Teil 1 von 5: 2025 haben sich Max Kleesattel, Alma Bestvater, Sandra Hopfensitz, Leonie Lochner und Christoph Hanke aus dem internationalen Wettkampfgeschehen zurückgezogen. Fünf Persönlichkeiten, die den Sport lange geprägt haben:
Alma Bestvater im Gespräch
Nach über zwölf Jahren Weltcuperfahrung beendet Alma Bestvater ihre internationale Karriere. Bevor wir einen Blick auf einen besonderen sportlichen Werdegang legen, fasst uns Alma ihre persönlichen Highlights zusammen und hat den ein oder anderen Tipp für die junge Generation parat:
Wer oder was hat dich auf deinem Weg am meisten geprägt?
Das Wettkampfklettern an sich hat mein Leben total geprägt. Weil Klettern olympisch geworden ist, hatte ich die Chance, nach München zu ziehen, dort zu studieren, am Stützpunkt zu trainieren und um die Welt zu reisen – Möglichkeiten, die ich sonst nie gehabt hätte. Dafür bin ich unglaublich dankbar.
Was nimmst du aus dem Sport für deine persönliche Zukunft mit?
Aus dem Sport nehme ich sicher eine extrem hohe Frustrationstoleranz, Durchhaltevermögen und den Umgang mit Rückschlägen mit und irgendwie auch den Mut zum Scheitern. Vor allem aber habe ich gelernt, dass Klettern nicht alles ist, dass es nicht das Wichtigste ist. Das Leben hat noch so viel mehr zu bieten.
Was war dein Karriere-Highlight?
Definitiv meine Weltcup-Finals 2018 und der 4. Platz bei der Europameisterschaft 2019. Aber auch meine Comebacks nach Verletzungen waren Highlights für mich – etwa der 5. Platz bei der EM 2020 und zuletzt einfach wieder im Weltcup zu starten, nachdem ich so lange mit meiner Schulter zu kämpfen hatte. Das waren für mich sehr besondere Momente.
Gab es einen Schlüsselmoment, in dem du gedacht hast „Jetzt habe ich es geschafft“?
Ich hatte eigentlich nie so ein richtiges „Jetzt hab ich’s geschafft“-Gefühl. Wobei, ein bisschen vielleicht doch. Als Jugendliche habe ich mir mal eine geheime Liste geschrieben mit Dingen, die ich unbedingt erleben oder schaffen wollte. Alles darauf klang damals so riesig, dass es mir fast Angst gemacht hat. Aber als ich dann den Punkt „ein Weltcup-Finale klettern“ abhaken konnte, kam schon ein Gefühl von „Jetzt hab ich’s geschafft“ auf. Auch wenn ich während des Finals eher dachte: „Wie ist das denn jetzt passiert?“ 😄
Was wird dir am meisten fehlen?
Am meisten wird mir das Unterwegssein mit dem Team fehlen, so viel zu erleben und von der Welt zu sehen. Auch die Atmosphäre bei Wettkämpfen, diese besonderen Momente kurz vor dem Start, das Adrenalin, die Aufregung, das Gefühl, völlig im Moment zu sein das ist schwer zu ersetzen. Aber ehrlich gesagt gibt es auch viele Dinge, die ich nicht vermissen werde. 😄
Was ist dein Tipp an die jungen Athlet*innen?
Habt Freude an dem, was ihr tut, bleibt geduldig und neugierig. Der Sport darf euch erfüllen, aber nicht verschlingen. Klettern kann ein wunderschöner Teil eures Lebens sein, aber vergesst nicht, dass es noch so viel mehr gibt.
Wie geht es jetzt für dich weiter?
Jetzt kommt erstmal eine kleine Orientierungsphase. Nach über zehn Jahren, in denen der Sport so viel Raum eingenommen hat, ist das sicher auch wichtig. Aber Klettern wird immer ein großer Teil meines Lebens bleiben, ob am Fels, bei kleineren Wettkämpfen oder als Trainerin. Ganz loslassen werde ich es sicher nie.
Alma Bestvater - Highlights aus über zwölf Jahren Weltcuperfahrung
2012: Der Anfang einer Reise
Es ist das Jahr 2012, als Alma das erste Mal national in Erscheinung tritt. Als junge Athletin, voller Energie, Hoffnung und Neugier steht sie in Auerbach am Start der Deutschen Jugendmeisterschaft im Bouldern. Noch in der Jugend A, aber schon Seite an Seite mit etablierten Namen wie Afra Hönig oder Ana Tiripa. Und sie überzeugt direkt! Platz drei bei ihrer ersten Deutschen Jugendmeisterschaft im Bouldern, nicht nur der erste Podestplatz sondern auch der Startschuss für eine außergewöhnliche Karriere.
Noch im selben Jahr geht es weiter auf die internationale Bühne, die European Youth Cups in Grindelwald und Argentière warten. Was für ein Start für die Newcomerin!
2013: Die Newcomerin
Ein Jahr später der nächste Schritt: Alma startet erstmals bei den Erwachsenen. Deutscher Bouldercup in der Seniorenklasse. Der Einstieg gelingt, Platz sieben! Ein echter Raketenstart in eine neue Welt, in welcher sie sich schon mit jungen Jahren ihren Platz erkämpft.
Schon 2013 ändert sich langsam der Klettersport: Klettern soll olympisch werden, mit den drei Disziplinen Boulder, Lead und Speed. Für Alma ein klares Zeichen: Wenn, dann alles. Also startet sie im selben Jahr auch im Lead und Speed bei den Deutschen Jugendcups. Der Grundstein fürs Combined-Format ist gelegt. Der Grundstein für ein mögliches erstes Olympia auch.
Im Jahr nach den ersten nationalen Events geht es nun auch international zur Sache!
Beim Kletterweltcup 2013 in München steht Alma zum ersten Mal ganz offiziell im Rampenlicht der Weltelite. Platz 23, viertbeste Deutsche.
2014 - 2018: Der Aufstieg
In den kommenden Jahren findet Alma ihren Rhythmus, national wie international. Sie gewinnt einen Deutschen Bouldercup nach dem anderen, erst bei den Juniorinnen, dann auch bei den Damen. Im Lead mischt sie ebenfalls vorne mit: 2017 Platz 3 bei der DM Lead. Die Krönung: Gold bei der Deutschen Meisterschaft im Combined 2019.
Und auch auf Weltcup-Ebene steigert sie sich stetig. 2016 gelingt ihr in Paris der Sprung in die Top 10 der Weltmeisterschaft. 2017 folgt ein starker 9. Platz in Japan.
Dann kommt 2018, ihr Jahr! Zwei Mal Platz 12 bei Weltcups in München und China. Dann der Durchbruch: Platz 5 beim zweiten Weltcup in China. Nur sechs Tage später: Platz 6 in Vail. Alma etabliert sich in der Weltspitze. Beim Heimweltcup in München rundet sie das Jahr mit Platz 12 ab. Sie ist angekommen und erfüllt sich mit der Finalteilnahme einen Traum.
2019 - 2020: Verletzung & Comeback
Doch Erfolge kommen selten ohne Krisen. 2019 läuft es nicht wie gehofft. Wiederholt verpasst sie das Halbfinale. 2020 soll ein Neustart werden, doch Corona und eine schwere Ellenbogenverletzung werden zur Herausforderung. Die Bizepssehne ist gerissen. Vorerst also kein Start, keine Ergebnisse. Stattdessen mentale Herausforderungen, Frust und ein Comeback wie es selten klappt.
Mit viel Aufbautraining, Physio und Disziplin klappt es zum Jahresende! Im November kehrt Alma zurück. Der erste internationale Wettkampf 2020 wird die Europameisterschaft. Und das mit Erfolg! Platz 5 im Bouldern, Platz 26 im Lead und 17 im Speed. Der Ellenbogen hält!
2021 - 2022: Der Kampf geht weiter
2021 gelingt in Salt Lake City endlich wieder der Einzug ins Weltcup-Halbfinale. Am Fels zeigt sie konstant starke Leistungen. Doch der nächste Rückschlag lässt nicht lange auf sich warten: Anfang 2022 eine schwere Schulterverletzung. Ausgekugelt. Labrumriss. Eine OP ist notwendig. Zum ersten Mal seit Beginn ihrer Karriere muss Alma einen Weltcup auslassen.
Aber aufgeben? Keine Option. Die EM in München wird ihr neues Ziel, nur sieben Monate nach der OP. Und tatsächlich: Das Comeback zu einer EM hat schonmal geklappt und tut es nun wieder. In München steht sie erneut auf der Bühne, und das daheim! Der Einzug ins Halbfinale gelingt! Platz 16!
Doch der Erfolg hat einen hohen Preis. Nur wenige Tage nach der EM luxiert die Schulter erneut. Wieder OP. Wieder Reha. Wieder ganz von vorn.
2023 - 2024: Rückkehr mit Haltung
Und wieder kämpft sie sich zurück. Sechs Monate später: Alma ist wieder an der Wand. Noch nicht im Wettkampf, aber fokussiert und mit klarer Richtung.
2024 steht sie endlich wieder auf der Weltcupbühne. Die Schulter hält! Halbfinale? Manchmal ja, manchmal nicht. Aber sie ist wieder da. Elf Weltcups und eine Weltmeisterschaft. Keine Selbstverständlichkeit nach der dritten schweren Verletzung.
Und auch national glänzt sie erneut: Vize-Deutsche Meisterin im Bouldern 2024. Ein Titel, der fast zur Randnotiz wird, nach dem dritten erfolgreichen Wiedereinstieg in das Wettkampfgeschehen.
2025: Das Karriereende
Mit der Weltmeisterschaft in Seoul hat Alma nun ihre internationale Karriere beendet.
Aber nicht, weil ihr Körper sie zwingt. Nicht, weil sie nicht mehr mithalten kann. Sondern, weil sie selbst entscheidet, dass es Zeit ist – wie sie selbst sagt.
Alma, wir sind stolz auf dich und wünschen dir alles erdenklich Gute auf deinem weiteren Weg!