, kurz vor der nächsten Weltkriegs-Zäsur. Heinrich Harrer, einer der Erstbegeher und SA-Mann, schrieb: "Wir haben die Wand durchklettert über den Gipfel hinaus bis zu unserem Führer."
In der Nordwestwand (400 m, AD, 55°) des Großen Wiesbachhorns (3564 m) setzen Willo Welzenbach und Fritz Rigele erstmals Eishaken an einem damals bestehenden, "nahezu senkrechten" Eisaufschwung. Die Sicherungsmöglichkeit und die Ende der 1920er-Jahre gleichzeitig von Rudolf Peters und Laurent Grivel erfundenen Steigeisen-Frontalzacken geben dem Begehen steiler Eiswände einen enormen Schub; der „Eispapst“ Welzenbach ist einer der erfolgreichsten Protagonisten (Dent d‘ Hérens, Eiskögele, Großhorn und viele weitere).
4. August 1925 – Il sesto grado
Die Nordwestwand der Civetta (1000 m, VI-, A0; Emil Solleder, Gustav Lettenbauer) gilt als erste Kletterei des „sechsten Grades“; drei Tage vorher hatte Solleder mit Fritz Wiessner die nicht viel leichtere Nordwand der Furchetta erstbegangen. Der „sesto grado“ ist ein prägendes alpines Schlagwort der 1920er-Jahre.
31. Juli /1. August 1931 – Die großen Nordwände
Franz und Toni Schmid fahren mit den Fahrrädern von München nach Zermatt und schaffen die Erstbegehung der Matterhorn-Nordwand (1000 m, TD+). Für das erste der „drei letzten großen Probleme der Alpen“ erhalten sie 1932 die Olympische Goldmedaille; Toni posthum, er ist in der Wiesbachhorn-Nordwestwand abgestürzt.
Die großen kombinierten Nordwände sind prägend für die 1930er-Jahre: Nach dem Matterhorn folgen Grandes Jorasses (Rudolf Peters, Martin Meier 1935 über Crozpfeiler; Walkerpfeiler (1200 m, ED-, VI-, A1) 1938 durch Riccardo Cassin, Luigi Esposito und Ugo Tizzoni) und Eiger (1800 m, ED, V, A0, 60°: Anderl Heckmair, Ludwig Vörg, Fritz Kasparek, Heinrich Harrer, 1938). In die gleiche Epoche fallen die felsigen Nordwände von Großer Zinne (550 m, V+, A0, Emilio Comici, Angelo und Giovani Dimai, 1933), Westlicher Zinne (450 m, VI-, A1, Riccardo Cassin, Vittorio Ratti, 1935), Petit Dru (800 m, TD, V, A0, Pierre Allain, Raymond Leiniger, 1935) und Piz Badile(800 m, TD, V+, A0, Riccardo Cassin, Vittorio Ratti, Luigi Esposito, 1937).
1932 – Die Grenzen des Möglichen?
Wurde der siebte Grad in den Alpen schon in den 1930er-Jahren geklettert? Die damals anspruchsvollsten Routen wurden kaum wiederholt, wegen der Schwierigkeit oder wegen Bruch – und wenn Wiederholer mehr Haken setzten, ist die Original-Leistung nicht mehr nachzuvollziehen. Einige Kandidaten, die auf jeden Fall „hart VI+“ waren, sind Gian Battista Vinatzers Nordwand (800 m, 1932) der Furchetta und Nordwandriss (180 m, 1935) der Stevia (beide Dolomiten) und Hias Rebitschs Goldkappel-Südwand (200 m, 1936, sehr brüchig). In der Dachl-Rosskuppen-Verschneidung (400 m) im Gesäuse soll Raimund Schinko 1936 Stellen des siebten Grades geklettert haben.
1934 – Der Berg des Schicksals
Bei der deutsch-österreichischen Expedition zum Nanga Parbat (8125 m) sterben drei Bergsteiger (darunter Willo Welzenbach) und sechs Träger im Schneesturm, außerdem ein Teilnehmer am Lungenödem – die Nazis stilisieren den Gipfel zum „Schicksalsberg der Deutschen“. 1937 kommen weitere 16 Menschen im Lager IV unter einer Lawine ums Leben.
Der Nanga Parbat – durch seine Rakhiotflanke gelang 1953 die Erstbesteigung.Foto: AdobeStock/Phawinee Kittsupakan