Erste Hochgebirgsdarstellung

Die Zugspitze vom Platt aus gesehen

Die hohen Gipfel der Alpen waren und sind bis heute zentral für Bergsteiger*innen und Bergsportler*innen. Die erste Darstellung in unserer Sammlung, die das Hochgebirge nicht nur "von unten" zeigt, illustriert eine frühe Besteigung der Zugspitze.

Bleistiftzeichnung von Dr. Einsele. Foto: DAV Sammlung/Bettina Warnecke

„Die Zugspitze vom Platt aus gesehen“ so lautet der Titel einer mit zarten Farben aquarellierten Bleistiftzeichnung in den Sammlungen des Alpinen Museums. Vor der Mitte des 19. Jahrhunderts führte nur der Weg über das Platt auf die Zugspitze, deren nach Norden gerichtete Bergflanke hier tief verschattet ist. Am Fuß des zum Gipfel führenden Grates sind winzige Bergsteigerfiguren auszumachen. Bezeichnet und datiert ist die Zeichnung mit „Dr. Einsele 1845“.

Noch bevor der 1869 gegründete Alpenverein gemäß seiner Satzung mit der Erforschung und Erkundung der Alpen begann, gab es immer wieder Männer, die oft schwierige und weite Bergtouren unternahmen, um wissenschaftliche Fragen der Alpen zu klären. Vordringlich ging es um die genaue Vermessung und Ermittlung der Höhe einzelner Gipfel, der Ausdehnung der Gletscher, der Flora und Fauna der Alpen sowie um die Bestimmung von Gesteinen und Felsformationen. Einer dieser Pioniere war Dr. August Max Einsele (1803 – 1870), der Zeichner unseres Blattes. Nachdem 1820 die Zugspitze erstmals von Leutnant Josef Naus bestiegen worden war, erreichte Einsele mit einer Gruppe Bergsteiger den Gipfel am 21. August 1835. Er gehört somit zu den ersten Besteigern der Zugspitze.

Arzt und Botanikexperte

Doch wer war August Max Einsele? 1803 in München als Sohn eines Landarztes geboren, studierte er u.a. in Landshut Medizin und wurde 1825 zum Doktor der Medizin und Chirurgie promoviert. 1842 übernahm er nach verschiedenen anderen Stationen als Arzt und Chirurg die Leitung des Krankenhauses in Landshut, seinem Lieblingsort. Einsele galt als stiller, verschlossener, ja fast gehemmter Mensch, der sich am liebsten alleine auf stundenlangen Wanderungen und Bergbesteigungen aufhielt. Seine ganz große Leidenschaft, die er aber nie zu seinem Beruf machen konnte, war die Botanik. Er galt in Fachkreisen als anerkannter Experte auf dem Gebiet der Alpenflora. Umfangreiche Herbarien, Beschreibungen und exakte Zeichnungen von Pflanzen gehören zu seinem Nachlass. Eine von ihm erstmals im Wimbachgries bei Berchtesgaden entdeckte und beschriebene kleinblütige Akelei (Aquilegia einseleana) wurde nach ihm benannt. 

Einsele selbst machte seine Touren nicht bekannt. Doch Guido Görres veröffentlichte 1846 in seinem Deutschen Hausbuch Einseles Bericht in Briefform über seine Besteigung der Zugspitze. Vielleicht hat Einsele seine Zeichnung in diesem Zusammenhang angefertigt, auch wenn sie nicht im Hausbuch abgedruckt wurde. Den Bericht illustrieren Karikaturen von besonderer Situationskomik, die in der neuen Dauerausstellung des Alpinen Museums zu sehen sein werden.

 

Stephanie Kleidt, Ausstellungskuratorin