Langkofelgruppe aus der Luft fotografiert, im Tal sieht man die Ausläufer von Wolkenstein.
Die Langkofelgruppe über Wolkenstein. Foto: Jörg Bodenbender
Klassiker: Langkofel Normalweg

Der einsame Riese über der Seiser Alm

Blickt man von Nordosten auf den gut einen Kilometer langen Felsklotz oberhalb des Grödnertals, dann wird schnell klar, wieso ihm die Ladiner den Namen „Saslonch“ verpasst haben, was so viel bedeutet wie „lange Bergkuppe“ oder „Langkofel“. Mit seinen 3181 Metern Höhe ist er nicht nur eines der Wahrzeichen der Dolomiten, sondern auch ein Traumziel für Alpinist*innen auf der Suche nach klassischen Routen. Wegen des anspruchsvollen und komplexen Wegverlaufs gilt er als einer der schwierigsten Dreitausender der Dolomiten.

Der Berg wirkt von fast allen Seiten aus betrachtet ernst und abweisend, insbesondere seine mächtige Nordostwand. Kaum zu glauben, dass diese riesige Flanke schon vor über 100 Jahren durchstiegen wurde. Etwas zahmer ist hingegen die Südwestseite, durch die sich der Normalweg zieht. Wenngleich der Berg hier wegen der geringeren Prominenz und der stärker strukturierten Topologie nahbarer wirkt, steckt der Geist der Dolomiten auch dort in jedem Winkel: luftige Kletterpassagen, beeindruckende Felsformationen und atemberaubende Ausblicke auf eine einzigartige wilde Landschaft. Auch hier zeigt der Berg passagenweise sein ernstes Gesicht, in Form von nicht immer festem Fels und der ständigen Unsicherheit, ob man sich noch auf dem richtigen Weg befindet. Trotz moderaten klettertechnischen Schwierigkeiten (maximal UIAA III+) erfordert die Besteigung insgesamt ein hohes Maß an alpiner Erfahrung, zumal auch einige ausgesetzte und nur schwer abzusichernde Passagen zu bewältigen sind. Über den hier beschriebenen Weg erfolgte bereits die erste Besteigung des Bergs im Jahr 1869 durch den Österreicher Paul Grohmann zusammen mit den Grödner Bergführern Franz Innerkofler und Peter Salcher.

Der Normalweg auf den Langkofel durch die Südwestwand. Foto: Ivo Rabanser/Panico Alpinverlag

Teilt man sich den Zustiegsweg vom Sellajoch hinauf zur Langkofelscharte noch mit Horden von Wander*innen und Tagesausflüglern, kehrt nach der Abzweigung auf das Fassaner Band etwa 100 Höhenmeter unterhalb der Langkofelscharte schnell Ruhe ein. Dort wird es dann auch zum ersten Mal ernst und man bekommt ein Gefühl davon, was der restliche Weg noch so alles bereithält. Bis kurz unter dem Gipfel fühlt man sich meist wie in einem Felsenlabyrinth, die mächtigen Wände ermöglichen nur hin- und wieder schmale Ausblicke auf die umliegende Landschaft. Erst ganz oben, als wäre es ein geplantes dramaturgisches Element, führt dann die anspruchsvollste und exponierteste Seillänge aus dem gewaltigen Felsengewirr heraus und man gelangt auf das Gipfelplateau. Mit einem Schlag öffnet sich das Gelände und die Dolomiten zeigen sich in ihrer ganzen Pracht: Im Westen schweift der Blick über die lieblich-grüne Hügellandschaft der Seiser Alm mit dem wuchtigen Schlern dahinter, ein Stück weiter rechts stechen die Zacken der Geislerspitzen in den Himmel. Im Osten blickt man auf die gewaltigen Türme und Wände der Sellagruppe und gleich daneben gleitet der Blick über den Gebirgsstock der Civetta und den Gipfel der Marmolada. Der Anblick ist überwältigend, man könnte hier ewig sitzen, schauen und staunen.

Nicht mehr weit ist es zum Gipfel des Langkofel. Foto: Sven Schmid

Langkofel Normalweg über das Fassaner Band – Stück für Stück

Zustieg vom Sellajoch bis Einstieg Fassaner Band

1 ½ Std., 500 Hm

Vom Sellajoch auf einem Wanderweg in westliche Richtung, erst flach durch eine Wiesenlandschaft, dann im Zickzack durch ein steiler werdendes Schuttfeld. In der Scharte zwischen Fünffingerspitze und Langkofel passiert man die Demetz-Hütte. Alternativ steht für diesen Teil auch eine Seilbahn zur Verfügung. Nach der Hütte folgt man dem Weg in Richtung Langkofelhütte und zweigt etwa 80 Höhenmeter unterhalb rechts ab. Über eine Felsstufe zum Fassaner Band, das sich in nordwestliche Richtung durch die Südwestwand des Langkofels zieht.

Gemächlich beginnt der Aufstieg zur Langkofelscharte. Foto: Sven Schmid

Über das Fassaner Band zum Langkofelgletscher

1 ¾ Std., 150 Hm

Über Bänder, Rinnen, Auf- und Abschwünge gelangt man zur ersten Scharte. Dabei sind immer wieder Kletterstellen im ersten und zweiten Schwierigkeitsgrad zu überwinden. Die Schlüsselstelle dieses Abschnitts ist eine etwa 20 Meter hohe Wand im dritten Schwierigkeitsgrad. Darin finden sich Sanduhren sowie ein Abseilhaken am Ausstieg zur Sicherung der Nachsteigenden. Nach der Scharte steigt man einige Meter ab und quert über die Nordostflanke zu den Resten des Langkofelgletschers. Eine kurze Wand kurz vor dem Ende des Fassaner Bands verlangt nochmal den dritten Schwierigkeitsgrad.

Aufstieg über das Fassaner Band. Foto: Sven Schmid

Vom Langkofelgletscher zum Amphitheater

1 ¼ Std, 220 Hm

Vom Grund des Langkofelgletschers zieht in nordwestliche Richtung die sogenannte Eisrinne hinauf zu einer Scharte. Auf der linken Rippe dieser meist schnee- und eisfreien Rinne geht es steil bergauf, immer wieder wird der dritte Schwierigkeitsgrad gefordert. Sanduhren, vereinzelte Haken und eine Eisenklammer vereinfachen die Absicherung und im oberen Teil gibt ein etwa 12 Meter langes Fixseil kurz vor der Scharte zusätzlichen Halt. Von dort steigt man nun etwa 10 Meter hinab und gelangt zum Amphitheater (2900 m), einem flachen Schuttfeld, umringt von Felswänden.

Kletterpassage am Rande des Amphitheaters. Foto: Sven Schmid

Vom Amphitheater zum Gipfel

1 Std., 180 Hm

Vom Amphitheater aus führt eine Rampe in die Führerrinne, die mit mehreren Kletterstellen im dritten Schwierigkeitsgrad aufwartet. Sind mehrere Seilschaften unterwegs, ist hier wegen Steinschlaggefahr besondere Vorsicht geboten. Die schönste und luftigste Kletterstelle kommt ganz zum Schluss, auf etwa 3100 m, kurz nach der Biwakschachtel Biv. Guiliani. An einem gelben Turm steigt man im oberen dritten Schwierigkeitsgrad nach oben, bis eine luftige Rechtsquerung in eine Verschneidung führt, die einen zum Gipfelplateau bringt. Der restliche Weg zum Gipfel erfordert dann noch einfache Auf- und Abstiege über Felsköpfe, ohne größere Schwierigkeiten.

Vom Gipfel des Langkofel blickt man hinüber zum Sellastock. Foto: Sven Schmid

Abstieg zum Sellajoch über den Aufstiegsweg, 3-4 Std.

Der Abstieg erfolgt über den Aufstiegsweg. An den schweren Stellen finden sich meist Haken zum Abseilen. Tipp: Es ist ratsam, sich diese bereits beim Aufstieg einzuprägen.

Der Mensch zum Berg

Paul Grohmann Foto: Archiv DAV

Paul Grohmann (12.6.1838- 29.7.1908 in Wien) gilt wegen seines Engagements für den Alpinismus und seinen zahlreichen Erstbesteigungen als einer der wichtigsten alpinen Pioniere seiner Zeit. 1862 war er als Student der Akademie der Wissenschaften in Wien Mitbegründer des Österreichischen Alpenvereins und prägte damit maßgeblich die heutige Bergsteigerkultur. Auf sein Erstbesteiger-Konto gehen neben dem Langkofel unter anderem Große Zinne, Marmolada, Olperer und Cristallo.

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