Wie man beim Bergsport von der optimalen Atmung profitiert

27. September 2022 - Jede*r tut es – die wenigsten bewusst: atmen. Atmung funktioniert automatisch. Sie ist variabel und abhängig von Atemfrequenz und -tiefe. Sie gleicht sich beinah sekündlich den Anforderungen unseres Körpers an, egal ob wir schlafen oder laufen. Für diesen Mechanismus sind Nervenzellen im Hirnstamm verantwortlich, das „Atemzentrum“. „Tatsächlich können wir beim Atmen einiges falsch machen. Beziehungsweise können wir die Atemregulation auch bewusst beeinflussen und trainieren“, weiß Petra Zink, Yogalehrerin, Sportwissenschaftlerin und ehemalige Mountainbike-Leistungssportlerin. „Bewusstes Atmen macht uns fitter und wirkt gegen Stress – beim Sport wie im Alltag.“ Denn unsere Atmung beeinflusst nicht nur unsere Entspannung und unser Stresslevel. Sondern auch unsere motorische Kontrolle, die Kraftentwicklung sowie die Regeneration. „Ob wir langsam oder schnell, flach oder tief atmen, macht einen großen Unterschied aus“, so Petra Zink.

Die richtige Sauerstoffzufuhr: Von Zwerchfell- bis Nasenatmung

Doch wie atmet man nun richtig? Beziehungsweise zielfördernd? „Das Atemmuster variiert je nach Anforderung, die wir im Alltag oder im Sport erleben“, sagt Petra Zink. Die Bauchatmung wäre im Alltag die passende Wahl. Rein physiologisch kann man natürlich nicht in den Bauch atmen, aber durch die Bewegung des Zwerchfells wölbt sich der Bauch bei der Einatmung nach außen.

Richtige Atmung kann man trainieren. Foto: DAV/Stefan Köhler

„Wenn man auf diese Weise Luft holt, kann man den Körper optimal mit Sauerstoff versorgen. Das Zentralnervensystem erhält den Hinweis, in den Parasympathikus-Status zu schalten. Dieser lässt unseren Körper entspannen und Kraft schöpfen“, erklärt Petra Zink. Man könnte meinen, dass wir diese Grundatmung ständig anwenden. Tatsächlich atmet ein Großteil der Menschen im Alltag jedoch flach in die Brust. „Dadurch gelangt weniger Luft in die Lunge und damit weniger Sauerstoff in den Körper. Es kommt zu einem Sauerstoffmangel, den auch die Organe und das Gehirn zu spüren bekommen“, weiß Petra Zink. Um diesen Mangel zu beheben, erhöht der Körper automatisch die Atemfrequenz und den Blutdruck. Durch die erhöhte Atemfrequenz verbraucht der Körper jedoch wiederum mehr Energie. Es kommt zu einem Leistungsabfall und chronischer Müdigkeit. Ein Grund für diese Form der Atmung ist eine schlechte Körperhaltung und gekrümmtes Sitzen. Mit einer aufrechten Haltung und etwas Übung kann man die Bauchatmung im Alltag jedoch verinnerlichen und erstaunliche Effekte erzielen. „Steigt wie bei sportlicher Betätigung die Belastung, braucht der Körper mehr Sauerstoff und muss Kohlenstoffdioxid rasch wieder abgeben. Hier macht es Sinn, Atemtypen zu kombinieren“, meint Petra Zink. Bei einer tiefen Brustatmung füllen sich die Lungen mit zusätzlichem Sauerstoff, indem die Rippen zu allen Seiten nach außen gedehnt werden. Doch nicht nur wohin man atmet ist entscheidend. Sondern auch wodurch! „Die meisten Sportler*innen, die an ihre Grenzen gehen, atmen schnell und schwer durch den offenen Mund, da wir es uns unter Anstrengung leicht machen wollen und den Weg des geringsten Atemwiderstands gehen“, weiß Petra Zink. Tatsächlich erhöht die Nasenatmung die Sauerstoffsättigung des Blutes und somit die Sauerstoffversorgung der Organe. Sie filtert und erwärmt die Atemluft und befeuchtet zudem unsere Atemwege, was vor allem im Winter von großer Bedeutung ist. Mit etwas Konzentration und Durchhaltevermögen lässt sich auch die Nasenatmung beim Sport gut trainieren.

Das Wissen um die richtig Technik kann die Leistung steigern. Foto: DAV/Stefan Köhler

Atmung und Ausdauer am Berg: Leistungssteigerung durch Mehratmung

Entscheidend für mehr Leistungsfähigkeit beim Ausdauersport ist die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität. Diese wiederum hängt von unseren Atemorganen und unserem Herz-Kreislauf-System ab. „Und genau hier kommt die Technik ins Spiel! Der Schlüssel zum Erfolg ist die bewusste Mehratmung“, erklärt Alix von Melle, Deutschlands erfolgreichste Höhenbergsteigerin und ausgebildete Yogalehrerin. „Aktives Ausatmen von Kohlenstoffdioxid erhöht den Sauerstoffdruck in den Lungenbläschen. Dadurch erhöht sich die Sauerstoffversorgung im gesamten Organismus.“ Ab etwa 2.500 Meter Höhe reagiert der Körper auf den Sauerstoffmangel mit einem Anstieg der Atemfrequenz. Dann gilt: Die Atemfrequenz regelt den Schrittrhythmus. „Je nach Höhe, Geländesteilheit und Akklimatisationszustand haben sich hier zwei Schrittrhythmen bewährt“, erklärt Alix von Melle. “Ein Schritt Einatmen, zwei Schritte Ausatmen während der Akklimatisationsphase. Oder ein Schritt Einatmen, ein Schritt Ausatmen.“ Ob in der Ebene oder auf Hochtour: Jeder profitiert davon, sich intensiv mit der richtigen Atemtechnik auseinanderzusetzen und sie regelmäßig zu trainieren.

Neue DAV-Videos: Atemübungen für Einsteiger und Fortgeschrittene

2020 startete der Deutsche Alpenverein gemeinsam mit seinem Partner Bergader die Kampagne „Spüre Dich selbst“, die sich für einen gesundheitsorientierten Lebensstil und mehr Achtsamkeit für das eigene Körpergefühl einsetzt. „Bergsport und Atmung“ ist das neue Fokusthema der Kampagne. Gemeinsam mit Petra Zink entstanden in den vergangenen Wochen Atemtechnik-Videos. Das Einsteiger-Video sensibilisiert für die Atmung im Allgemeinen, gibt Tipps für bewusstes Ein- und Ausatmen sowie für die Steigerung des Atemvolumens. Im Spätherbst folgen eine Atemübungseinheit-Einheit für Fortgeschrittene sowie eine neue Folge des Bergpodcasts, in dem Alix von Melle von Atemtechniken und ihrem Einsatz bei schwierigen Bergpassagen erzählt.

Weitere Informationen

  • Das Video „Sanfte Atemtechniken für Einsteiger“, „Schnelle Übungen für unterwegs“ sowie ausführliche Hintergrundinformationen gibt es hier.

  • Bildmaterial zum Thema gibt es in unserer Bilddatenbank Skyfish.

  • Hintergrundinformationen zu der Kampagne „Spüre Dich selbst“, die der DAV gemeinsam mit seinem Partner der Privatkäserei Bergader ins Leben gerufen hat, gibt es hier.

  • Kontakt für Rückfragen: Tina Gauß, Öffentlichkeitsarbeit, 089/14003-251 und tina.gauss@alpenverein.de