DAV und ÖAV kritisieren Umweltverträglichkeitserklärung zum Ausbau des Kraftwerks Kaunertal

- Der Deutsche Alpenverein (DAV) und der Österreichische Alpenverein (ÖAV) haben im Rahmen der laufenden Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zum geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal eine gemeinsame Stellungnahme eingereicht. Aus Sicht der beiden Alpenvereine weist die von der TIWAG vorgelegte Umweltverträglichkeitserklärung erhebliche Defizite und fachliche Mängel auf.

Dieses Projekt wird mit dem Etikett Klimaschutz versehen, zerstört aber zugleich eines der größten intakten Moorbiotope der Alpen – eine der wertvollsten CO₂-Speicherlandschaften überhaupt. Das ist ein fundamentaler Widerspruch. Wir fordern, dass die Bewertung nach aktuellem Stand der Wissenschaft erfolgt und endlich auch umweltverträglichere Alternativen ernsthaft geprüft werden
- Wolfgang Arnoldt, Vizepräsident des DAV

Auch Valerie Braun, Vizepräsidentin des ÖAV unterstreicht die Kritik „Der geplante Ausbau des Kraftwerks Kaunertal würde empfindliche alpine Lebensräume unwiederbringlich zerstören. Besonders das Platzertal ist von herausragender Bedeutung für den Schutz der Biodiversität, da es eine Vielzahl gefährdeter Tier- und Pflanzenarten beherbergt. Als Alpenverein sehen wir es als unsere Pflicht, auf diese Risiken hinzuweisen und eine objektive Auseinandersetzung mit den Folgen einzufordern“. 

Zentrale Kritikpunkte an der Umweltverträglichkeitserklärung 

  • Verharmlosung der Eingriffe in Ökosysteme: Der geplante Stausee würde einen großflächigen Moor- und Feuchtgebietskomplex dauerhaft zerstören – ein einzigartiger Lebensraum und wichtiger CO₂-Speicher. Die vorgelegten Gutachten stufen die Sensibilität der Lebensräume und die Eingriffsintensitäten systematisch zu niedrig ein. Ersatzmaßnahmen können die Verluste nicht ansatzweise kompensieren. 

  • Unzureichende Alternativenprüfung: Umweltverträglichere Alternativen für die Energiewende - wie innovative Speichertechnologien und Effizienzsteigerungen bei bestehenden Anlagen - werden nicht ernsthaft geprüft. 

  • Projektaufteilung („Salamitaktik“): Die ursprünglich vorgesehenen Wasserableitungen aus dem Ötztal in den Gepatschstausee wurden in ein separates Verfahren ausgelagert. Damit besteht die Gefahr, dass die Gesamtauswirkungen nicht ganzheitlich geprüft werden – entgegen den Vorgaben des UVP-Gesetzes. 

  • Klimawandelfolgen vernachlässigt: Die Gutachten beruhen auf veralteten Daten und ignorieren zentrale Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte. Gletscherdaten von 2017 blenden die extremen Veränderungen der jüngsten Jahre aus. Der Gepatschferner hat allein in der Messperiode 2023/24 104 Meter an Länge verloren. Zusammenhänge zwischen Gletscherschwund, Erwärmung des Permafrosts und zunehmenden Naturgefahren (Bergstürze, Flutwellen, Murgänge) werden nicht berücksichtigt. 

  • Fragwürdige Klimabilanz: In den Berechnungen fehlen grundlegende Emittenten wie Baumaterialien und der Verlust des Moor-Ökosystems als natürlicher CO₂-Speicher. Damit wird das CO₂-Einsparpotential deutlich überschätzt und durch die Projektfertigstellung frühestens 2035 wird das Vorhaben nicht zur Erreichung der anvisierten Klimaneutralität 2040 Tirols beitragen.  

  • Beeinträchtigung von Tourismus und lokaler Bevölkerung: Der Verlust des Platzertals würde eine einzigartige Landschaft und einen wichtigen Rückzugsraum für sanften Tourismus unwiederbringlich zerstören. Statt Naturerlebnis blieben eine jahrelange Großbaustelle, ein Stausee und eine industrialisierte Kulturlandschaft zurück. Damit verliert die Region an Attraktivität für Gäste – und die lokale Bevölkerung an Lebensqualität. 

Die einzigartige und unberührte Natur im Platzertal, Foto: DAV/Franz Güntner

Einordnung: Mammutprojekt mit weitreichenden Folgen 

Der Ausbau des Kraftwerks Kaunertal zählt zu den größten Wasserkraftvorhaben der letzten Jahrzehnte in den Alpen. Vorgesehen ist unter anderem die Flutung des Platzertals durch einen rund 120 Meter hohen Staudamm, der einen Speichersee von etwa 120 Hektar entstehen lassen würde. Die Unterlagen umfassen mehrere tausend Seiten. Im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung konnten in Österreich anerkannte Umweltorganisationen - darunter der DAV - ihre Einwände bis 12. September einreichen. Für die Bearbeitung der mehreren tausend Seiten an Plänen und Fachgutachten zur Einschätzung der Eingriffe, hatten die Expert*innen beider Alpenvereine sechs Wochen Zeit zur Bearbeitung.  

Bis November werden die Einwände von der Tiroler Landesregierung behandelt. Eine mündliche Verhandlung zwischen Antragsteller, Behörde und Umweltorganisationen ist für das Frühjahr 2026 angesetzt. 

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