Normalhaken am Reußenstein (Schwäbische Alb).
Fast schon ein historisches Relikt in Klettertouren: der Normalhaken. Foto: DAV/Steffen Reich
Materialkunde

Haken - hält schon, oder?

Expressanker und Verbundhaken dominieren bei Neuerschließungen und Sanierungen als Fixpunkte für Abseilstellen, Standplätze und Zwischensicherungen. Andere Hakentypen dagegen verschwinden zunehmend. Einzig der gute alte Schlaghaken kann sich noch behaupten, und zwar überall da, wo es klassisch alpin zugeht. Wie funktionieren solche Haken und wie lässt sich die Sicherheit von Haken beim Klettern beurteilen?

Wieso halten die Haken im Fels?

Expressanker: Das Ende des Spreizdübels ist konisch geformt. Wird die Mutter festgezogen, bewegt sich der Konus des Dübels nach vorne und drückt die Spreizhülse gegen die Wand des Bohrlochs. Dadurch hält der Expressanker nicht nur radial (z. B. nach unten), sondern auch axial (nach außen). Expressanker haben eine Lasche, sie zählen zu den reibungsschlüssigen Bohrhakensystemen.

Der Expressanker hält radial wie axial. Illustration: Georg Sojer

Verbundhaken: In das ausgeblasene Bohrloch wird Verbundmörtel gegeben. Anschließend wird der Verbundhaken leicht drehend eingeführt. Nach der Aushärtung des Mörtels ist das formschlüssige Bohrhakensystem belastbar. Die Riffelung des Verbundhakens und die genormte Länge von mindestens 70 Millimetern sorgen zusätzlich für Stabilität – ohne Spreizdruck. Allgemein gilt: Je weicher das Gestein, desto länger der Verbundhaken.

Der Verbundanker hält durc einen Verbundmörtel im Bohrloch. Illustration: Georg Sojer

Normalhaken: Es gibt Normalhaken aus Hartstahl für harten Fels (z. B. Granit, Abb. unten) und Normalhaken aus weichem Stahl für weniger harten Fels (z. B. Kalk, Abb. oben). Voraussetzung für das Anbringen ist ein passender, meist feiner Riss. Beim Eintreiben mit dem Hammer passt sich der Hakenschaft dem Verlauf des Risses an. Reibung und Verkeilung sorgen für die Haltekraft. Die Belastungsrichtung der Öse ist oftmals entscheidend.

Normalhaken aus Hartstahl für harten Fels (z. B. Granit, Abb. unten) und Normalhaken aus weichem Stahl für weniger harten Fels (z. B. Kalk, Abb. oben). Illustration: Georg Sojer

Welche Maßnahmen können bei möglicherweise unzuverlässigen Haken helfen?

Überlegte Tourenauswahl:

  • Gelände bzw. Tour deutlich unter der persönlichen Leistungsgrenze wählen.

  • Harmlose Alternative einplanen.

Neuralgische Fixpunkte erkennen:

  • Was passiert, wenn der Haken bei einem Sturz versagt?

  • Kann ein Sturz ausgeschlossen werden?

Neuralgische Fixpunkte verbessern:

  • Zusätzlich Schlinge, Klemmkeil, Friend oder Schlaghaken anbringen.

  • Kann man Haken aus der Nachbarroute verlängern und miteinbauen?

Krafteintrag auf Zwischensicherung reduzieren:

  • Weich sichern.

  • Evtl. Bandfalldämpfer verwenden.

Verzicht:

  • Rechtzeitig umdrehen.

  • Auf eine harmlose Alternative ausweichen.

Warum werden nicht alle Schlaghaken gegen zuverlässige Bohrhaken ausgetauscht?

Wer in den Bergen unterwegs ist, möchte die Schönheit der Natur erleben, neue Perspektiven entdecken oder sportliche Leistungen vollbringen. Es geht einigen Menschen aber auch darum, gefährliche Situationen zu erleben und sie zu meistern. Gelegenheit dazu bietet z. B. eine Klettertour ohne gebohrte Fixpunkte, die nur wenige Normalhaken aufweist und mit mobilen Sicherungsmitteln ergänzt werden muss. Wem das zu viel Abenteuer ist, hat mittlerweile die Möglichkeit, an anderer Stelle aus dem reichen Angebot der Touren mit sehr solider Absicherung auszuwählen. Die unterschiedlichen Stile bei der Absicherung entsprechen den unterschiedlichen Bedürfnissen. Es gilt das Motto: Leben und leben lassen.

Der Haken ist zuverlässig, aber ungünstig platziert – Was tun?

  • Um eine Karabiner-Knick-Belastung zu vermeiden, verlängert man den Haken mit einer kurzen Bandschlinge (siehe Abb. unten).

  • Die Haken stecken oft nicht in einer vertikalen Linie. Um den daraus resultierenden Seilzug zu reduzieren, verlängert man die besonders abseitig platzierten Haken mit langen Bandschlingen.

  • Um die Sturztiefe zu reduzieren, verwendet man als Verbindungselement zwischen Haken und Seil einen Schrauber anstatt einer Expressschlinge. Ist der Abstand zwischen den Haken sehr weit und nicht klar, in welche Richtung es weitergeht, können zwei Expressschlingen gegenläufig eingehängt werden.

  • Um die Reichweite beim Einhängen zu verbessern, verwendet man besonders bei schwer anzukletternden Haken eine so genannte Panik-Exe (Rakete). Dabei handelt es sich um eine ca. 40 cm lange, versteifte Expressschlinge.

  • Um einem Grounder (Bodensturz) vorzubeugen, benutzt man beim Sportklettern häufig einen Clipstick. Das macht vor allem dann Sinn, wenn der erste Haken sehr weit oben installiert ist.

Woran erkennt man unzuverlässige Haken?

Expressanker:

  • Durchmesser < 10 mm

  • Rost kommt aus dem Bohrloch

  • Expansionsdübel, Mutter und Lasche mit deutlichen Korrosionsspuren

  • Expansionsdübel, Mutter und Lasche aus unterschiedlichen Materialien (z. B. Dübel aus Stahl / Lasche aus Aluminium)

  • Stark über die Mutter ausstehendes Gewinde des Expansionsdübels

  • Eigenbaulaschen (z. B. gebogene und aufgebohrte Bleche)

  • Felsart ungeeignet: z. B. zu brüchig, zu weich oder mit Lufteinschlüssen (Konglomerat)

Verbundhaken:

  • Öse ohne Formschluss mit dem Fels – Folge: Ausstand und Hebelbelastung

  • Öse mit deutlichen Korrosionsspuren

  • Haken dreht sich beim Karabinerdrehtest (Abb. unten)

  • Felsumgebung brüchig

Normalhaken:

Untersuchungen mit Auszugsmaschinen ergaben, dass die Haltekraft von Normalhaken zuvor meist falsch eingeschätzt worden war. Normalhaken gelten deshalb per se als unzuverlässige Fixpunkte. Alarm bei eindeutigen Anzeichen für eine zu geringe Belastbarkeit:

  • Materialschwund in Folge von Korrosion (Korrosionsschicht bröselt)

  • Wackeln des Hakens bei Erschütterung (Rütteln)

  • Ausstand der Öse, Sichtbarkeit des Schafts, deutliches Eintreiben bei Testschlägen mit dem Hammer. Im Zweifel: Haken abbinden.

  • Neu gesetzte Haken: Kein klarer, heller werdender, singender Ton beim Eintreiben.

Achtung

Nicht nur Normalhaken, sondern auch Bohrhaken haben eine begrenzte Lebensdauer:

  • Je wärmer, feuchter und salzhaltiger die Umgebung, desto schneller werden Haken angegriffen.

  • Die Chemie des Gesteins spielt eine große Rolle: Im Kalk rosten Haken schneller als im Granit.

  • Größte Vorsicht ist bei Haken aus verzinktem Stahl in korrisionsfördernder Umgebung geboten.

  • Auch hochwertiger Edelstahl kann rosten: Durch die „Passivierung“ bildet sich auf der Oberfläche von Edelstählen eine Chromoxidschicht. Diese Schicht schützt zunächst vor weiterer Oxidation.

  • Durch Schweißnähte, durch Kerben, die beim Einschlagen des Spreizdübels entstehen, durch Spannungsrisse beim Anziehen der Mutter, beim Herstellungsprozess oder durch andere mechanische Einflüsse ergeben sich Schwachstellen in der Chromoxidschicht. Hier kann der Rost ansetzen.

  • Klebehaken sind beständiger, Klebehaken aus Titan sind am beständigsten.

Sanierungen

Aktuell gibt es noch kein System, bei dem der alte Bolt entfernt und das Bohrloch wieder verwendet werden kann. Bisher werden alte Bolts abgeflext, das alte Bohrloch mit dem abgeflexten Bolt zugespachtelt und ein neuer Bohrhaken daneben gesetzt. Eine geeignete Stelle neben dem alten Bohrloch zu finden, ist nicht immer problemlos möglich.

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