Bergsport mit Behinderung? Das geht!

Inklusive Sektionsangebote ermöglichen Menschen mit Behinderung, sich Barrieren zu stellen und sie zu überwinden. Foto: DAV/Hans Herbig

Seit rund zehn Jahren gibt es in den über 350 DAV-Sektionen Vereinsgruppen, die mit viel ehrenamtlichem Engagement Inklusionsarbeit leisten. „Nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention 2009, die die Chancengleichheit und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in der Gesellschaft als elementare Ziele benannte, vollzog sich auch im Bereich der Sportverbände ein Perspektivenwechsel“, erzählt Stefan Winter, Ressortleiter Sportentwicklung beim DAV und verantwortlich für das Thema Inklusion und Integration. Das gewachsene Bewusstsein für Menschen mit Behinderung und ihre Bedürfnisse führte auch beim DAV zu einem verstärkten Engagement. „Es war klar, dass wir Rahmenbedingungen verbessern und gleichzeitig die Menschen ermutigen müssen, dass Bergsport mit einer Behinderung möglich ist“, erklärt Stefan Winter. Dass der Bergsport besonders geeignet ist, Barrieren zu überwinden, liegt in seinen Wesenszügen. „Barrieren gehören zum Bergsport dazu, sei es das Bergsteigen auf eisigen Wegen oder das Klettern an steilen Felswänden. Nicht zuletzt verleihen sie dem Sport auch seinen besonderen Reiz“, weiß Stefan Winter. „Man will Grenzen überwinden und an neuen Herausforderungen wachsen.“ Inklusive Sektionsangebote setzen genau hier an: Sie ermöglichen Menschen mit Behinderung, sich Barrieren zu stellen und sie zu überwinden. Und das, was im Bergsport gelernt wird, kann dann auf den Alltag übertragen werden.

Inklusiver Bergsport: Die Angebote des Bundesverbands und der Sektionen

Vor allem im breitensportlichen Klettern gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Sektionsangeboten. Um inklusive Kletterangebote in den Sektionen zu ermöglichen, bieten DAV und JDAV die Ausbildung zum „Trainer C Klettern für Menschen mit Behinderung“ an, die Trainer*innen zur Betreuung und Leitung von Kursen befähigt. „Mittlerweile haben viele unserer Sektionen inklusive Angebote für Kinder wie für Erwachsene im Programm“, freut sich Stefan Winter. „Ob „hoch hinaus“ in Wiesbaden, die „ParaVertikalen“ in Augsburg oder die „Fledermäuse“ in Bad Tölz.“ In Kletterhallen werden spezielle Routen geschraubt, um Menschen mit Behinderung das Erreichen der Griffe und Tritte zu erleichtern, Boulderrouten können zusätzlich mit Seil abgesichert werden. Auf Leistungssportebene nahmen schon 2011 DAV-Athlet*innen an den ersten internationalen Paraclimbing-Wettkämpfen teil. „Seit 2015 gibt es mit Christoph Reichert einen Trainer und festen Ansprechpartner für wettkampforientierte Kletter*innen mit Beeinträchtigungen“, erzählt Stefan Winter. „Nachholbedarf gibt es dennoch, da zum Beispiel einige Hütten und Kletterhallen nicht barrierefrei zugänglich sind.“ Um den Auf- und Ausbau einer inklusiven Bergsportlandschaft innerhalb des Verbands zu beschleunigen, wird derzeit eine ehrenamtliche Referentenposition innerhalb des Bundesverbandes geschaffen. Mit ihr wird es künftig eine offizielle Ansprechperson für die Sektionen geben, die neben repräsentativen Aufgaben auch inklusive Belange in den Gremien vertreten wird.

Miteinander wandern und sich dabei unterstützen. Foto: DAV/Hans Herbig

Auf das Miteinander kommt es an: mItklettern in München

Eine Möglichkeit, miteinander auf Augenhöhe zu klettern, bietet das Inklusionsprojekt „mItklettern“ der Sektion München. Ziel des Projekts ist es, gleichberechtigte Seilschaften von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zu schaffen. Wöchentlich finden sowohl inklusive Kindergruppen als auch Klettertreffs für Erwachsene statt, die von sechs qualifizierten Trainer*innen betreut werden. „Die erste Herausforderung war, den Begriff Inklusion wirklich zu verstehen, um ihn dann auch umsetzen zu können“, erzählt Projektleiterin Marlies Urban-Schurz. „Es geht eben nicht nur darum, Menschen mit Behinderung die Möglichkeit zu bieten, zu klettern, sondern ein Miteinander für Menschen mit und ohne Behinderung zu schaffen“. Das bedeutet, dass Kletter*innen ohne Behinderung nicht nur die Sicherung übernehmen, sondern selbst ihre sportlichen Ziele umsetzen können. „Realisierbar sind solche Inklusionsprojekte natürlich nur durch das tatkräftige Engagement der Trainer*innen und Ehrenamtlichen“, erklärt Marlies Urban-Schurz. Im Fall von mItklettern zudem durch einen Projektetat der Sektion München und Förderzuschüssen der Gemeinde Gilching und der Aktion Mensch.

Im Sparkassendome Neu-Ulm. Foto: DAV/Thilo Brunner

Grenzen überschreiten: Das DAV-Projekt Peaks of Balkan

Grenzen überschreiten und sich gegenseitig dabei unterstützen. Das ist das Motto der inklusiven Trekkinggruppe, die sich im Rahmen des DAV-Projekts „Peaks of Balkan“ auf eine Mehrtagestour durch das Dreiländereck Albanien-Montenegro-Kosovo vorbereitet. Dafür unternahm die Gruppe bereits Wanderungen im Mangfallgebirge, im Taunus und entlang des Goldsteigs im Bayerischen Wald. Die langen Etappen brachten einige an ihre Grenzen. „Wer wann und wieviel unterstützen kann oder selbst Hilfe braucht, das sortiert sich allerdings nicht danach, wer eine Behinderung hat“, erzählt Sascha Mache, Trainer für Hochtouren und inklusiven Bergsport, der gemeinsam mit der Erlebnispädagogin Christiane Werchau das Projekt leitet. „Eine Teilnehmerin braucht mit ihrem eingesteiften Arm Hilfe, um den Rucksack aufzusetzen, sie trägt dafür Gepäck für andere“. Am Ende sind alle über sich hinausgewachsen. Und es stand nicht mehr die Behinderung im Vordergrund, sondern die Begabung und Fähigkeiten des Einzelnen.

Service für die Presse