Erweiterung des Wasserkraftwerkes Sellrain-Silz
Der Verwaltungsgerichtshof in Wien hat unanfechtbar die Baugenehmigung für das Großprojekt "Erweiterung der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz" erteilt. Der Bau des neuen Pumpspeichers im Längental bei Kühtai ist im vollem Gang. Zusätzlich werden sechs Wildbäche in den Stubaier Alpen durch Wasserfassungen in den Speicher abgeleitet.
Stand: Baubeginn
Im Juni 2020 weist der Verwaltungsgerichtshof in Wien die finalen Revisionen durch ÖAV, DAV und Österr. Umweltdachverband gegen die Baugenehmigung ab. Somit liegt eine höchstgerichtliche Genehmigung für den Ausbau der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz mit Pumpspeicher im Längental und den Ableitungen von Fischbach, Schranbach, Winnebach, Fernaubach, Daunkogelfernerbach und Unterbergbach vor. Diese Baugenehmigung ist nicht weiter anfechtbar, das Vorhaben wird realisiert.
Bereits im Mai 2020 hat die TIWAG mit den vorbereitenden Bauarbeiten für den neuen Pumpspeicher im Längental begonnen. Seit Frühajahr 2021 wird das Längental ausgebaggert und die Staumauer errichtet. Insgesamt wird die Bauzeit mindestens sechs Jahre betragen.
DAV und ÖAV waren seit 2011 in diesem Verfahren mit Parteistellung beteiligt mit dem Ziel dieses Vorhaben zu stoppen.
Im Sommer 2022 ist das Längental eine Großbaustelle. Das Tal wird ausgebaggert und für die Flutung vorbereitet. Stollen werden durch die Berge gebohrt, um das Wasser, das vier Wildbächen entzogen wird, in den Stausee zu leiten.
Gleichzeitig plant die TIWAG weniger als 40 Kilometer entfernt ein weiteres Großprojekt: Das Kaunertalkraftwerk soll ebenfalls ausgebaut werden. Wieder soll ein nahezu unberührtes Hochtal vernichtet, weitere intakte Fließgewässer zerstört werden. Die Umweltschäden in der Region summieren sich, ebenso die durch den Gletscherrückgang ohnehin drohende Wasserknappheit im Ötztal.
Verlauf des Verfahrens
- Juni 2020: Abweisung der Revisionen und Baubeginn. Der Verwaltungsgerichtshof weist die Revisionen ab und die TIWAG startet offiziell mit den Vorbereitungen für den Bau des Pumpspeichers im Längental. Mindestens sechs Jahre lang wird gebaut.
- August 2019: Revision eingereicht bei Verwaltungsgerichtshof gegen Baugenehmigung durch ÖAV, DAV und Österr. Umweltdachverband
- Juni 2019: Baugenehmigung: Bundesverwaltungsgericht gibt wieder grünes Licht
- Dez 2018: Verfahren gestoppt: Verwaltungsgerichtshof in Wien revidiert positiven Bescheid des Bundesverwaltungsgerichts;
- Sept 2017: Revision durch ÖAV und DAV
- Aug 2017: Genehmigung durch Bundesverwaltungsgericht
- März 2017: Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht
- Aug 2016: Beschwerde/Klage (DAV, ÖAV, Landesumweltantwalt) gegen Bescheid der Tiroler Landesregierung an das Bundesverwaltungsgericht. Aufgrund von massiven negativen ökologischen Folgen und unabschätzbaren negativen Folgen für die alternative Tourismuswirtschaft im Stubaital hat der DAV, ÖAV und Umweltdachverband gemeinsam eine Beschwerde (=Klage) eingereicht.
- Jun 2016: Die Umweltverträglichkeitsprüfung wurde positiv abgeschlossen und Genehmigung durch die Tiroler Landesregierung erteilt
- Okt 2014: Mündliche Verhandlung, Innsbruck
Großprojekt vernichtet hochwertige Lebensräume
Durch das Speicherbecken im hinteren Längental werden hochwertige Lebensräume und Habitate sowie Moorflächen in sehr gutem naturkundefachlichem Zustand zerstört. Die geplanten Ableitungen gefährden die letzten naturnahen und freifliessenden Gewässerstrecken in den Stubaier und Ötztaler Alpen.
Das Vorhaben:
- Speichersee im hinteren Längental mit 500 Meter breiten und 100 Meter hohen Staumauer
- Unterirdischer Überleitungsstollen quer durch die Stubaier Alpen: von Kühtai bis ins Stubaier Gletscherskigebiet
- Ableitung von sechs Wildbächen durch Wasserfassungenen: Fischbach, Schranbach, Winnebach, Fernaubach, Daunkogelfernerbach und Unterbergbach
An den Wasserfassungen werden in den Sommermonaten bis zu 80% der Wassermengen aus den betroffenen alpinen Gewässern entzogen und durch den unterirdischen Stollen direkt in den neuen Speichersee geleitet.
Speichersee hinteres Längental | |
Höhenlage | ca. 2.140 m |
Natürliches Einzugsgebiet | 7,6 km² |
Einzugsgebiet aus Beileitungen | 60,4 km² |
Nutzinhalt | 31 Mio. m³ |
Überleitungen | |
Gesamtlänge | 25,5 km |
Vorhaben verstößt gegen Alpenkonvention
- Protokoll Naturschutz: Die Alpenländer haben sich dazu verpflichtet den natürlichen Zustand von Schutzgebieten zu bewahren und die Schutzzwecke zu achten. Das Ruhegebiet Stubaier Alpen hat primär den Zweck die unberührte Natur als Erholungsraum für den Menschen zu erhalten. Dazu gehört u.a. unzerstörte Landschaft sowie intakte Flora und Fauna. Der Verlust der frei fließenden Wildbäche im Ruhegebiet, ist ein Verstoß gegen diese Deklaration.
- Protokoll Tourismus: es sollen alternative Tourismusformen (sanfter Tourismus, naturnaher Tourismus) gefördert bzw. initiiert werden. Mit dem Abzug des Wassers aus einem Großteil des Stubaitals wird der Region eine wichtige Grundlage für den sanften Tourismus entzogen.
Auswirkungen: Ökologie und Landschaft
Die Auswirkungen des Vorhabens sind umfassend und gravierend:
- Wasserfassungen: Massive Verschlechterung des ökologischen Zustands der betroffenen Gewässer unterhalb der Wasserfassungen. Mit dem Abzug von bis zu 80% des Wassers wird der typische Abflussgang modifiziert und Hochwasserspitzen bleiben aus.
- Sanderspülungen (Reinigung der Wasserfassungen von Sedimenten) gefährden Ökologie und Erholungssuchende durch plötzlich auftretende und intensive Wasserstandsveränderungen.
Auswirkungen: Tourismus und Wassersport
- Dem Wildwassersport im Stubaital wird die Existenzgrundlage entzogen: Bernhard Steidl, Gründer der Initiative StubaiWasser.at und der Kajakschule "Source2Sea", zeigt in seinem Video (links) was eine Wasserfassung für den Wildwassersport, Tourismus vor Ort und die alpine Ökologie bedeutet.
- Langfristige Zerstörung des Potentials für naturnahen Tourismus
# 1 - THE RIVER AND THE GULLY (ENG) from Source to Sea on Vimeo.