Im Herbst 2024 wurde im Bundesverband des DAV eine Gefährdungsanalyse mit dem Schwerpunkt Prävention sexualisierter Gewalt (PsG) durchgeführt. Warum dies gemacht wurde und was die Ergebnisse sind, ist hier nachzulesen.
Grundlegendes zur Gefährdungsanalyse
Was ist eine Gefährdungsanalyse?
Eine Gefährdungsanalyse (oder Risikoanalyse) hat das Ziel, die Schutz- und Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt einer Organisation aufzudecken und besser zu verstehen. Sie stellt Fragen wie „Welche Strukturen und Situationen erhöhen die Gefahr, dass sexualisierte Gewalt ausgeübt werden kann?“. Die Gefährdungsanalyse wird oft als Ausgangspunkt für Schutzprozesse genutzt, um aus den gewonnenen Erkenntnissen gezielt geeignete Schutzmaßnahmen entwickeln zu können.
Warum hat der Bundesverband von DAV und JDAV eine Gefährdungsanalyse durchgeführt?
Der Bundesverband hat bereits viele Maßnahmen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt ergriffen, besonders für Kindern und Jugendliche, die besonderen Schutz bedürfen. Außerdem möchte der Bundesverband dafür sorgen, dass sich junge sowie erwachsene Menschen im Verein sicher fühlen. Damit Lücken geschlossen können und weitere Maßnahmen gezielt ergriffen werden können, wurde eine Gefährdungsanalyse durchgeführt.
Wer hat die Gefährdungsanalyse durchgeführt?
Die Analyse wurde von Lea Würz durchgeführt. Sie ist nicht im Bundesverband angestellt, hat also eine unabhängige Sicht „von außen“ auf den Bundesverband. Gleichzeitig kennt sie den DAV und die JDAV durch ihre ehrenamtliche und hauptberufliche Arbeit in ihrer Sektion sehr gut und konnte somit gezielter vorgehen.
Wie wurde die Gefährdungsanalyse durchgeführt?
Die Gefährdungsanalyse wurde im Herbst 2024 durchgeführt. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Analyse durchzuführen, z.B. mit Fragebögen oder Ortsbegehungen. Für den Bundesverband wurden Interviews mit verschiedenen Personen geführt, die unterschiedliche Positionen und Perspektiven auf den Bundesverband haben. Auch Personen, die mit dem Bundesverband zu tun haben, aber nicht durch ihn angestellt sind, wurden befragt. Dadurch ergab sich ein breites Bild.
Was wurde dabei betrachtet?
Die Gefährdungsanalyse wurde in verschiedene Betrachtungs-Schwerpunkte Bereiche gegliedert: Personalverantwortung, Gelegenheiten, räumliche Situationen, Entscheidungsstrukturen, Potenzialbetrachtung und die Täter*innen-Perspektive. Diese Bereiche wurden auf die verschiedenen Strukturen, Ebenen und Örtlichkeiten des Verbands angewandt.
Was sind die Ergebnisse der Gefährdungsanalyse?
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass der DAV Bundesverband bereits umfassende Maßnahmen im Bereich PsG ergriffen hat. Dennoch gibt es in einigen Bereichen Verbesserungspotenzial, zum Beispiel in der Kommunikation der Angebote in alle Ebenen des Alpenvereins, der Sensibilisierung und der Weiterentwicklung einer Kultur des Hinschauens in allen Bereichen des Verbands. Eine Zusammenfassung der Erkenntnisse für jeden einzelnen Schwerpunkt ist hier zu finden:
Ergebnisse der Gefährdungsanalyse
Personalverantwortung
Die Gefährdungsanalyse hat gezeigt, dass im Bereich Personalverantwortung bereits einige Maßnahmen ergriffen werden (beispielsweise Einsichtnahme erweiterter Führungszeugnisse, Teilnahme an Fortbildungen für die PsG-Ansprechpersonen, Workshops zur Sensibilisierung von hauptberuflichen Mitarbeitenden und Gremienmitgliedern im DAV-Bundesverband, Workshops für (Lehr-)Teamer*innen in DAV und JDAV).
Gleichzeitig hat sich gezeigt, dass zusätzliche Regelungen in bestimmten Bereichen (z.B. bei Bewerbungsverfahren) hilfreich sein können, um das Thema PsG institutionalisiert einzubinden. Es wurde zudem deutlich, dass Regelungen, die bereits bestehen, nicht immer allen bekannt sind und im Bereich Kommunikation nachgebessert werden kann.
Gelegenheiten
Es ist deutlich geworden, dass verschiedene Abhängigkeits- oder Machtverhältnisse innerhalb des Verbandes bestehen. Dabei haben sich vor allem folgende Abhängigkeiten aufgetan:
Ehrenamtliche Gremien und Hauptberuf
Führungskräfte und Mitarbeiter*innen
Ausbilder*innen und Teilnehmende
Teamer*in und Teilnehmende
Abhängigkeits- und Machtverhältnisse können entstehen durch:
Hierarchien, die teilweise durch Anstellungsverhältnis entstehen oder durch Strukturen
Prüfungssituationen, die entscheiden, ob eine Person die Prüfung besteht oder nicht
Wissensvorsprung und / oder Altersunterschied
Die Arbeit des DAV/der JDAV ist geprägt von Vertrauen und persönlichem Miteinander, was die Arbeit und Kultur ausmacht. Hier ist es wichtig, dass das Bewusstsein für die Verhältnisse besteht, sich jede*r seiner Rolle bewusst ist und ein sensibler Umgang gepflegt wird. Darüber hinaus ist es wichtig, dass eine Kultur des Hinschauens nicht nur erwartet, sondern auch gelebt wird.
Räumliche Situation
Die Räumlichkeiten des DAV/der JDAV sind extrem vielfältig und können unterschieden werden zwischen DAV-eigene Räume und Räume, die für (J)DAV-Veranstaltungen genutzt werden. Bei DAV-eigenen Räumen konnten keine spezifischen Orte identifiziert werden, die Übergriffe vereinfachen. Dennoch ist dies nicht auszuschließen. In der Bundesgeschäftsstelle sind sehr gute Schutzbedingungen vorhanden. Die Räume sind überall einsehbar und gewähren trotzdem Rückzug.
Besprechungsräume in der Jugendbildungsstätte Hindelang sind nur vom Balkon aus einsehbar. Sollten hier Umbaumaßnahmen anstehen, empfiehlt es sich bei Freizeit- und Schulungsräumen entsprechende Einsichtsmöglichkeiten vom Gang einzuplanen.
Bei Veranstaltungen, die in externen Räumlichkeiten stattfinden, besteht keine Möglichkeit Einfluss auf die baulichen Gegebenheiten zu nehmen. Ratsam ist, sich mit den Räumlichkeiten auseinanderzusetzen und entsprechende Schutzmechanismen/-konzepte zu erarbeiten. Dies gilt vor allem bei Veranstaltungen, an denen überwiegend Kinder und Jugendliche teilnehmen.
Entscheidungsstrukturen
Hier zeigte sich, dass es eine klare Rollen-/Aufgabenverteilung gibt und Entscheidungsstrukturen kommuniziert werden, diese jedoch nicht immer für alle im Verband ersichtlich sind. Je weniger Kontaktpunkte eine Person zum Bundesverband hat, desto kleiner ist die Einsicht in die Strukturen. Deutlich wird auch, dass Informationen zu Entscheidungsstrukturen und weiteren Informationen aus dem Bereich PsG (z.B. auf der Website) zwar vorhanden sind und bereitgestellt werden, jedoch durch die Dichte an Informationen im/aus dem Bundesverband ein Hindernis darstellen kann. Hier besteht in der Kommunikation noch Verbesserungspotential. Kommunikations- und Feedbackkultur ist ein Bereich, der sehr unterschiedlich wahrgenommen wird. Hervorzuheben ist aber, dass sich bereits Verbesserungen in der Kultur zeigen.
Beschwerdemöglichkeiten sind im Verband vorhanden. Diese existieren auf zwei Ebenen. Zum einen intern für die Mitarbeitenden (Betriebsrat, PsG-Ansprechpersonen, Führungskräfte) und zum anderen für Sektionen sowie Betroffene (PsG-Ansprechpersonen, externe Beratungsstellen). Auch hier ist kontinuierliche Kommunikation wichtig, um die Kontaktstellen bekannt zu machen.
Krisenpläne, die den Ablauf in bestimmten Situationen regeln, sind vorhanden und den entsprechenden Personenkreisen zugänglich. Dabei handelt es sich nicht nur um den PsG Interventionsleitfaden, sondern auch um Leitfäden anderer Krisenbereiche, die eintreten können.
Potenzialbetrachtung
In der Potenzialbetrachtung werden die bereits bestehenden Schutzmechanismen erfasst und bewertet. An dieser Stelle zeigte sich, dass vor allem eine flächendeckende Kultur des Hinschauens und der Sensibilität geschaffen werden muss, so dass sich Menschen nicht hinter Strukturen oder Unwissenheit verstecken können. Sobald das Thema kein Tabuthema ist und Aufmerksamkeit bekommt, steigt das Schutzpotential, auch wenn ein Restrisiko bleibt.
In DAV und JDAV gibt es bereits eine Vielzahl an Maßnahmen, die unterschiedlich eingesetzt und genutzt werden. Teilweise herrscht Unwissenheit in den verschiedenen (Geschäfts-)Bereichen, was in anderen Bereichen bereits umgesetzt wird. Hier sind ein engerer Austausch und Abstimmung notwendig, damit Maßnahmen aus einzelnen Bereichen bekannt werden und ggf. auf andere Bereiche übertragen werden können.
Um Maßnahmen zu kommunizieren und Sensibilität dafür in den Verband zu tragen, sollte auf starke Multiplikator*innen gesetzt werden. Hier sind die Lehrteams von DAV und JDAV zu nennen, die als Wissens- und Kompetenzträger*innen stark in den Verband hineinwirken können.
Täter*innen-Perspektive
In diesem Bereich wurden „klassische“ Täter*innen-Strategien genannt, die auch im DAV/der JDAV angewandt werden könnten. Hierzu zeigt sich, dass eine möglichst breite Sensibilisierung im Verband notwendig ist, um solche Strategien erkennen zu können.
Von den Interviewpartner*innen wurde angemerkt, dass das Thema PsG zu oft nur in der Jugend verortet wird. Hier ist es wichtig deutlich zu machen, dass das Thema den gesamten DAV betrifft, nicht nur die JDAV. Diese Denkweise könnte von potentiellen Täter*innen ausgenutzt werden, wenn Schutzmechanismen außerhalb der Jugend nicht zum Tragen kommen.
Wie geht es weiter?
Die Arbeitsgruppe PsG im Bundesverband hat die Ergebnisse gebündelt und wird sie in die Maßnahmen einplanen. Zum Beispiel ist eine bessere Kommunikation des Themas in alle Lehrtrams geplant. Außerdem sollen Materialien und Informationen schrittweise von der Zielgruppe Kinder und Jugendliche auch für die Arbeit mit Erwachsenen erweitert werden.