DAV-Bergunfallstatistik 2018/2019
Deutlich weniger Unfälle – aber mehr Tote
04.11.2020, 14:58 Uhr
Die aktuelle Bergunfallstatistik des Deutschen Alpenvereins zeigt: deutlich weniger Mitlieder gerieten im Berichtszeitraum 2018/2019 in einen Unfall oder in eine Notlage als zuvor. Allerdings ist die Zahl der beim Bergsport tödlich verunglückten DAV-Mitglieder mit 85 Personen im Vergleich zum Vorberichtszeitraum gestiegen.
Im gesamten Berichtszeitraum 2018/2019 wurden 1.856 Unfälle und Notfälle mit insgesamt 2.335 Betroffenen gemeldet. Gegenüber den beiden Jahren des Vorberichtszeitraumes entspricht dies einer Verringerung von zwei Prozent bei Unfällen und Notfällen sowie von fünf Prozent bei den Betroffenen. Da jedoch gleichzeitig in beiden Jahren die Zahl der Mitglieder stärker angestiegen ist, errechnet sich für die Quoten eine effektive Abnahme von zehn Prozent bei den Unfällen und Notfällen und sogar zwölf Prozent bei den betroffenen Mitgliedern.
Im Berichtszeitraum gab es dabei jedoch 78 Unfälle mit 85 toten DAV-Mitgliedern. Das bedeutet gegenüber dem Vorberichtszeitraum in den absoluten Zahlen eine deutliche Steigerung von 28 Prozent bzw. 20 Prozent und für die Quoten von 17 Prozent bzw. 10 Prozent.
Das Risiko für tödliche Unfälle beim Bergsport sinkt seit Jahren
2018 starben 31 DAV-Mitglieder beim Bergsport, 2019 waren es 54. Die Quote für tödliche Unfälle war im Jahr 2018 die niedrigste seit Beginn der DAV-Bergunfallstatistik in den 1950er Jahren.
2019 stiegen die Zahlen wieder stark an (gegenüber 2018 +45 Prozent bei den tödlichen Unfällen sowie +74 Prozent bei den Toten). Allerdings ist die Zahl der tödlichen Bergunfälle seit jeher von Jahr zu Jahr erheblichen Schwankungen unterworfen und die Quote für 2019 liegt im oberen Bereich eines nach unten weisenden Streubandes.
Insgesamt lässt sich festhalten: Obwohl sich die Zahl der DAV-Mitglieder seit Anfang der 1960er Jahre versiebenfacht hat, waren im Jahr 2019 nicht mehr tödlich Verunfallte zu beklagen als 1960.
Schwankungen im Unfallgeschehen
Die Unfälle ereignen sich nicht gleichmäßig über das ganze Jahr hinweg, sondern zeigen jedes Jahr markante Häufungen von Januar bis März sowie von Juli bis September.
Der zeitliche Verlauf des Unfallgeschehens folgt damit den Ferien- und Urlaubszeiten sowie dem Wettergeschehen, welches Tourenaktivität und Tourenverhältnisse entscheidend beeinflusst.
Unfallort Hochgebirge
Etwa zwei Drittel der gemeldeten Unfälle und Notlagen ereignete sich im Untersuchungszeitraum im freien Tourenraum im Hochgebirge (fast ausschließlich in den Alpen). Tödliche Unfälle wurden sogar zu fast 90 Prozent im freien Tourenraum der Hochgebirge registriert.
Die prozentualen Anteile decken sich auch mit den Ergebnissen aus den Vorjahren.
Bergsportdisziplinen und Risiko (Diagramm 15)
Je etwa ein Drittel der Schadensmeldungen entfallen auf das Wandern sowie auf das Skilaufen (Langlaufen sowie Pistenskilauf mit Variantenfahren und Snowbarden). Jedoch lässt sich den Bergsportdisziplinen über die Zahl der gemeldeten Unfälle nicht einfach ein Unfallrisiko zuweisen.
Um das Risiko unterschiedlicher Bergsportarten zu quantifizieren, muss man berücksichtigen, wie viele Menschen die einzelnen Sportarten jeweils ausüben und wie viel Zeit sie damit verbringen. Kombiniert man die Unfallzahlen mit einer quantitative Auswertungen der bergsteigerischen Aktivitäten der Alpenvereinsmitglieder, so ergibt dies die in nebenstehendem Diagramm veranschaulichte Risikobewertung der unterschiedlichen Bergsportdisziplinen.
Wie groß die Zahl der Blockierungen (Notlagen ohne Verletzung) in einer Bergsportdisziplin ist, erkennt man an der Differenz zwischen dem hellgrauen und dem dunkelgrauen Balken. Besonders groß ist die Diskrepanz beim Alpinklettern, sehr klein beim alpinen Skilauf. Die Erklärung: beim Alpinklettern ist der Unfall eines Einzelnen in der Regel immer mit der Bergung der gesamten Seilschaft verbunden, sodass bei fast allen Notlagen auch mindestens ein Unverletzter geborgen wird. Zusätzlich werden regelmäßig Seilschaften wegen Wettersturz, Blockierung durch Orientierungsverlust oder Überforderung im persönlichen Können unverletzt evakuiert. Wer sich hingegen beim Alpinskilauf professionell bergen lassen muss, der ist in der Regel auch selbst verletzt.
Über die Bergunfallstatistik des Deutschen Alpenvereins
Der Deutsche Alpenverein veröffentlicht seit den 1950er Jahren eine Bergunfallstatistik im zweijährigen Turnus. Der aktuelle Berichtszeitraum reicht vom 1. November 2017 bis zum 31. Oktober 2019 und umfasst damit zwei komplette Sommer- und Wintersaisonen in den Bergen.
Datengrundlage sind ausschließlich Unfälle von DAV-Mitgliedern. In Kombination mit den Ergebnissen der DAV-Mitgliederbefragungen lassen sich wichtige Schlüsse ziehen: Unter Zuhilfenahme der Zeit, die Mitglieder bei der Ausübung der verschiedenen Disziplinen verbringen, kann unter anderem das Unfallrisiko für jede Bergsportdisziplin genau berechnet werden.
Übergeordnete Ziele der DAV-Unfallforschung sind neben der Datenerhebung und Dokumentation auch präventive Aspekte wie das Lernen aus Unfällen sowie die Verbesserung von Ausrüstung und Verhalten.
Das Unfallgeschehen im alpenweiten Vergleich
Die DAV-Unfallstatistik kann nicht das gesamte Unfallgeschehen in den Alpen wiedergeben. So sind in den eigenen Daten ausschließlich Unfälle von DAV-Mitgliedern erfasst, die beim Versicherungsschutz des DAV weltweit erfasst wurden. Nicht in der DAV-Unfallstatistik enthalten sind Unfälle von Nichtmitgliedern und ungemeldete Unfälle von Mitgliedern.
Um einen Gesamtüberblick der Alpen zu erhalten, muss man Unfallstatistiken weiterer Institutionen bemühen, die allerdings unter verschiedenen Voraussetzungen entstanden sind und sich auch in der Auswertesystematik unterscheiden:
Als nahezu vollständig für Österreich gilt die vom Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit geführte Alpinunfallstatistik, die auf Daten der österreichischen Alpinpolizei basiert. In Deutschland ist außerdem die Einsatzstatistik der Bergwacht Bayern relevant, in der Schweiz die Bergnotfallstatistik des SAC.