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Deutsche Meisterschaft Bouldern 2025 Marco Kost www.mountains-and-more.de
Neue Herausforderungen

Hopfensitz beendet internationale Karriere

Mit gerade einmal 22 Jahren hat sich auch Sandra Hopfensitz aus dem internationalen Wettkampfgeschehen zurückgezogen und verlässt damit als jüngste Athletin die Weltcupbühne, um sich neuen Herausforderungen zu stellen.


Teil 5 von 5: 2025 haben sich Max Kleesattel, Alma Bestvater, Sandra Hopfensitz, Leonie Lochner und Christoph Hanke aus dem internationalen Wettkampfgeschehen zurückgezogen. Fünf Persönlichkeiten, die den Sport geprägt haben.

Sandra Hopfensitz (Augsburg) Xaver Quintus

Sandra Hopfensitz im Gespräch

Mit gerade einmal 22 ist Sandra nicht nur eine Weltcupathletin, sondern galt auch als das Nachwuchstalent im Deutschen Team. Nun geht sie mit ihrem Studium neue Wege, nicht abseits des Kletterns aber abseits vom Stress als Weltcupathletin. Was sie aus ihrer Zeit im Leistungssport mitgenommen hat, verrät sie uns mit erstaunlich ehrlichen Einblicken.

Wer oder was hat dich auf deinem Weg am meisten geprägt?

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Da gibt es nicht die eine Person. Wenn ich an die ganzen Jahre denke, bin ich einfach unglaublich dankbar für viele Menschen, die mich auf ganz unterschiedliche Weise begleitet und unterstützt haben. Angefangen bei meiner allerersten Klettergruppe bis hin zum Nationalkader. Jede Phase hat so ihre eigenen Geschichten und Herausforderungen.
Was mich aber mit der Zeit fast am stärksten geprägt hat, ist das System an sich. Im Guten wie im Schlechten. Ich habe darin gelernt, mit Druck umzugehen, mit Erwartungen, mit Selbstzweifeln. Aber auch, wie viel Leidenschaft und Hingabe im Leistungssport steckt. Am Ende hat mich das alles zu der Person gemacht, die ich heute bin. Und auch dazu gebracht, irgendwann ehrlich zu mir selbst zu sein und zu sagen: So, jetzt ist es genug.

Was nimmst du aus dem Sport für deine persönliche Zukunft mit?

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Definitiv den Sport selbst. Der wird immer ein Teil meines Lebens bleiben, wenn auch nur noch als Hobby nebenbei.
Und auf jeden Fall die Menschen, die von Trainingspartnern zu richtig guten Freunden geworden sind.
Natürlich bleibt auch, was der Sport mir über mich selbst beigebracht hat. Man beschäftigt sich als Athlet viel mit sich selbst. Mit seine Stärken, seinen Schwächen. Wie man mit Rückschlägen umgeht. Ich habe gelernt, hart für etwas zu arbeiten, das mir wichtig ist. Aber auch, zu hinterfragen, wann sich dieser Ehrgeiz wirklich lohnt.

Was war dein Karriere-Highlight?

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Es gab viele Highlights, größere und kleinere. Rückblickend sind es gar nicht die Ergebnisse, die wirklich hängen geblieben sind. Es sind die Reisen, die Orte, die Menschen, gemeinsame Erlebnisse. Bei Wettkämpfen denkt man oft: Das hier ist jetzt der wichtigste Moment überhaupt! Und ja, in dem Moment fühlt es sich auch so an. Aber mit ein bisschen Abstand merkt man, dass die Zahl oder Platzierung am Ende gar nicht das Entscheidende waren. Es sind die Erinnerungen und Emotionen, die bleiben.

Gab es einen Schlüsselmoment, in dem du gedacht hast: „Jetzt habe ich es geschafft“?

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Kommt ein wenig darauf an, was „geschafft“ bedeutet. Es gab viele Momente, in denen ich dachte, jetzt bin ich angekommen. Aber kaum war das erreicht, gab es schon wieder ein neues Ziel.
Ein richtiges „Ich hab’s geschafft“ gab es für mich irgendwie ganz am Ende. Als ich entschieden habe, mit dem Leistungssport aufzuhören. Klingt vielleicht komisch, aber diese Entscheidung ganz allein für mich zu treffen, das war einer mein größten Erfolge. Ich habe es geschafft, meine Gesundheit und meinen Selbstwert über das System zu stellen. Vielleicht war das sogar mein wichtigster Sieg.

Was wird dir am meisten fehlen?

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Auch wenn ich froh bin, diesen ständigen Leistungsdruck nicht mehr zu haben, fehlt mir manchmal genau das: dieser klare Fokus, das zielgerichtete Arbeiten auf einen bestimmten Moment hin. Das kann sehr reizvoll sein.
Und ja, manchmal vermisse ich es, wirklich in Topform zu sein, die schwersten Boulder zu klettern und zu spüren, wie stark ich bin. Aber das ist okay. Ich genieße jetzt die Freiheit, nur noch zu trainieren, wenn ich es will, nicht weil ich muss. Das ist ein ganz neues Gefühl. Und selbst wenn ich dadurch nicht mehr ganz auf dem alten Niveau bin, ist das ein Preis, den ich gerne zahle.

Was ist dein Tipp an junge Athlet*innen?

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Man ist mehr als nur Zahlen oder Platzierungen. Hört auf euch selbst. Bleibt euch treu. Leistungssport kann eine großartige Erfahrung sein, aber man kann sich darin auch leicht verlieren, vor allem in den Erwartungen anderer sowie auch der eigenen. Erfolg ist schön, aber er sollte nicht der einzige Grund sein, warum man etwas macht. Am Ende zählt, dass man Freude an dem hat, was man macht. Egal wie schwer man klettert.

Wie geht es jetzt für dich weiter?

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Ich habe vor zwei Jahren angefangen, Geodata Science zu studieren. Das lief während meiner aktiven Zeit eher so nebenher, aber jetzt habe ich endlich den Gelegenheit, mich darauf zu konzentrieren. Ich genieße es generell, mehr Zeit für andere Dinge zu haben, für Freunde, für mich selbst. Ich versuche auch gerade noch herauszufinden, was das Leben außerhalb des Leistungssports alles so zu bieten hat. Klettern bleibt natürlich ein Teil davon, aber nicht mehr der einzige.
Gerade das letzte Jahr im Leistungssport war nicht einfach, und genau das hat mich zu dieser Entscheidung geführt. Jetzt habe ich die Freiheit, neu anzufangen und herauszufinden, wer ich sein möchte, wenn es mal nicht um Leistung geht.

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Sandra Hopfensitz - Ein Youngstar hört auf

Harter Start ins Wettkampfklettern

Sandra gehört sicherlich zu den stärksten deutschen Athlet*innen. Alleine auf den Deutschen Meisterschaften sicherte sie sich über die Jahre zwei Silbermedaillen im Lead, drei im Speed eine Bronze und eine weitere Silbermedaille im Bouldern und ist damit bis 2025 in Top Form.

Begonnen hat es jedoch auch für Sandra auf Landesebene mit den ersten Wettkämpfen. 2015 ist sie das erste Mal auf einem Bayerischen Jugendcup im Bouldern. Damals noch als Jungend C Athletin ist es üblich in allen drei Disziplinen, Bouldern, Lead und Speed an den Start zu gehen. Der Erfolg will jedoch erarbeitet werden, denn die ersten Jahre fällt sie kaum auf und erreicht Platzierungen im Mittelfeld. Bis 2017 erarbeitet sie sich ihren ersten Start auf einem DJC im Speed.

2018 dann der erste Leistungssprung. In der Jugend B erarbeitet sie sich regelmäßige Top 3 Platzierungen und qualifiziert sich damit vermehrt für die Deutschen Jugendcups. Und auch hier lassen die Erfolge nicht lange auf sich warten. 2. Platz im Speed, 1. Platz im Lead und Top 10 Platzierungen im Bouldern.

Das internationale Debüt

Im Folgejahr wird sie das erste mal international nominiert und startet auf dem ersten European Youth Cup. Speed und Lead werden zu ihren internationalen Disziplinen. Später kommt auch Bouldern hinzu.

Auch national läuft es bei ihr. Die ersten Deutschen Meisterschaften stehen auf dem Plan. Auf der DM Speed sichert sie sich direkt den 2. Platz und auch im Bouldern erreicht sie mit Platz 11 eine starke Platzierung in Dortmund. Mit Lead und Olympic Combined nimmt sie an allen vier DMs Teil. Was ein Debüt bei den Erwachsenen.

Bis 2021 gelingt es Sandra sich auch auf europäischer Ebene nach oben zu arbeiten. Silbermedaille im Speed und Bouldern, Goldmedaille im Speed. Ebenfalls sehr gute Platzierungen im Lead. Ende 2021 wagt sie den Schritt zu den Erwachsenen auch auf internationaler Ebene. In Deutschland gehört sie mit dem Vizetitel bei der DM Lead und starken Ergebnissen im Bouldern schon längst zur Spitze.

2022 dann der erste Weltcupstart! Zwar noch im hinteren Drittel, als zweiter Wettkampf bei den Erwachsenen und im Bouldern jedoch ein überragendes Ergebnis. Es folgen weitere Wettkämpfe auf Europäischer Ebene und Weltcups im Bouldern und Lead. Speed, jetzt als olympische Einzeldisziplin streicht Sandra aus ihrem Wettkampfkalender. Bei den Jugendweltmeisterschaften in Dallas zeigt sie mit einem starken 9 Platz im Bouldern, dass sie in ihrer Altersklasse mit den besten der Welt mithalten kann.

2023 kommt der nächste Leistungssprung. in Brixen sichert sie sich ihr bestes Weltcupergebnis. Platz 10 und damit ein extrem starkes Halbfinalergebnis mit gerade einmal 20 Jahren. Mit Platz 35 im Bouldern bestätigt sie ihre starke Leistung auf der Weltmeisterschaft in Bern. Und auch im Lead werden die Ergebnisse immer besser. Mit starken Ergebnissen im Mittelfeld auch im Leadweltcup beendet Sandra die Saison 2023.

Das kommende Jahr wird etwas fokussierter. National sichert sie sich zwar noch den Vizetitel bei der DM Lead in Hilden. International ist der Fokus voll auf den Olympic Qualifiern. Die Weltcups bleiben jedoch aus.

Abschied auf hohem Niveau

Im April 2025 hat Sandra dann mit dem Weltcup in Keqiao und einem starken Platz im Mittelfeld ihre internationale Karriere beendet. Damit wagt sie als eine der wenigen Athlet*innen nicht nur im Klettern den Ausstieg aus dem aktiven Wettkampfsport trotz ihrer starken Leistungen bis zum Schluss. Mit Sandra verlässt nicht nur eine der besten deutschen jungen Athlet*innen die internationale Bühne sondern auch eine sympathische Athletin und ein Mehrwert für den Nationalkader das Team.

Halbfinale, Deutsche Meisterschaft Lead Augsburg 2023 DAV / Marco Kost

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