Wanderer in absturzgefährlichem Gelände
Gerade in absturzgefährlichem Gelände ist eine solide Gehtechnik wichtig. Um den Blick vom Gamsjoch (Karwendel) auf die Laliderer Wände zu genießen, hält man besser kurz an - und sich fest. Foto: Andreas Dick
So geht das: Weglos durch Gras und Schrofen

Gut zu Fuß, auch ohne Weg

Weg verloren? Wildes Ziel? Weglose Grashänge mögen harmlos aussehen: Spätestens, wenn sie mit felsigen Schrofen durchsetzt sind, fordern sie gute Gehtechnik.

Gras und Schrofen – die Tipps

  • möglichst flaches Gelände nutzen, eventuell auch Ruhepunkte ansteuern

  • aufrecht gehen, stabile Schuhe mit guter Kante verwenden, eventuell Stöcke

  • in kurzem Gras Stufen und Absätze suchen und präzise treten

  • Vorsicht bei langem Gras, vor allem bei Nässe

  • in Schrofen Felsstufen bevorzugen, falls solide

Nicht den Halt verlieren

„Gehen im weglosen Gelände“ ist eine Schlüsselfähigkeit für Bergsteiger*innen, die abseits angelegter Wege etwas wildere Gipfel im Visier haben. Aber auch wer eigentlich nur den Markierungen folgen wollte, kann diese verlieren und sich plötzlich in der Wildnis finden. Was dann?

Gras und Schrofen (also wenn sich Fels dazwischen mischt) bieten wenig verlässlichen Halt: Grasbüschel können ausreißen, Schrofenfels bröckelt oft. Schon ab Hangneigungen um 30 Grad droht Absturzgefahr, wenn man ins Rollen kommt. Ob man sich freiwillig in solches Gelände begibt, will gut überlegt und verantwortlich entschieden sein – vor allem, wenn man den gleichen Hang wieder runter muss, denn da sieht alles noch steiler aus. Lässt man sich darauf ein, lohnt es sich, die Anstiegslinie zu projektieren: Wo ist der Hang weniger steil, wo bietet er gute Strukturen zum Hinstehen, wo gibt es vielleicht kleine Plateaus zum Entspannen zwischendurch?

Aufrechte Haltung und Stöcke machen's leichter

Der größte Fehler, den man machen könnte, ist dem Anlehnungsbedürfnis nachzugeben. Wer sein Heil durch Nähe zum Hang sucht, verliert den Halt für die Füße. Nur eine aufrechte Haltung bringt den Körperschwerpunkt über die Schuhe, die mit möglichst stabilen Sohlen und Kanten die Verankerung im Gelände versprechen. Im Abstieg ist diese Position noch wichtiger, aber auch schwieriger und gewöhnungsbedürftig: Mit Blick ins Tal und stark vorgebeugtem Oberkörper macht man kleine Schritte talwärts. Wer sich dagegen auf den Hintern setzt oder seitlich festhält (vor allem über schulterhoch), hat schon die beste Ausgangsposition für eine unfreiwillige Rutschpartie.

Wer Stöcke als Balancehilfe nutzen will, muss sie sehr bewusst setzen. Um sie im steilen Hang oberhalb des Körpers einzusetzen (bergseitiger Stock in der Querung, frontaler Aufstieg), kann man sie unterhalb des Griffs am Schaft fassen. Extreme Steilgrashänge mit Pickel und Steigeisen zu begehen, wie es von den Höfats oder dem Rädlergrat im Allgäu berichtet wird, ist nicht nur aus Naturschutzgründen keine wirklich sinnvolle Option, außer in den genannten Extremfällen.

Stabilität kommt durch aufrechte Haltung, Körperschwerpunkt zwischen der Standfläche (Füße). Wer sich an den Hang lehnt, schiebt sich selbst die Füße vom Tritt. Illustration: Georg Sojer

Konzentration in langem Gras und Schrofen!

Ist das Gras kurz, hat man es noch relativ einfach. Je nach Sorte bilden die Graspolster oft sogar kleine Stufen oder Absätze, die man als Tritte nutzen kann. Gezielt schauen, präzise treten, sorgfältig das Gewicht verlagern, das ist die Devise. Ist der Grashang homogen wie ein Fußballrasen, hilft nur die nicht sonderlich umweltfreundliche Methode, die Sohlenkante durch kräftigen Tritt, etwas schräg nach vorne, im Untergrund zu verankern; das Profil übernimmt die Rolle der Fußballstollen. Stabiler gebaute Bergschuhe sind dabei naturgemäß leichten Trailrunner-Schlappen überlegen.

Später im Sommer, oder wenn man es mit dem berüchtigten Allgäuer „Lägergras“ zu tun hat, verdecken die langen Halme die Oberflächenstrukturen. Man sieht sie nicht mehr, und oft ist auch der Halt auf ihnen nicht so gut, weil die langen, weichen Blätter wie eine Gleitschicht wirken – vor allem bei Nässe. Sie mögen vielleicht zum Festhalten verleiten, aber auf diesen Halt sollte man sich nicht allzusehr verlassen. Langes Gras ist, wenn überhaupt, mit Vorsicht zu genießen. Wenn möglich, sollte man es durch geschickte, vorausschauende Wegwahl (siehe oben) vermeiden.

Stufige Graspolster und Tritte im soliden Fels versprechen Halt im weglosen Gelände. Langes Gras dagegen wird schnell zur Rutschbahn und verlangt präzises Treten. Illustration: Georg Sojer

Schrofen sind felsdurchsetzte Grashänge oder grasdurchsetzte Felsflanken. Bei höherem Felsanteil verspricht dieser den besseren Halt: Wenn der Fels nicht allzu brüchig ist, ist leichtes Klettern oft die beste Wahl. Einzelne Steine im Grashang freilich sind genauso dubios wie gelegentliche Grasbüschel in felsiger Flanke; die Stabilität des gewählten Tritts (und unterstützender Griffe) ist das A und O für sicheres Gehen im Schrofengelände. Solide Felskanten können Füßen und Händen Halt bieten, wenn sie beim prüfenden Tritt oder Schlag nicht nachgeben. Eine häufig vorkommende Krümelschuttauflage wischt oder tritt man weg, im sandigen Schutt kerbt man mit der Sohlenkante eine Stufe ein. Ob man aufrecht, nur auf den Füßen, geht oder die Hände als Stabilisierungshilfe nutzt – und ob diese stützen oder ziehen – hängt von der Geländestabilität, Bewegungserfahrung und mentalen Stärke ab. Wichtig ist, möglichst viel Gewicht auf den Füßen zu halten und sich nicht zu sehr aufs „Ziehen“ zu verlassen; denn wenn ein Griff auf Kopfhöhe ausbricht, kippt man leichter rücklings raus als wenn der Fuß nachgibt. Und dann wird der Nachteil von Schrofen offensichtlich: Sie trifft man meistens in steileren Hängen, wo die Chance, einen Sturz zu bremsen, gegen Null geht.