Eine Möglichkeit: Projekte, um Emissionen aus der Luft dauerhaft zu binden. Und genau dafür haben wir jetzt ein Pilotprojekt gestartet: Wir renaturieren ein rund viereinhalb Fußballfelder großes Niedermoor und schaffen damit eine natürliche und sehr effektive Kohlenstoffsenke, die auch noch die Biodiversität fördert. Gemeinsam mit CO2-Regio, die die Flächen von Landwirt*innen gepachtet haben, und weiteren Projektpartnern wie der Aktion Zukunft+ starten wir die Wiedervernässung des Moors – auch wenn ich mir bis zu meinem ersten Besuch im DAV-Moor darunter nur wenig vorstellen konnte.
Pegel setzen und Moor-Zustand bewerten
Ein plötzliches „Wir sind da“ reißt mich, rund zwanzig Radl-Minuten vom Aßlinger Bahnhof entfernt, aus meinen Gedanken. Ich schaue mich um: Gras, ein Graben, dann Wald und am Horizont die Berge. Eine gewöhnliche Mähwiese am Alpenrand, mehr nicht. Ehrlicherweise hatte ich mir „das Moor“ spektakulärer und vor allem deutlich sumpfiger vorgestellt. Doch genau das ist der Punkt: „Wir sind hier, um die Wiederherstellung des trockengelegten Moores vorzubereiten“, so Jonas Galdirs von CO2-Regio. Wir, das sind Jonas und Dominik, die beiden Moor-Experten von CO2-Regio, ein paar Vertreter der Versicherungskammer Bayern (VKB) und wir sieben Helfer*innen vom DAV.
„Heute setzen wir die Pegel“, erklärt Jonas weiter. „Dafür bohren wir bis zum mineralischen Geländegrund, geschätzt so vier bis fünf Meter tief“. Gesagt, getan: Gemeinsam und mit Rohren, Bohrer und Verlängerungen bepackt, machen wir uns auf zur ersten markierten Pegelstelle. Vier Umdrehungen mit dem Handbohrer, dann den Bohrer zu zweit wieder aus dem Boden ziehen und schon können wir das Bodenprofil der ersten vierzig Zentimeter begutachten. Den Zustand bewertet Jonas anhand des Zersetzungsgrads. Die Skala geht von Z5, schlechte Moorqualität, mineralisierter Torf, bis Z1, guter, ursprünglicher Zustand mit erkennbarer Pflanzenstruktur. Der Zustand der oberen Bodenschichten ist schlecht, doch je tiefer wir bohren, desto besser ist der Torf erhalten. Ab einer Tiefe von 1,2 Metern, also nach drei Bohrungen, können wir Teile von Birke, Erle und Schilf klar erkennen und nehmen zudem einen eindeutigen Schwefelgeruch wahr. Das deutet auf Z2 hin. Auf optimale Moorqualität (Z1) treffen wir vierzig Zentimeter tiefer. Wenn wir den Torf nun in der Hand zerquetschen, tropft klares Wasser aus dem Stück heraus und die Probe lässt sich nur schwierig auseinanderziehen.
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Annäherung an einen ungewöhnlichen Ort
Einst fürchtete der Mensch das Moor, später legte er es trocken und nutzte es für seine Zwecke. Längst ist aber klar: intakte Moore können wichtige Aufgaben übernehmen.
Was sagt uns die Moor-Qualität?
Mittlerweile haben wir den Dreh beim Bohren raus, merken aber auch den zunehmenden Widerstand beim Rausziehen des mittlerweile fast vier Meter langen Bohrers. Unerwarteterweise ist der Zersetzungsgrad nun sprunghaft schlechter (Z4). „Das weist auf eine ca. 1° C wärmere Periode vor rund 3600 Jahren hin, sodass das Moor zeitweise trockengefallen ist und der Zersetzungsprozess begonnen hat“, erklärt Jonas, der damit bereits gerechnet hatte. Denn die Bodenprofile liefern relevante Infos zur Zeitgeschichte: in tausend Jahren wächst dort lediglich ein Meter Torf. Jonas hat bei einer seiner letzten Bohrungen ca. 2000 Jahre alte Samen gefunden, die dank der Konservierung im Moor auch heute noch Pflanzen hervorbringen können.
Bei den nächsten Bohrungen verbessert sich der Zustand wieder, bis wir in 6,3 Metern Tiefe auf Lehm, sandigen Boden und Schilf treffen. Jonas schließt daraus, dass vor rund 6300 Jahren an dieser Stelle Schilf im See gewachsen ist. Dieser See ist durch Ablagerungen immer mehr verlandet und darauf hat sich das Moor aufgebaut. Damit ist die erste von zwölf Bohrungen nach rund einer Stunde abgeschlossen und der Messpegel kann gesetzt werden.
Das war ziemlich aufwendig, aber notwendig. Denn in den Moorböden, auch in trockengelegten, tummeln sich Mikroorganismen, die Methan freisetzen, sobald sie in feuchtem Boden ihre Arbeit aufnehmen können. Besonders bei Überflutung solcher Böden, setzen diese Organismen relativ viel Methan frei, deshalb gehen auch wir bei der Wiedervernässung langsam und umsichtig vor: CO2-Regio übernimmt in Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan Triesdorf das Monitoring für die langsame und gezielte Wiedervernässung, um schon beim Prozess der Wiedervernässung die Emissionen möglichst zu senken. Die Pegel für die Messungen werden nun in unsere gebohrten Löcher eingesetzt und messen von nun an ein Jahr lang halbstündlich die Grundwasserströme. Mithilfe der Modellierung kann dann die gezielte und effektive Wiedervernässung beginnen. In der Zwischenzeit wird das Moor das neue Zuhause für einige Galloway-Rinder.
Natur zu renaturieren ist also in einigen Fällen schon möglich. Aber auch sehr langwierig, aufwendig und kompliziert. Darum liegt uns der Erhalt von sensiblen Moorflächen am Herzen. Mit Blick auf die Erschließungs-Pläne der Tiroler Wasserkraft AG (TIWAG) im Kaunertal und Platzertal, ein sensibles und naturnahes Hochmoor, sind Moore in den Alpen konkret vom Menschen bedroht. Diese Lebensräume gilt es zu schützen und die einzigartige Flora und Fauna zu erhalten.
Moor-Facts:
Hochmoore und Niedermoore unterscheiden sich nicht durch die tatsächliche Höhe. Entscheidend ist, woher das Wasser kommt. Niedermoore sind grundwassergenährte Moore und somit abhängig vom Grund-, Quell- oder Sickerwasser. Hochmoore hingegen werden vom Regenwasser gespeist. Darum gibt es auch sogenannte Übergangsmoore, die sich in der passenden Umgebung in der Entwicklung vom Nieder- zum Hochmoor befinden.
Die Zersetzungsgrade Z1 und Z2 sind die Zustände, die man für Torfstich / Blumenerde nutzt.
Um auf dem Papier klimaneutral zu werden, helfen uns solche regionalen Projekte leider nicht. Alle Emissionsbindungsprojekte in Deutschland zahlen auf das Konto des Bundes ein, der bis 2045 klimaneutral sein möchte. Internationale Projekte sind aber zum Teil intransparent oder fördern soziale Ungleichheit vor Ort. Deshalb wollen wir vor Ort Verantwortung für unsere Emissionen und den Naturraum übernehmen. Dieses Projekt ist ein erster Versuch, wie das in Zukunft aussehen könnte.