Bild von Fels mit Kampagnen-Logo
Berge lesen – Teil der Kampagne "Spüre dich selbst". Foto: DAV
Oder: Mehr als nur Kulisse

Berge lesen

„Was will ich hier eigentlich?“ – Am Berg stellen wir uns diese Frage wohl alle früher oder später. Natürlich, da wäre das Gipfelglück: Die Freude darüber, von unten hinauf gekommen zu sein. Der 360-Grad-Blick schweift über die Miniaturwelt unten im Tal. Der Alltag scheint meilenweit weg, dafür ist die Begeisterung für das eigene Tun hier und jetzt umso größer.

Und bei nächster Gelegenheit bitte mehr davon – noch ein Tag in den Bergen, noch ein Gipfelerfolg. Vielleicht auf einer besonders schwierigen Route. Oder auch besonders schnell. Einfach nur eigene Superlative erfüllend oder sich mit anderen messend.

Und hin und wieder steht dabei der (gar nicht so stille) Vorwurf im Raum, dass wir die Berge nur konsumieren.

Offen und neugierig

Und darüber hinaus? Erzählen die Berge unendliche Geschichten! Vorausgesetzt, man nimmt sich die Zeit dafür und weiß die Berge zu lesen. Doch ausgerüstet mit einer Grundportion Neugier kann es schon losgehen:

Was genau hat diese aufgemalte Markierung am Fels zu bedeuten? Warum ist die Rinde des Baumes verletzt? Wieso ist die Klamm so unglaublich tief eingeschnitten? Und was für Gebäudereste wuchern hier zu? – Es sind Fragen wie diese, die unser Augenmerk auf Erscheinungen und Prozesse lenken, die sich am Berg abspielen und lange oder schon immer abgespielt haben. Es sind Fragen, deren Antworten uns die Zusammenhänge besser verstehen lassen. Das kann uns einfach erfreuen und unser Verständnis für die Welt bereichern. Oder sogar wichtig für unsere eigene Sicherheit am Berg sein.

Die Natur bewusst wahrnehmen und verstehen. Foto: DAV/Wolfgang Ehn

Intensives Erleben

Begreifen wir unsere Umwelt besser, erleben wir sie auch vielfältiger und intensiver; ein Zustand, der sich – physisch und vor allem mental – als slow hiking beschreiben lässt. Oft genug wird in diesem intensiven Berg-Erleben sogar der Gipfel selbst gänzlich zweitrangig. Zwar geht in den Bergen neben den Gletschern vor allem von den Gipfeln ein besonderer Reiz aus und sie berühren uns oft mehr als anderes. Ähnlich können aber auch geologische Besonderheiten oder das Vorkommen bestimmter Tiere oder Pflanzen eine Region besonders spannend machen und den ideellen Wert einer (Berg-)Landschaft vergrößern.

Ständiger Wandel

Immer wieder verändert sich die Landschaft der Alpen abrupt an einzelnen Stellen. Hervorgerufen durch Bergstürze oder Murenabgänge zum Beispiel, die durch extreme Wetterereignisse und immer öfter auch durch den Klimawandel und das damit verbundene Abschmelzen des Permafrosts ausgelöst werden.

Auch sonst sind die Alpen im ständigen Wandel und Tal- wie Bergformen geben uns umfassend Auskunft darüber, wie sie durch das Zusammenspiel von Hebung und Erosion über Millionen von Jahren entstanden sind.

Was für uns als Inbegriff des Naturidylls erscheinen mag, ist oft durch Menschenhand geformte Kulturlandschaft. Foto: Timm Humpfer

Berglandschaft = Kulturlandschaft

Je mehr wir von der Berglandschaft verstehen, durch die wir wandern, desto mehr erkennen wir auch, dass es nur noch sehr wenig gänzlich unberührte Natur gibt. In der Landschaft finden wir meist mehr oder weniger menschliche Spuren, selbst in höheren Lagen in den Alpen. So ist das heutige Landschaftsbild der Alpen überwiegend menschgeschaffen, wenngleich nicht einmal eintausend Jahre alt.

Vor allem der Bergbau, über und unter Tage, hat allerorts Spuren in der Landschaft hinterlassen und wir stoßen immer wieder auf aufgegebene Gruben oder Abraumhalden. Aber auch die Landwirtschaft hat die Berge, wie wir sie kennen, geprägt: idyllisch erscheinende Postkartenmotive von Almhütten auf Kräuterwiesen sind schnell passé, kaum dass die sommerliche Bewirtschaftung aufgegeben und die Flächen bald wieder verbuscht sind. Besonders in Bergregionen weiter ab vom Schuss, aus denen die Menschen über die letzten Jahrzehnte weggezogen sind, zeigt sich, wie schnell auch ganze Dörfer wieder verfallen können.

Als natürliche geographische Grenze erzählen Berge oft auch von einstigen lang schwelenden Konflikten oder gar von Kriegen. So begegnet man noch heute in Norditalien entlang des ehemaligen Frontverlaufs und auf dem heutigen Friedensweg immer wieder der düsteren Geschichte des Ersten Weltkriegs.

Der Hintersee bei Ramsau ist Zeugnis und Überbleibsel gigantischer Naturereignisse. Foto: Berchtesgadener Land Tourismus

Crashkurs "Berge lesen"

Einen Crashkurs „Berge lesen“ sucht man selbst bei den Alpenvereinssektionen vergebens. Natürlich lässt sich einiges aus Büchern oder eben auch mit Hilfe besonderer Angebote wie geologischer oder botanischer Wanderungen vermitteln. Ein umfassenderes Verständnis für das, was wir am Berg beobachten und erleben, erlangen wir aber oft erst nach Jahren oder Jahrzehnten, in denen wir uns immer wieder Wissen und vor allem eigene Erfahrungen aneignen.

Nehmen wir uns die Zeit, um immer wieder genau hinzuschauen und zu hinterfragen, um kurz nachzulesen und gar aufwendig zu recherchieren, dann sind die Berge ganz automatisch viel mehr als nur eine (Sport-)Kulisse.

Als Partner des DAV im Bereich gesundheitsorientierter Bergsport unterstützt Bergader die Kampagne „Spüre dich selbst“ zum Beispiel mit Rezeptvorschlägen für das nächste Bergabenteuer, Podcastfolgen rund um achtsamen Bergsport und vielen weiteren Themen und Inhalten.

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