Frohe Ostern

Gämseneier und der moderne Alpinismus

Ein biologisches Phänomen zum 1. April neu betrachtet.

Gämsennest, um 1925. Quelle: Alpiner Kunstverlag Hans Huber/Archiv des DAV

Seit dem Mittelalter war die Gamsjagd ein Privileg des Hochadels. Darunter fielen auch das Einsammeln und die Verwendung der Eier der Gams. Der Eierdiebstahl wurde wie Wilderei schwer bestraft. Den Gämseneiern wurde eine ganz besondere Kraft zugeschrieben: Der Verzehr sollte für kräftige, männliche Nachkommen sorgen. Um die eigenwilligen, fast strengen Aromen (mineralisch, Noten von Pilzen, Flechten, Almblumen und Wild) zu übertünchen, wurden die Eier meist weiterverarbeitet. Am kaiserlichen Hof in Wien wurde aus Mehl, Milch, den Gamseiern und etwas Zucker und Salz eine ganz besondere Süßspeise, der sogenannte Kaiserschmarrn zubereitet. Die Untertanen in Tirol wandelten das kaiserliche Rezept leicht ab und verwendeten stattdessen die ortsüblichen Hühnereier. Die fehlenden Aromen wurden durch den Zusatz von Mandeln, Rum und Rosinen ausgeglichen.

Am Ende des 19 Jahrhunderts wurde die Süßspeise auch bei den Touristen immer beliebter, der Siegeszug des Kaiserschmarrns begann. Auf den Hütten des Alpenvereins im Hochgebirge konnte die beliebte Süßspeise jedoch nicht zubereitet werden. Beim Transport mit Lastenträgern und Mauleseln zerbrachen die meisten Hühnereier. Nach der Revolution von 1918 - der Adel hatte seine Jagdprivilegien verloren - konnte auf den Hütten des Alpenvereins jetzt sogar der originale Kaiserschmarrn aus Gamseiern angeboten werden. Man bediente sich direkt aus den umliegenden Nestern. Die Alpenvereinshütten wurden in den 20er Jahren förmlich überrollt. Innerhalb weniger Jahre ging der Bestand an Gämsen zurück.

Hühner- statt Gämseneier für den Kaiserschmarrn

Die Gämse wurden unter Schutz gestellt und das Einsammeln der Gämseneier wurde verboten. 1923 ächtete der Alpenverein in den Tölzer Richtlinien die Verwendung von Gamseiern für den Kaiserschmarrn. Man wollte zur ursprünglichen, schlichten Versorgung zurückkehren. Die Bergwacht kontrollierte die Selbstversorgerhütten und überwachte die Nester der Gämse. Gelegentlich musste die Bergwacht Eierdiebe aus der Bergnot retten. Daraus entwickelte sich die organisierte Bergrettung. 1927 nahm der Alpenverein den Naturschutz in seine Satzung auf. Seit 2005 ist der DAV auch eine bundesweit anerkannte Naturschutzorganisation. Durch den Bau von Materialseilbahnen und die Versorgungsflüge durch Hubschrauber ab den 50er Jahren konnte die Versorgung der Schutzhütten mit Hühnereiern sichergestellt werden. Seitdem haben sich die Bestände der Gämse spürbar erholt.

In den zwanziger Jahren entstand daher auch ein neues Genre der Bergfotografie: Die Gamsnester. Erfahrene Bergfotografen benötigten jedoch eine Menge Geduld und Ausdauer, um den richtigen Augenblick für eine Foto wie dieses zu finden. Sie müssen sich für einen Abschuss lange, auf felsigen Grund auf die Lauer legen. Daher zeigten die meisten Aufnahmen und Postkarten lediglich brütende Gämse, Gamsküken, die von ihren Eltern gefüttert werden oder Jungtiere beim ersten Eisprung über ihre Geschwister. Die Postkarte zeigt eine der raren Aufnahmen, die ein frisch geschlüpftes Gamsküken mit einem stolzen Elternteil in ihrem Nest zeigt.

 

Stefan Ritter, Archiv des DAV