Der Inn wird immer wärmer
Klimawandel in den Alpen
16.03.2023, 10:54 Uhr
Mitteleuropäische Gebirgsflüsse erwärmen sich durch den Klimawandel ganz erheblich. Schneller als bisher prognostiziert, steigen die Flusstemperaturen in den Sommer- und vor allem auch Wintermonaten. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie aus Innsbruck, die Langzeit-Messdaten der Tiroler Flüsse Inn und Großache analysierte.
Auf Messdaten aus etwa 25 Jahren für die Großache und rund 45 Jahren für den Inn griff der Ökologe Georg Niedrist von der Forschungsgruppe Fließgewässerökologie und Naturschutz am Institut für Ökologie der Universität Innsbruck zurück. Das Ziel: besser verstehen, was derzeit mit alpinen Flüssen in Mitteleuropa passiert. Dabei bestätigten sich einzelne Annahmen für die Sommermonate; zusätzlich wurde deutlich, dass sich auch in den Wintermonaten die Flüsse immer stärken erwärmen:
Bislang ging man davon aus, dass die Erwärmung von Gebirgsflüssen aufgrund des Kaltwassereintrags durch Schnee oder Eis gedämpft wird. Da aber die Lufttemperaturen in Gebirgsregionen derzeit schneller als anderswo steigen, sind Erwärmungseffekte auch für kalte Flussökosysteme zu erwarten.
Vorangegangene Arbeiten haben solche deutlichen Erwärmungen in Hochgebirgsflüssen bereits gezeigt. Die jetzige Studie schaut speziell auf die tiefer liegenden Flüsse. Die Studie – öffentlich einsehbar im Fachjournal "Regional Environmental Change" – zeigt, dass die Wassertemperatur in Inn und Großache jeweils um 0,24 und 0,44 Grad Celsius pro Jahrzehnt stiegen. Auch die jährlichen Höchst- und Tiefsttemperaturen stiegen im Beobachtungszeitraum signifikant und die warmen Perioden wurden deutlich länger.
Temperaturanstieg im letzten Jahrzehnt besonders stark
„Neu ist eine generelle und erhebliche Erwärmung beider Gewässer in den Wintermonaten. So steigen die winterlichen Temperaturen zumindest ähnlich schnell wie jene im Sommer“, erläutert Georg Niedrist. Besonders das letzte Jahrzehnt zeigt einen starken Anstieg der niedrigsten und höchsten Wassertemperaturen pro Jahr, welcher mit dem Anstieg der lokalen Lufttemperaturen korreliert, heißt es in der Studie weiter. Die fünf höchsten Tagesmittelwerte des Inns wurden beispielsweise alle im Zeitraum von 2013 bis 2020 gemessen. Und: seit mehreren Jahren hat die Wassertemperatur im Inn nicht mehr den Gefrierpunkt erreicht – auch nicht für nur wenige Stunden.
Drastische Auswirkungen auf Leben im Fluss
„Vor allem aufgrund der neu aufgezeigten Erwärmung der Gewässer im Winter müssen wir von drastischen Auswirkungen auf die winterliche Entwicklung von Kaltwasserorganismen wie beispielsweise der Bachforelle ausgehen“, sagt der Ökologe.
Da die Wassertemperatur einer der entscheidenden Faktoren ist, die Leben und Schlüssel-Prozesse in Gewässern regulieren, hat diese Entwicklung weitreichende Folgen für den Lebensraum Fluss. „Die Wassertemperatur reguliert die biologische Aktivität und das Wachstum wassergebundener Organismen, sie hat Einfluss auf physikalische und chemische Eigenschaften des Wassers, was zum Beispiel die Löslichkeit von Sauerstoff oder Mineralien betrifft, und steigende Wassertemperaturen ermöglichen das Einwandern gebietsfremder Arten oder begünstigen auch Parasiten“, beschreibt Niedrist diese Situation. Auswirkungen hat die Wassertemperatur auch auf wichtige Ökosystemprozesse wie die Zersetzung von organischem Material und letztendlich auch die Selbstreinigungskraft der Gewässer, heißt es in der Studie weiter.
In einem weiteren Schritt sollen nun die weitreichenden Folgen der zu erwartenden weiteren Erwärmung der Fließgewässer auf biologische Gemeinschaften untersucht werden.