An einem der bekanntesten Seen der Hohen Tatra: Morskie Oko (Meerauge). Foto: Arek Socha/Pixabay
An einem der bekanntesten Seen der Hohen Tatra: Morskie Oko (Meerauge). Foto: Arek Socha/Pixabay
Gebirge Europas

Die Hohe Tatra

Am slowakisch-polnischen Grenzkamm findet sich ein ganz besonderes alpines Juwel: die Hohe Tatra. Auf kleinster Fläche ist es ein ausgewachsenes Hochgebirge, das mit vielfältigen Landschaften aufwartet.

Geographie

Die Hohe Tatra befindet sich zu zwei Dritteln auf slowakischem, zu einem Drittel auf polnischem Gebiet. Sie gehört zu den Karpaten und ist damit genau genommen nur ein Teilgebirge. Schnell fällt der Vergleich, die Hohe Tatra sei eine Miniatur-Form der Alpen, denn die Panoramen ähneln sich mitunter sehr.

Der Hauptkamm der Hohen Tatra ist gerade mal 27 Kilometer lang, aber gespickt mit 24 Gipfeln, die höher als 2500 Meter sind. Weil es auf kompakten 340 Quadratkilometern derart alpin zugeht, ist die Hohe Tatra auch als „das kleinste Hochgebirge der Welt“ bekannt.

Hohe und besondere Gipfel

Höchster Gipfel der Hohen Tatra ist die Gerlsdorfer Spitze (Gerlachovský štít oder umgangssprachlich Gerlachovka) mit 2655 Metern. Der Berg beansprucht damit gleichzeitig mehrere andere Superlative: höchster Gipfel der Slowakei und des Karpaten-Gebirgskammes sowie höchster Gipfel Mitteleuropas östlich der Alpen.

Außerordentlich bekannt und beliebt außerdem: der pyramidenförmige, 2634 Meter hohe Lomnický štít (Lomnitzer Spitze (bzw. umgangssprachlich Lomničák) sowie der 2503 Meter hohe Rysy (Meeraugenspitze). Während mehrere besonders hohe Gipfel im slowakischen Teil der Hohen Tatra liegen, die heutige Grenze – anders als oft üblich – also nicht allzu genau entlang des Hauptkamms verläuft, ist der Rysy tatsächlich ein Grenzgipfel. Der eigentliche Hauptgipfel ist slowakisch, einer der zwei Nebengipfel markiert mit 2499 Metern den höchsten Punkt Polens. Der Rysy gilt als der überhaupt meist besuchte Berg der Hohen Tatra.

Einen weiteren Berg kennen alle vom Sehen, die je bewusst eine slowakische 1-, 2- oder 5-Cent-Münze in der Hand hatten: auf den Geldstücken ist der Kriváň (Krumm- oder Ochsenhorn mit 2494 m Höhe) abgebildet. Um den charaktervollen, auffälligen Gipfel ranken sich verschiedene Sagen und Legenden; er gilt als inoffizielles Nationalsymbol der Slowakei.

Vom Wind gezeichnet - 2004 zog ein Orkan über die Hohe Tatra und zerstörte viel Fichtenwald. Foto: Nikolett Emmert/Pixabay

Schutzgebiete

Die Landschaft der Hohen Tatra ist als Nationalpark geschützt, seit 1949 auf (damals tschecho-)slowakischer Seite, seit 1954 in Polen.

In Polen gehen die Schutzbemühungen auf den Unternehmer und Philantrophen Władysław Zamoyski zurück: als in der Tatra in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer stärkerer Raubbau betrieben wurde, kaufte er Zakopane und einen Großteil der Tatra; auf sein Betreiben hin kam 1899 auch der Eisenbahnanschluss von Krakau in Richtung der Berge.

Ähnlich anderer Schutzgebiete gibt es auch in der Hohen Tatra lang anhaltende Nutzungskonflikte; insbesondere zwischen Forstwirtschaft, Touristik und Naturschutz.

Flora

In der Hohen Tatra sind vielfältige alpine Arten zu finden. Weite Teile sind bewaldet, zumeist mit Fichten und Tannen; auch Zirbelkiefern, Lärchen, Bergkiefern und andere Arten finden sich hier. Bei etwa 1600m ist die Waldgrenze erreicht. Unter teils extremen Bedingungen wachsen mehrere hundert Pflanzenarten.

Etwa 25 dieser Arten haben auf den dortigen alpinen Wiesen für die Hohe Tatra eigenständige Erscheinungsformen gebildet. Zu diesen als Endemiten bezeichneten Pflanzen gehören unter anderem Tatra-Rittersporn, Tatra-Löffelkraut und Tatra-Schwingel, ebenso wie Traubensteinbrech und Wahlenbergs Schotendotter.

Frühsommerwiese in der Hohen Tatra. Foto: Gllen/Pixabay

Fauna

Das bekannteste Tier der Hohen Tatra ist die Gämse. Außerdem kann man auf Murmeltiere und Luchse, Wölfe und Bären, Wildkatzen und Otter treffen. Steinadler, Auerhähne, Dreizehenspechte und Tannenhäher gehören zur vielfältigen Vogelwelt.

Das bekannteste Tier der Hohen Tatra: die Gämse. Foto: Ádám Urvölgyi/Pixabay

Wege & Routen

  • Tatranská magistrála (Tatramagistrale) – der längste durchgehende Wanderweg in der Hohen Tatra, er durchquert die Berge (auf slowakischer Seite) auf gut 70 Kilometern in Ost-West-Richtung.

  • Orla Perć (Adlerpfad) – ein Höhenweg im polnischen Teil der Hohen Tatra, er gilt als der schwierigste Wanderweg der Hohen Tatra und ganz Polens. Obwohl der eigentliche Gratweg nur 4,5 Kilometer lang, braucht man für ihn gewöhnlich 6–8 Stunden (plus Aufstieg aus dem Tal), um ihn komplett zu gehen; auf dem Weg über (feuchten) Granit kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen.

  • Darüber hinaus bieten sich unterschiedlichste Wanderrouten nach eigenem Gusto und Zeitbudget an, wobei sich die Hütten hervorragend verbinden lassen. – Zur Planung stehen verschiedene touristische Karten und Wanderführer zur Auswahl.

  • Für konkrete Wanderplanungen stehen einige deutschsprachige Bücher zur Verfügung, u. a.: Hohe Tatra: Die schönsten Tal- und Höhenwanderungen. 50 Touren. (von Václav Klumpar , Rother Bergverlag), Slowakei/Polen: Trekkingklassiker in der Hohen Tatra (von Wiebke Bomas, Conrad Stein Verlag) sowie eine KOMPASS Wanderkarte Tatra (1:50.000 mit Guide und Detailkarten)

Besonderheiten

Wer selbst die Hohe Tatra erkunden möchte, sollte sich vorher mit einer Vielzahl von (seit einigen Jahren verschärften) Regelungen vertraut machen:

  • Es gilt eine zentrale Festlegung, quasi „die Goldene Tatra-Regel“: Gipfel dürfen nur bestiegen werden, wenn ein markierter Weg hinaufführt. Ansonsten ist dies nur mit Bergführer*in gestattet oder man muss sich – zum Klettern und Skitourengehen – als Mitglied eines anerkannten Bergsteigervereins, wie den Alpenvereinen, ausweisen können. Bei anspruchsvolleren Klettertouren und als Skitourengeher*in ist die Aktivität vorab bei der Nationalparkverwaltung anzumelden und somit die Freigabe einzuholen.

  • Das Biwakieren in den Bergen ist nicht erlaubt. Die Wege sind im Winterhalbjahr (1. November bis 15. Juni) gesperrt. Im Nationalpark-Bereich der Hohen Tatra gibt es darüber hinaus einzelne Schutzgebietsbereiche, die komplett für jegliche alpinistischen Aktivitäten gesperrt sind.

Weitere detaillierte Informationen zu den aktuell gültigen Regelungen für alle Aktivitäten finden sich auf der Website der Nationalparkbehörde TANAP.

Hütten

In der Hohen Tatra betreibt die PTTK (Polnische Touristik- und Landeskundegesellschaft) mehrere Unterkünfte – von kleinen Hütten bis zu großen Berghotels.

In der Slowakei ist die slowakische Bergsteigervereinigung JAMES Mitbetreiberin mehrerer Hütten.

Winterliche Aussichtskanzel: Hütte in der Hohen Tatra. Foto: Lukáš Vaľko/Pixabay

Kulturelles & Historisches

  • Stanisław Staszic war der erste Pole, der die Hohe Tatra wissenschaftlich erforschte. Er hielt sich 1803 bis 1805 in der Tatra auf und bestieg zahlreiche Gipfel. 1815 erschien sein Werk O ziemiorodztwie Karpatów u. a. über die Hohe Tatra. Ihm folgten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zahlreiche weitere polnische Geologen und Bergsteiger. Um die Jahrhundertmitte erschienen erste Reiseführer der Hohen Tatra.

  • 1873 wurde der polnische Tatraverein gegründet, er ließ die ersten drei Berghütten in der Hohen Tatra zwischen 1874 und 1876 erbauen. In den 1870er Jahren wurden die meisten Tatragipfel zum ersten Mal bestiegen. In den 1880ern wurden die meisten Winterbesteigungen dokumentiert.

  • Am Nordrand der Hohen Tatra liegt Zakopane. Das Städtchen ist Polens größtes Wintersportzentrum.

  • Rund um Zakopane hat sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein eigener Architekturstil entwickelt, bei dem volkstümliche, folkloristische Details historischer Holzhäuser mit Jugendstil-Elementen vermischt wurden. Diese ganz eigene architektonische Spielart ist nach ihrem Begründer als Witkiewicz-Stil bekannt, oder als Zakopane- bzw. Tatra-Stil.

  • Und noch etwas ganz anderes: Auch in Zakopane kennt man das Föhn-Phänomen, wenn trockene und warme Südwinde über die Berge kippen, es nennt sich hier Halny.

Im Panorama-Magazin geblättert

  • Durch Wald und Felsen. Zu Fuß über die Tatra. (DAV-Panorama 5/2017 – zum Heft)

Weitere Bildrechte: Teaser-Foto (Strba Tarn) von Beata Torokova/Pixabay 

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