Aus für Skigebietszusammenschluss Pitztal - Ötztal
Ende Oktober 2022 ist nun final Schluss mit den Plänen für den Zusammenschluss der beiden Skigebiete Pitztaler Glescher und Sölden: Das Amt der Tiroler Landesregierung erteilt aufgrund mangelhafter Unterlagen einen negativen Bescheid und beendet damit das Verfahren zur Umweltverträglichkeit. Mittelbergferner, Hangender Ferner, Karlesferner und Linker Fernerkogel sollten mit drei Seilbahnen durch die Verbindung von Pitztaler Gletscher und Sölden erschlossen werden. Nun kommt das Aus: die knappe Mehrheit der Bevölkerung im Pitztal stimmt gegen das 135 Millionen Euro teure Vorhaben. Die Pitztaler Gletscherbahnen wollen den Zusammenschluss nicht mehr weiterverfolgen. Die Alpenvereine hatten sich vehement gegen das Vorhaben eingesetzt und sehen sich in ihrer Kritik bestätigt.
Abfuhr für Zusammenschluss und Gletschererschließung
Der seit 2016 geplante Zusammenschluss der beiden Skigebiete Pitztaler Gletscher und Sölden - auch als "Gletscherehe" betitelt - ist nun endgültig vom Tisch. Am vergangenen Sonntag stimmte die knappe Mehrheit der Bevölkerung von St. Leonhard im Pitztal in einem Volksentscheid gegen die Erschließung.
Die Seilbahnbetreiber beschlossen im Anschluss, das Projekt nicht mehr weiter zu verfolgen und somit das seit Januar 2020 ruhende Verfahren zur Umweltverträglichkeisprüfung nicht weider aufzunehmen.
Im Schluterschluss mit vielzähligen Naturschutz-NGOs haben sich der Deutsche und Österreichische Alpenverein gegen die Realisierung dieses Vorhaben eingesetzt. Das Vorhaben hätte massive negativen Auswirkungen auf einen sensiblen alpinen Natur-, Lebens- und Landschaftsraum und die Verbauung einer der größten zusammenhängenden Gletscherflächen bedeutet. In Kombination mit den rasanten Gletscherrückgängen der letzten zehn Jahre und dem prognostizierten Verlust der Gletscherflächen bis Mitte des Jahrhunderts, wäre dieses Vorhaben nicht im Sinne einer nachhaltigen, naturverträglichen oder klimaverträglichen Entwicklung gewesen.
Was bisher geschah
- Oktober 2022: UVP-Behörder der Landesregierung Tirol erteilt negativen Bescheid aufgrund mangelhafter Unterlagen. Das UVP-Verfahren wird nicht neu aufgenommen.
- Juli 2022: Bürgerentscheid in St. Leonhard im Pitztal - Mehrheit der Bürger stimmt gegen den Zusammenschluss
- Rückzug der Antragsteller: aufgrund der negativen Stimmung in der Öffentlichkeit und den veralteten Plänen vertagen die Seilbahnbetreiber den schon anberaumten Verhandlungstermin und pausieren das Vorhaben auf unbestimmte Zeit.
- Klimawandel gibt klares Signal: Allein innerhalb des Planungszeitraums (also 2015 - 2019) haben sich die Gletscherflächen so stark zurückgezogen, dass die ursprünglich angedachten Pistenflächen und Skiwege nicht mehr realisierbar waren. Denn zwischenzeitlich sind Felsrücken aus dem Eis ausgetaut oder Steilstufen entstanden, die eine Pistenanlage erschweren und v.a. in den eingereichten Plänen nicht berücksichtig waren.
- Unmut in der Öffentlichkeit: zwischenzeitlich zeigt unsere Öffentlichkeitsarbeit und Kampagne "Unsere Alpen" Wirkung. Bilder über die unverhältnismäßigen Eingriffe, wie die Einebnung eines gesamten Gipfelgrates oder Sprengung eines Vorgipfels des Fernerkogels, gehen um die Welt und v.a. auch in Tirol schwindet die Unterstützung in der Bevölkerung für dieses Vorhaben.
- Mai 2019: Start des UVP-Verfahrens (Umweltverträglichkeitsprüfung) - Die Unterlagen liegen öffentlich aus, DAV und ÖAV geben gemeinsam eine unmissverständliche Stellungnahme gegen das Vorhaben ab (siehe Download)
- Bis 2019:Behörde prüft die Unterlagen auf Vollständigkeit und veranlasst Nachbesserungen
- Mai 2015: Seilbahnbetreiber beantragen beim Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung Umweltschutz) die Genehmigung des Vorhabens "Schigebietserweiterung und -zusammenschluss Pitztal - Ötztal".
Was hätte realisiert werden sollen? Die Entstehung eines neuen Skigebiets
Mit drei Gondelbahnen (fünf Sektionen) und einem gemeinsamen Seilbahnzentrum unterhalb der Braunschweiger Hütte sollte das Gebiet rund um den Linken Fernerkogl erschlossen werden: 64 Hektar Pistenfläche auf Karles-, Hangenden- und Mittelbergferner, inkl. Speicherteich und Beschneiungsanlage.
Zahlen und Fakten
Anzahl Seilbahnen |
3 Gondelbahnen mit insgesamt 5 Sektionen:
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Höchster Punkt der Erschließung | Scharte östl. Linker Fernerkogl (3.200 m) |
Speicherteich und Beschneiung | Ja |
Geplante Pistenfläche | 64 ha |
davon auf Gletschern | 95% |
Besonderheiten |
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Gesamtkosten | rund 120 Mio. € |
Das waren unsere wichtigsten Einwände
- Totalverlust einer naturnahen hochalpinen Landschaft: Eine naturnahe und charakteristische alpine Landschaft wird durch den Umfang und die Dimension der Baumaßnahmen komplett technogen überformt. 80 m hohe Seilbahnstützen, exponierte Seilbahnstationen, ein Speicherbecken und künstlich eingeebnete Gletschervorfelder: die Landschaft wird hier unwiederbringlich zerstört.
- Gravierende Abwertung und Verlust eines alpinen Lebensraums: für die sensible (hoch-)alpine Flora und Fauna sind Geländekammern wie am Linken Fernerkogel wichtige Lebensräume. Das Vorhaben wird zu einer gravierenden Abwertung und in vielen Bereichen ebenfalls zu einem kompletten Verlust der Lebensräume führen.
- Totalverlust eines (Ski-)Tourengebiets und Hüttenstützpunkts: Aktuell ist das Tourengebiet rund um die Braunschweiger Hütte attraktiv für Mehrtagesgäste und als Tagesziel. Duch die komplette Erschließung des Linken Fernerkogels und der Gletscherflächen wird das Hochtourengebiet gänzlich an Wert verlieren; die Braunschweiger Hütte als Stützpunkt ebenfalls.
- Spekulative Pläne und Wirtschaftlichkeit durch Klimawandel und Gletscherrückgang: Bis Mitte des Jahrhunderts wird von den Gletschern im Projektgebiet mehr als die Hälfte der Fläche verschwunden sein, in den darauffolgenden Jahrzehnten werden Mittelbergferner & Co. gänzlich abgeschmolzen sein. Doch genau auf diesem rasant dahinschmelzenden Gletschereis basiert die Planung und das Ablaufdatum des Gletscherskifahrens ist nicht mehr weit entfernt. Ob und mit welchem Aufwand die Pisten trotz abgeschmolzener Gletscher erhalten werden können ist ebenso unklar, wie ob das Skigebiet ohne Gletscher auch noch wirtschaftlich betrieben werden kann.
- Fehlendes Konzept für Mobilitätsfrage: Ganz sicher kommen sowohl Pitzal und Ötzal jetzt schon durch die extreme Verkehrsbelastung an Wochenenden und Ferienzeiten an oder über die Belastungsgrenzen. Der Zusammenschluss wird gerade in diesen Ballungszeiten noch mehr Verkehr initiieren. Ein Konzept, wie mit zusätzlicher Verkehrsbelastung umgegangen werden kann, gibt es nicht. Auch sind durch die engen Täler weitere Ausbaumaßnahmen so gut wie nicht möglich.
- Negative Auswirkungen auf den Sommertourismus: Der absolute Verlierer von allen oben genannten Punkten ist der Sommertourismus. Durch den Verlust der Landschaftskammer am Linken Fernekogl geht ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Tourismusentwicklung im Pitztal verloren. Noch führt der berühmteste Fernwanderweg E5 vom Pitztal via Braunschweiger Hütte auf der sogenannten "Königsetappe" ins Ötztal. Rund 50-70% der E5-Asprianten übernachten dabei nicht auf der Braunschweiger Hütte, sonden in St. Leonhard oder Wenns in Pensionen und Hotels. Der zu erwartende Attraktivitätsverlust des Tourengebiets oben wird negative Auswirkungen im Tal unten haben.
Die gesamte Stellungnahme des DAV und ÖAV gibt es weiter unten auf der Seite als Download.
Neuerschließung als Zusammenschluss getarnt
Grundsätzlich ist in Tirol die Erweiterung von Skigebieten aus ihren festgelegten Grenzen heraus durch das Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm untersagt. Ausnahmen sind sogenannte "Zusammenschlüsse", wie in diesem Vorhaben. Betrachtet man das Ausmaß dieser Erschließung, ist der Begriff "Zusammenschluss" wohl eher irreführend. Es entsteht vielmehr ein neues Skigebiet: das resultierende Gebiet ist in etwa halb so groß wie das gesamte Skigebiet auf der Zugspitze!
Eigentlich ist im "Raumordnungsprogramm über den Schutz der Gletscher" beschlossen, dass noch unerschlossene Gletscher und ihre Einzugsgebiete von der Errichtung von Anlagen freizuhalten sind. Eine Ausnahme davon wurde explizit für den Bereich der anvisierten Erschließung gesetzlich verankert: Teile des Mittelbergferners, der Karlesferner und der Hangende Ferner sind vom Gletscherschutzprogramm ausgenommen.
Was steht hier genau auf dem Spiel? Kurz erklärt vor Ort von Tobi und Franz...
Wie wollen wir die Alpen erleben? Beitrag im ARD Mittagsmagazin vom Dezember 2018
ARD - Mittagsmagazin, 04. Dezember 2018
Weitere Informationen zum Projekt
- Verbindung zweier Gletscherskigebiete in Tirol; ORF 1 - Magazin 1, 08.08.2019:
- Klimawandel: Die Alpen in Bedrängnis; Bayerischer Rundfunk - Kontrovers, 17.07.2019 (ab Minute 04:16)