DAV wird klimaneutral – Präsident Josef Klenner im Gespräch
Auf der Hauptversammlung Ende Oktober in Friedrichshafen am Bodensee hat der Deutsche Alpenverein seine Strategie und sein Konzept zum Klimaschutz beschlossen. Mit dem Ziel der Klimaneutralität des Verbandes für alle Gliederungen bis 2030. Im Gespräch mit alpenverein.de erläutert Josef Klenner, Präsident des DAV, die Hintergründe dieser wegweisenden Entscheidung und welche Schritte folgen werden.
Mut zum Handeln
Herr Klenner, die Delegierten der DAV-Hauptversammlung in Friedrichshafen haben mit einer sehr deutlichen Mehrheit von weit über 80 Prozent der dort vorgelegten Klimaschutzstrategie und dem präsentierten Klimaschutzkonzept zugestimmt. Welches Resümee ziehen Sie im Rückblick auf die Tagung?
Josef Klenner: Es war ein ziemlich langer und in Teilen auch schwieriger Weg bis zu diesem Beschluss. Die überwältigende Zustimmung zeigt aber die hohe Bereitschaft des DAV, dem Klimawandel aktiv entgegen zu treten. Mit diesem Beschluss setzen wir ein klares Signal in der Gesellschaft und insbesondere an andere Organisationen für mehr Engagement und aktives Handeln.
Und welche Bedeutung hat diese grundlegende Entscheidung für den DAV aus Ihrer Sicht?
Mit unserer Strategie und unserem Handlungskonzept nehmen wir eine Führungsrolle ein, die Mut zum Handeln anstelle von allgemeinen Appellen und Forderungen vermittelt. Es wurde genug geredet, Handlungen müssen folgen.
Appell an Glasgow und Bundesregierung
Der Entscheidung gingen lange, intensive, auch kontroverse Diskussionen quer durch die Generationen voraus, die auch emotional geführt wurden. Wie haben Sie den Entscheidungsprozess in Friedrichshafen wahrgenommen?
Es war in der Tat eine lange Bergtour bis zum Beschluss in Friedrichhafen. In der Hauptversammlung haben wir uns fast sechs Stunden für eine engagierte und inhaltlich sehr qualifizierte Aussprache und zur Formulierung der letzten Details genehmigt. Am Ende steht ein absolut überzeugender Aufbruch. Das damit verbundene Signal haben wir sofort nach außen getragen und zum Mitmachen aufgefordert.
Einige Delegierte haben darauf hingewiesen, dass der DAV selbst nur einen kleinen Teil zum Klimaschutz beitragen könne und dass wir als Verband viel stärker auf die Politik einwirken sollten, um größere Räder in Bewegung zu setzen. Wie wollen Sie diesen Handlungsauftrag aufgreifen?
Natürlich ist der Anteil, mit dem der DAV im Vergleich an den weltweiten Emissionen beteiligt ist gering, aber wenn alle nur reden und nicht selbst aktiv werden, wird nichts passieren und sich der Klimawandel ungebremst fortsetzen. Daher haben wir unmittelbar nach der Hauptversammlung einen Appell an die deutsche Delegationsleitung in Glasgow übermittelt, um zu zeigen, dass wir handeln. Das muss stärker in die Verhandlungen der Klimakonferenz eingebracht werden. Gleichlautende Schreiben gingen an die Bundesregierung und die Verhandlungsführer in den Koalitionsverhandlungen in Berlin.
Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren
Vor zwei Jahren, auf der Jubiläums-Hauptversammlung 2019 in München, hat sich der DAV zum Klimaschutz verpflichtet. Der damals beschlossene Klima-Euro wurde inzwischen eingeführt. Was ist in den beiden Jahren in Sachen Klimaschutz passiert, und warum hat das Klimaschutzkonzept so lange gedauert?
2019 haben wir politische Aussagen und Forderungen beschlossen, denen konkrete Konzepte und Handlungsanweisungen natürlich noch fehlten. In den zwei Jahren haben wir unter großer Beteiligung der Sektionen genau diese Arbeit zur Schließung dieser Lücken geleistet. Dabei waren schwierige Sachthemen zu lösen, um die richtigen Ansätze und Zielrichtungen zu definieren, die auf den DAV und seine Sektionen passen und auch leistbar sind. im Übrigen gibt es in einigen Sektionen schon Initiativen und Aktivitäten, die mit in das Gesamtkonzept integriert werden können.
Der DAV will bis 2030 klimaneutral werden, mit all seinen Sektionen, regionalen Gliederungen und dem Bundesverband. Wie sieht der Fahrplan aus, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen?
Unser Anspruch lautet: Vermeiden vor Reduzieren vor Kompensieren. Es fehlten uns aber Basisdaten zu den tatsächlichen Emissionen, aus denen wir konkrete Einsparpotenziale ableiten konnten. Daher haben wir seit dem Frühjahr mit der Bilanzierung von Pilotsektionen begonnen, die ab 2022 auf alle Sektionen ausgedehnt werden soll. Am Jahresende werden wir einen Fahrplan für die folgenden Aktivitäten zu einzelnen Einsparpotenzialen festlegen können.
Mobilität bietet größten Raum für Reduktionen
In den nächsten acht Jahren sollen alle Emissionen auf den Prüfstand gestellt und bis 2030 auf ein mögliches Minimum reduziert werden. Nach der Erst-Bilanzierung wird die Umsetzung von Maßnahmen in den Fokus rücken. Welche Handlungsfelder sind für den DAV denn besonders relevant?
Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass die Mobilität den größten Raum für Reduktionen bietet, aber unsere Infrastruktur wie Hütten und Kletteranlagen gehören ebenfalls zu den Bereichen, die im Fokus stehen. Natürlich werden wir auch Veranstaltungen, Verpflegung und Kommunikation mit einbeziehen.
Welche Kompetenzen und Werte werden uns Bergsportler*innen dabei helfen, den Klimaschutz jetzt zügig und umfassend voranzutreiben?
Die Bergsteiger*innen sind gewohnt, ihr Handeln zu planen und abzuwägen, wollen sie sich nicht in unkalkulierbare Gefahren im Gebirge begeben. Genau diese rationalen Fähigkeiten sind jetzt gefragt, um tatsächliche Fortschritte und Ergebnisse zu erreichen. Wir müssen mehr nachhaltig denken und danach handeln.
In Sachen Klimaschutz sind wir alle gefragt. Wie können auch unsere Mitglieder ihren Teil dazu beizutragen?
Der DAV muss alle seine Kanäle nutzen, um jedes einzelne Mitglied zu erreichen und für den Klimaschutz zu gewinnen. Das werden wir über Panorama, Bildungsangebote, Trainer*innen und Ehrenamtliche auf Bundes-, Landes- und Sektionsebene versuchen. Es gilt, unsere übergeordneten Zielsetzungen auf die Ebene der einzelnen Personen zu projizieren, damit jeder einzelne Mensch seinen Fußabdruck überprüft und reduziert. Im Grunde könnten wir alle sofort beginnen, wir müssen nur für Änderungen unseres Verhaltens bereit sein.
Die Jugend wird in ihrem Leben von den Folgen der Klimaerwärmung viel stärker betroffen sein als es die ältere Generation war. Welche Zusagen können wir den jungen Menschen im Hinblick auf den Klimaschutz machen?
Mit Blick auf manch lautstarke Diskussionen halte ich nicht viel davon, die Generationen gegeneinander auszuspielen. Die jetzige ältere Generation ist nicht allein für die Klimakatastrophe verantwortlich, und die junge Generation sollte sich nicht auf Proteste beschränken. Wir müssen gemeinsam handeln und miteinander den Kampf gegen den Klimawandel aufnehmen. Der DAV hat mit seinen Beschlüssen von Friedrichshafen eindrucksvoll bewiesen, dass er diesen Weg gehen will und wird.