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Verhältnisse für Hochtouren teilweise kritisch!

20.07.2022, 16:52 Uhr

Auf Grund aktueller und bereits im Jahresverlauf außergewöhnlich warmer Witterungsverhältnisse bis in große Höhen sowie einem schneearmen Spätwinter, ist in diesem Jahr besondere Vorsicht beim Hochtourengehen angebracht. Viele Gletscher sind bereits deutlich früher im Jahr aper als üblich, Schneebrücken über Gletscherspalten dünn oder gar nicht vorhanden.

Aktuelle Beispiele: Das Bergführerbüro in Chamonix hat die Durchführung von Touren auf den Mont Blanc über die Gouter-Route (Sommer-Normalweg) bereits Anfang Juli dieses Jahres eingestellt und rät Gipfelaspirant*innen dringend von einer Begehung dieser steinschlaggefährdeten Route ab.

Nach mehreren Beinahe-Unfällen verzichtet auch die örtliche Bergsportschule in Grindelwald bis auf Weiteres auf die Begehung der Normalroute auf die Jungfrau. Die Route ist im Gipfelbereich erhöhtem Steinschlag ausgesetzt und um den ausgeaperten Bergschrund zu überwinden, braucht man Steileisgeräte.

 

Vorfälle wie der kürzliche Gletscherabbruch an der Marmolata sind unvorhersehbar, könnten sich bei länger anhaltender Hitze und wenig Schneeauflage insbesondere auf steileren Gletschern und vergletscherten Flanken häufen. Deshalb raten wir Bergsteiger*innen, sich noch genauer als sonst mit den aktuellen Verhältnissen zu beschäftigen und eine gewissenhafte Tourenplanung durchzuführen.

 

Auswirkungen auf Bergsteiger*innen

Mit welchen Auswirkungen müssen Bergsteiger*innen im hochalpinen Gelände also aufgrund der fortwährend hohen Temperaturen vermehrt rechnen?

  • Erhöhte Stein- und Eisschlaggefahr
  • Spaltensturzgefahr durch Aufweichen des Schnees und Kollabieren ganzer Schneebrücken
  • Mitreißgefahr vor allem auf (aperen) steilen Gletscherabschnitten und allgemein in Flanken (Maßnahmen: Von Fixpunkt zu Fixpunkt sichern / Am laufenden Seil gesichert Gehen statt in Gletscherseilschaft zu bleiben)
  • Höhere Temperaturen resultieren bereits früh im Tagesverlauf in Festigkeitsverlust der Schneedecke à Spaltensturzgefahr, Nassschneerutsche, erhöhte Anstrengung durch tiefes Einsinken
  • Vermeintlich einfache Touren können zum Teil deutlich schwieriger sein als in Vorjahren oder in älteren Tourenbeschreibungen
  • Bei Starkniederschlägen oder Gewittern: Gefahr in Abflussbereichen (Gletscherbäche) aufgrund von wenig Schnee (fehlende Pufferwirkung)
  • Verweilen der Null-Grad-Grenze über Wochen über Gipfelniveau (der Ostalpen) und darüber, sodass vormals als „sicher“ geltende Bereiche wie die Akkumulationsgebiete in den höher liegenden Westalpen jetzt ebenfalls verstärkt betroffen sind
 

Tipps, Vorbereitung

Für einige Touren mag aktuell Verzicht der richtige Weg sein, um vermeintlich bessere Bedingungen im Herbst oder nächsten Frühsommer abzuwarten. Nichtsdestotrotz möchten wir noch ein paar allgemeine und spezifische Verhaltens- und Planungstipps für die nächsten Hochtouren mitgeben:

 

  • Wahl eines besseren Zeitpunkts für Hochtouren (Warten auf nächsten Kaltluftvorstoß oder Kaltfront mit Schnee im Hochgebirge)
  • Aktuelle Verhältnisse: Einschätzung von Hüttenwirtsleuten, Bergführerbüros etc. einholen und auch beachten
  • Wahl von zuverlässigen Informationsquellen über Verhältnisse und Wetter (z.B. DAV Bergwetter)
  • Aktuelle Infos und Kartenmaterial einbeziehen (Gletscherstände ändern sich schnell à Karten schnell veraltet)
  • Kompetente Begleitung bzw. Inanspruchnahme einer professionellen Führung (ideal für Anfänger*innen, aber auch für Profis zur Auffrischung)
  • Gezielte Vorbereitung vorab (Kraft- und Ausdauertraining)
  • Üben und Festigen der Kenntnisse mit Steigeisen
  • Überlegungen und Strategien zur richtigen Seilhandhabung: Gehen am verkürzten oder langen Seil, Sicherung von Fixpunkten oder seilfrei (Konsequenzen abwägen, wovon geht das größte Risiko aus? Spaltensturz- oder Absturzgefahr?)
  • Sich mit Rettungstechniken auseinandersetzen sowie Verhalten im Notfall üben
  • Akklimatisierung (Vorbereitungstour, genügend Zeit nehmen)
  • Zeitmanagement: früher Aufbruch aufgrund tageszeitlicher Erwärmung, Umkehrzeiten planen
  • Trinkwasserversorgung im Vorfeld und auf Tour planen, Strahlenschutz für Haut und Augen ernst nehmen
  • Alternativtouren
  • Stein- und eisschlaggefährdete Zonen großräumig meiden oder falls nicht möglich, diese Passagen zügig queren und nicht verweilen!
 

Hochtouren: 10 DAV-Empfehlungen

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Bergsteigen im Hochgebirge ist ein großartiges Naturerlebnis, bietet Gemeinschaft und Abenteuer. Die Empfehlungen des DAV dienen dazu, sich vor den vielfältigen alpinen Gefahren zu schützen. Die praktischen Grundlagen lernst Du in Fels- und Eiskursen, die nötige Erfahrung sammelst Du Schritt für Schritt.