Illustration eines Bergsteiger-Gottes der 10 Gebote vom Himmel wirft
Braucht es Verhaltensregeln am Berg? Illustration: Georg Sojer
Eine Art Alpin-Knigge!

So geht das: Besser am Berg

Einen Kodex alpiner Verhaltensregeln – braucht es den? Wohnt in den Bergen nicht die Freiheit? Da diese aber ihre natürliche Grenze an der Freiheit der anderen hat, sollten Verbote unnötig sein, wenn man sich wie ein erwachsener, vernünftiger und fairer Mensch verhält. Ein paar Anregungen dazu liefert Max Bolland.

Brauchen die Berge Maßregeln à la Adolph Knigge? Der ist mit seinem Buch „Über den Umgang mit Menschen“ zum Synonym für gutes Benehmen geworden. Anders als bei Knigge geht es im alpinen Raum aber nicht nur um das korrekte Verhalten gegenüber den Mitmenschen, sondern auch gegenüber Flora, Fauna und den Bergen im Allgemeinen. Luis Trenker hat sich dereinst bemüßigt gefühlt, zehn Bergsteiger-Gebote zu lancieren – manches davon ist durchaus heute noch aktuell. Doch sollen an dieser Stelle keine Gebote stehen, sondern lediglich zehn Punkte zur Gedankenanregung, zur Diskussion und vielleicht auch zum Überdenken eigenen Verhaltens!

  1. Die Berge sind mehr als nur Sportgerät – sportliche Ambitionen haben am Berg ihren Platz, doch sollte man nie vergessen, dass wir uns in einem nahezu mystischen Naturraum befinden, in dem die Elemente mitunter ungebändigt auf uns treffen. Neben der sportlichen Betätigung bieten Berge viele andere Erlebnisse: Natur, Kultur, Erdgeschichte, Begegnung mit Menschen.

  2. Die Berge sind Lebensraum – nicht für uns, sondern für viele Pflanzen und Tiere! Wir sind eher ungeladene Gäste, die durch deren Schlaf-, Ess- oder Wohnzimmer poltern. Wie sollten sich Gäste in unserem Haus benehmen?

  3. Macht euch die Berge nicht untertan! Gute Bergsteiger*innen passen sich dem Berg an und sind den Anforderungen gewachsen. Mit technischen Hilfsmitteln das Ziel kleiner und leichter zu machen ist der falsche Weg. In England pflegt man dazu seit dem 19. Jahrhundert den Begriff „by fair means“. Was genau fair ist, liegt auch im eigenen Ermessen. Gebietsspezifische Gepflogenheiten, etwa beim Klettern, gilt es auf jeden Fall zu respektieren!

  4. Kenne dich selbst und deine Fähigkeiten! Beurteile den Berg, die Tour, die Wand, Anforderungen und aktuelle Verhältnisse richtig! Bringe alles in Einklang! Fordere, aber überfordere Dich nicht! Beim Bergsteigen ist es wie beim Treppengehen: Wer zu oft, zu schnell, zu viele Stufen überspringt, wird auf die Schnauze fallen.

  5. Vielfalt respektieren! Die Möglichkeiten, in den Bergen sein Glück zu finden, sind mannigfaltig. Bei der beschaulichen Wanderung wie in steilster Felswand, ob mit Schneeschuh, Ski oder Snowboard, ob zu Fuß oder auf zwei Rädern – Vorlieben gibt es viele. Hingegen gibt es keinerlei Indiz dafür, dass die eine oder andere Herangehensweise per se besser oder überlegen ist. Arroganz anderen gegenüber ist nicht angebracht.

  6. Nicht für alle sind die Berge zum Freizeitvergnügen da: Für Almbauern, Hüttenwirtsleute und Bergführer*innen sind sie Ort ihrer Arbeit und ihres Broterwerbs. Rücksicht nehmen ist nie verkehrt: Almbauern sind dankbar, wenn man sich auf ihren Weiden nicht wie eine menschliche Version ihrer Weidetiere verhält. Hüttenwirtsleute freuen sich, wenn man nicht mit überzogenen Ansprüchen wie im Hotel an sie tritt. Bergführer*innen sind froh, wenn man sie bei ihrer oft stressigen Arbeit möglichst wenig behindert. Und wie so oft gilt ganz allgemein: Miteinander reden hilft viel!

  7. Ressourcen schonen gilt in den Bergen besonders! Wasser ist auf Hütten kostbar und meist nur dank großen Aufwands vorhanden. Vielleicht mal die Dusche durch den Waschlappen ersetzen? Speisen und Getränke sind nur durch hohen (Energie-)Aufwand erhältlich – ein verschwenderischer Umgang damit fast Sünde. Strom ist auf Hütten ein wertvolles Gut – überdenke, was an Elektrogeräten on tour „unverzichtbar“ ist!

  8. „Die Berge sind stumme Lehrmeister und erziehen schweigsame Schüler“ (J. W. Goethe)! Nun gut, nicht jeder ist ein guter Schüler … oder frei nach Trenker: Die Gipfelruhe zu rauben, ist genauso wenig okay wie Schuhe, Steigeisen oder Pickel zu klauen. Dazu gehört in der Jetzt-Zeit auch ein mäßiger Umgang mit mobilen Endgeräten, I-Pods, Drohnen etc. am Berg. Braucht's das Live-Telefonat „from the top“ oder den Gipfel-Post wirklich? Braucht's die musikalische Berieselung auch auf Tour? Verpasst man nicht den natürlichen „sound“ der Berge – und wenn es nur der Klang der Stille ist?

  9. Für bergsteigerische Leistungen gibt es in der Regel keinen Schiedsrichter, ja noch nicht mal ein wirklich objektives Bewertungssystem. Es ist der eigenen Ehrlichkeit anheim gestellt, sich und seine Leistungen möglichst wahrheitsgemäß darzustellen. Übertreiben und prahlen ist weder schön noch angebracht!

  10. Rettet die Welt für die Menschheit! Der Klimawandel ist das größte Problem unserer Zeit – auch wenn es ein paar wenige ewig verbohrt Gestrige immer noch nicht wahrhaben wollen. Seine Vorboten sind in den Bergen bereits sichtbar. Sich mit dem Bonmot „Bergsport ist Motorsport“ zufrieden zu geben, ist angesichts dessen vielleicht doch zu wenig. Wie wär's, mal auf Kurztrips zu fernen Zielen zu verzichten? Bahn oder Bus zu nutzen oder das Auto möglichst voll zu machen? Mit etwas Phantasie findet man das Abenteuer „Berg“ auch vor der Haustür.

Ob es diesen „Kodex“ braucht, bleibt unbeantwortet. Ob es gewisse Formen menschlicher Verhaltensweisen am Berg und im Tal braucht, ebenso. Eines ist jedenfalls sicher: Die Berge brauchen nicht den Menschen, aber der Mensch die Berge!

Tipps:

Respekt,

Rücksicht,

Bescheidenheit!

So einfach könnte es sein!

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