Von den Widrigkeiten der frühen Hochgebirgsfotografie

Das Mont-Blanc-Album von Dr. Wilhelm Pitschner, 1861

"Du drückst den Knopf, wir machen den Rest", lautet 1893 der Werbespruch der Firma Kodak. Mit der Erfindung des Rollfilms wurde die Fotografie von einem Medium für spezialisierte Handwerker und Künstler zum Freizeitspaß für Amateure. Von diesen Bedingungen konnten die frühen Hochgebirgsfotografen nur träumen.

Mont-Blanc-Album von Dr. Wilhelm Pitschner, 1861. Foto: Archiv des DAV

Fotografieren im Hochgebirge ist heute ein Kinderspiel. Man zückt das Handy, einige haben noch einen Fotoapparat dabei, klickt auf den Auslöser und schon hat man sein gestochen scharfes Gipfelfoto. Sobald man wieder im Netz ist, kann man es mit allen teilen. In den seltensten Fällen werden noch Abzüge angefertigt.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts stellte das Hochgebirge die frühen Bergfotografen vor große Herausforderungen. Damals wurden im „Nassen Kollodium-Verfahren“ Glasplatten als Trägermaterial verwendet, die vor Ort per Hand mit einer chemischen Lösung beschichtet und lichtempfindlich gemacht werden mussten. Sie wurden noch im nassen Zustand belichtet und mussten vor Ort in einer Dunkelkammer fixiert und gewässert werden. Für jedes Foto bedurfte es einer langen Vorbereitungszeit. Schnappschüsse waren undenkbar. Die Aufnahmen wurden dementsprechend eher komponiert. Zudem war die Belichtungszeit extrem lang. Dies wird besonders bei Gruppenfotos deutlich: Kinder und Tiere sind meist verwackelt. Schnappschüsse waren nicht machbar.

Die Glasplatten, die Chemikalien, die Kamera und das Stativ mussten auf den Berg gebracht werden. Maultiere und Träger konnten stolpern und die Glasplatten beschädigen. Staub, Insekten, Feuchtigkeit und Kälte setzten dem empfindlichen Material zu. Zudem benötigte man geeignetes Wasser. In den Höhenlagen sorgte der Wind bei der langen Belichtungszeit für Verwacklungen und unscharfe Bilder. Manchmal musste bei Expeditionen im Hochgebirge das schwere Stativ von zwei Mann gehalten werden. Außerdem konnte der Wind die Planen des Zeltes, das als Dunkelkammer verwendete wurde, öffnen und Licht hereinlassen.

Film verdrängt Stereofotografie 

Bereits 1859 hatte der Berliner Geograph und Alpinist Dr. Wilhelm Pitschner eine wissenschaftliche Expedition zum Mont Blanc geführt. Für seinen Reisebericht: Der Mont-Blanc: Darstellung der Besteigung desselben am 31. Juli, 1. und 2. August 1859 aus dem Jahr 1860, ließ er noch Lithografien von Carl Ullrich nach seinen Beschreibungen zur Illustration anfertigen.

Bei der Zweiten Expedition 1861 nahm er bereits eine Stereokamera mit zwei Objektiven mit. Damit konnte man einen räumlichen Eindruck vermitteln. Der Betrachter der Aufnahmen konnte diesen Effekt mit einem entsprechenden Stereoskop herstellen. Pitschner gilt mit dieser Technik, die in den 50er Jahren des 19. Jh. entwickelt und speziell in der Reisefotografie immer beliebter wurde als Pionier. Aufgrund des höheren technischen Aufwands hat sich die Stereofotografie jedoch nie dauerhaft durchgesetzt und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Film verdrängt.

Eine Karawane aus 45 Mann, darunter vier Führer brachten 1861 Pitschner und seine physikalischen Instrumente und photographischen Apparate auf das Grand Plateau am Mont Blanc. Dort campierte er 16 Tage in einer Höhe von ca. 4000 Meter in einem Zelt und betrieb Studien unter anderem auf dem Gebiet der Physik, Astronomie, der Meteorologie und der Gletscherkunde.

Während seiner Expedition fertigte er lediglich 20 Fotografien an. Beim Abstieg über den Gletscher wurden vier Glasplatten zertrümmert. Solche Verluste waren damals nach Pitschner unvermeidlich. Vier weitere Fotografien erwiesen sich als unscharf. Lediglich zwölf brauchbare Aufnahmen brachte er ins Tal zurück. Diese konnten in einem Etui zu 5 Talern und 20 Silbergroschen erworben werden, das entspricht heute etwa 160€.

„Die äußere Ausstattung des Albums ist höchst elegant zu nennen und dadurch sehr praktisch, da auf der Rückseite der Photografien ein erklärender Text beigefügt ward.“[1] Nach den Gebrüdern Bisson, die 1861 die erste photographische Expedition auf den Mont Blanc durchführten, war Pitschner erst der zweite Fotograf, der Aufnahmen in den Höhenlagen des Mont Blanc anfertigte.[2] Es sind die ältesten Fotografien im Archiv des Deutschen Alpenvereins. Leider ist das dazugehörige Stereoskop nicht mehr vorhanden.

 

Stefan Ritter, Archiv des DAV

 

[1] Waldheim‘s Illustrierte Zeitung Nr. 56 vom 24.1.1863

[1] Ebenda