Erhalt uner­schlossener Räume

Alpine Natur-, Landschafts- und Lebensräume für die Zukunft bewahren: eine Kernaufgabe des DAV als Naturschutzverband. Foto: DAV/Franz Güntner

Die Alpen sind jetzt schon das am stärksten erschlossene und wirtschaftlich genutzte Hochgebirge der Welt. In einem engen Mosaik grenzen intensiv genutzte Siedlungs- und Wirtschaftsräume, Verkehrsflächen, Transitachsen und Skigebietsflächen an weltweit einzigartige alpine Landschaftsräume, Naturräume und Ökosysteme. Diese verbliebenen, technisch unerschlossenen alpinen Naturräume und Ökosysteme sind aber weiterhin unter Druck. Durch den Klimawandel wandern Vegetationszonen in die Höhe, Lebensräume in der Höhe werden knapper. Gleichzeitig dringen wir Menschen weiterhin technisch in diese alpine Wildnis vor, z.B. durch weitere Skigebietserweiterungen und Seilbahnerschließungen, (Forst-)Straßenbau oder große Kraftwerksprojekte.

Intakte alpine Naturräume und Ökosysteme sind unverzichtbar wertvoll für die zukünftige Entwicklung des Alpenraums:

  • Biodiversitätskrise meistern - Die Alpen sind ein Hotspot der Biodiversität: An kaum einem anderen Ort findet man auf engstem Raum eine ähnlich hohe Dichte an Lebensräumen von teils bedrohten Tier- und Pflanzenarten wie im Alpenraum. Durch den Klimawandel, Erderwärmung und weitere Erschließungen werden vor allem die Lebensräume für kälteliebende Tiere und Pflanzen im Hochgebirge knapper. Die Bewahrung unerschlossener Räume ist daher ein elementarer Beitrag zur Bewältigung der globalen Biodiversitätskrise.

  • Klimawandel stoppen - Klimakrise meistern: Ohne die Biodiversität zu erhalten, wird es schwierig, das Klima zu retten. Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen sorgen für sauberes Wasser, frische Luft und fruchtbaren Boden zum Anbau gesunder Nahrungsmittel. Vitale Böden sind enorm wichtige Wasser- und Kohlenstoffspeicher und ein natürlicher Puffer gegen Trockenheit und Hochwasser. Intakte Naturräume und Ökosysteme sind die effektivsten natürlichen Kohlestoffspeicher, die wir auf dem Planeten besitzen. Moore und alpine Böden sind Kohlenstoffsenken und speichern effektiv und dauerhaft große Mengen an CO2. Ohne die natürlichen Kohlenstoffspeicher wird der Klimawandel nicht aufzuhalten sein. Diese Lebensräume haben es schwer genug und müssen sich langfristig an höhere Temperaturen und veränderte Niederschläge anpassen. Was nur gelingen kann, wenn sie noch intakt sind.

  • Erholung in der Natur - die Zukunft für einen naturverträglichen Tourismus: intakte Natur- und Landschaftsräume sind das Zukunftskapital für einen naturnahen, ressourcenschonenden und langfristig funktionierenden Tourismus.

Als anerkannter Naturschutzverband bezieht der DAV hier klare Position: Die Bewahrung dieser Naturräume für die Zukunft der Alpen ist Kernaufgabe des DAV.

Unsere Handlungsfelder und Positionen

Technische Erschließungen beenden

Unerschlossene Räume und Wildnisgebiete raumplanerisch sichern

Bergwald und alpine Lebensräume erhalten

Naturnahe Gewässer erhalten und aufwerten

Siedlungsentwicklung lenken und Zersiedelung der Landschaft verhindern

Forst- und almwirtschaftlichen Straßenbau beschränken, Nutzung regeln und kontrollieren

Schutzflächen vernetzen und weiterentwickeln

Schutzwürdige Gebiete ankaufen oder pachten

Natur- und Landschaftsschäden durch Ausgleichsmaßnahmen kompensieren

Es geht aber auch darum, Regeln für naturverträglichen Bergsport zu kommunizieren oder nachhaltigen Tourismus zu fördern. Damit wir die Natur auch künftig genießen und uns frei, aber verantwortungsvoll, in den Bergen bewegen können, fordert DAV-Vizepräsident Wolfgang Arnoldt:

Wolfgang Arnoldt ist Vizepräsident des DAV und bringt die Themen Natur und Umwelt im Bundesverband voran. Foto: Tobias Hase

„Aufklären statt verbieten sollte die Devise sein“

Der DAV setzt sich als anerkannter Naturschutzverband für eine nachhaltige und naturverträgliche Entwicklung des Alpenraums ein. Gleichzeitig gesteht er als Bergsportverband allen die Freiheit zu, sich eigenverantwortlich in den Bergen zu bewegen. Wie passt das zusammen?

Wolfgang Arnoldt: Unsere Mitglieder haben eine große Leidenschaft: Sie lieben die herrliche Bergwelt. Dies wollen wir ihnen nicht absprechen. Denn mit jedem Tag in den Bergen erwächst aus dieser Liebe bei vielen die Einsicht, wie wichtig naturverträgliches Verhalten ist. Dafür vermitteln wir in unseren Kursen und Medien die notwendigen Kompetenzen. Naturverträglicher Bergsport kommt jedoch an seine Grenze, wenn alle meinen, vermeintlich attraktive Gebiete aufsuchen zu müssen. Deshalb werden lokale Versuche der Besucherlenkung erprobt.

Aber Besucherlenkung bedeutet doch gerade, dass sich Menschen in bestimmten Ecken besonders tummeln. Und das soll Naturschutz sein, werden sich jetzt sicher viele fragen. Kannst du das für uns nochmal einordnen?

Wolfgang Arnoldt: Naturgenuss und Naturzerstörung liegen oft recht nah beieinander. Uns allen fallen hierzu Bilder ein, wobei die Probleme von Müll über Menschenmassen vielschichtig und zahlreich sind. Gerade hier greift die Besucherlenkung ein und wird als Instrument für – und nicht gegen – den Naturschutz immer wichtiger. Wir wollen Menschen nicht vom Naturerlebnis fernhalten, sondern sie zum Beispiel an besonders sensiblen Bereichen vorbei leiten. So kann ein Bohlenweg im Moor lenkende Funktion entfalten. Besucherlenkung beinhaltet aber nicht nur die Freizeit- und Wegeinfrastruktur, etwa durch abgestimmte Wegenutzung. Zur Besucherlenkung gehören auch Informationen im Vorfeld (z. B. Tourenvorschläge), Aufklärung vor Ort (z. B. Rangerkontakt) oder begleitende Infrastruktur (z. B. Abfalltütenspender auf Hütten). Aufklären statt verbieten sollte die Devise sein.

Dann sind die „Menschenmassen“, die mir am Wochenende zum Beispiel an der Rotwand begegnen, also mehr ein Egoproblem als eins für die Natur?

Wolfgang Arnoldt: Teils teils. Jedenfalls wenn die Leute, die da unterwegs sind, sich an die üblichen „Regeln“ am Berg halten. Also erstmal klimafreundlich anreisen (möglichst mit Öffis), auf den Wegen bleiben, Müll mit ins Tal nehmen, keine Pflanzen pflücken, Wildtiere nicht stören usw. Es gilt nur einen Grundsatz zu beherzigen: Jede*r sollte die Natur als Partner betrachten, dem ich nichts Böses will, dann sind „Menschenmassen“ tatsächlich oftmals eher ein Problem für uns Menschen als für die Natur.