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"Wir wollen uns in allen Bereichen der Weltspitze weiter annähern" - Sportdirektor Martin Veith im Interview

28.04.2022, 07:27 Uhr

Zum Beginn der Wettkampfsaison 2022 haben wir mit DAV-Sportdirektor Martin Veith über die Änderungen, die Erwartungen der Athletinnen und Athleten sowie die Europameisterschaften Klettern in München in diesem Jahr gesprochen.


Was erwartest du dir von der neuen Wettkampfsaison? 

 

Wir wollen uns in allen Bereichen der Weltspitze weiter annähern. Bei den Athleten, die bereits regelmäßig erfolgreich waren, sind eine größere Anzahl an Finalteilnahmen das Ziel, natürlich immer mit Blick auf das Podium. Daneben haben wir eine ganze Reihe von Athleten und Athletinnen, die den Anschluss an die Weltspitze schaffen wollen. Hier wollen wir den Abstand sukzessive verkürzen. Der Kader soll in der Spitze insgesamt breiter aufgestellt sein. Das ist auch wichtig, da wir in diesem Jahr für die Quotenstartplätze im nächsten Jahr klettern.

 

Gibt es im Hinblick auf die Teamquoten Änderungen?

Die gibt es! Ab der Saison 2023 wird erstmals die Anzahl der Teilnehmenden pro Land nach einer Quote vergeben. Und diese bildet sich aus den Weltcup-Erfolgen der Teams in diesem Jahr.

 

Auf welche Athletinnen und Athleten gilt es besonders zu achten? 

Die zwei Olympiateilnehmer aus Tokio sind in dieser Saison nicht ganz so umfangreich bei den Weltcups dabei. Jan Hojer (DAV Frankfurt/Main) wird keine Bouldersaison klettern und sich auf einige Lead-Wettbewerbe konzentrieren. Alex Megos (DAV Erlangen) startet auch nur bei ausgewählten Weltcups. Entsprechend rücken andere in den Fokus. Von unseren weiteren Leistungsträgern, wie Yannick Flohé (DAV Aachen) oder Hannah Meul (DAV Rheinland/Köln), erhoffen wir uns, wenn sie gesund durch die Saison kommen, das eine oder andere Highlight. Lead-Spezialist Sebastian Halenke (DAV Schwäbisch-Gmünd) und Boulder Nachwuchshoffnung Chris Schweiger (DAV Ringsee) können bei konstanter Gesundheit sicherlich auch Akzente setzen. Auch im Speed freuen wir uns auf tolle Leistungen von Athleten und Athletinnen wie Franziska Ritter (DAV Wuppertal) oder Sebastian Lucke (DAV Konstanz), Linus Bader (DAV Augsburg) und Nuria Brockfeld (DAV Osnabrück). 

 

Besteht beim Speedklettern eine gesonderte Erwartungshaltung? 

Im Speedklettern müssen wir sehr realistisch vorgehen. Es hat sich zwar in den letzten anderthalb Jahren eine Trainingsgruppe etabliert, da Athleten und Athletinnen im Speed Potential für sich gesehen haben. Eine Podiumsplatzierung beim Saisonhöhepunkt der Heim-EM oder den Weltcups wäre eine große Überraschung. Aber, wir haben viel Potential im Team. Franziska Ritter ist beispielsweise letztes Jahr 11. bei der WM geworden. Das Ziel sind regelmäßige Teilnahmen in der Ko-Phase bei den Damen. Bei den Herren wollen wir den Rückstand auf die Weltspitze weiter reduzieren, hier ist auch Potential für größere Fortschritte.  

 

Welches sportliche Ziel setzt sich der DAV für die Europameisterschaften im Klettern im August in München?

Wir würden gerne drei bis vier Finalteilnahmen erreichen, haben uns aber kein konkretes Medaillenziel gesetzt. Natürlich bedeutet eine Teilnahme an einem Finale eine Chance auf einen Podiumsplatz. Wenn zum Beispiel Sebastian Halenke im Lead gesund und fit bleibt, kann er durchaus aufs Podium klettern. Weiterhin wollen wir einige Top-10 Platzierungen erreichen.  

 

Ist im Team eine besondere Motivation in Richtung der Heim-EM zu spüren? 

Das Team fiebert der Heim-EM entgegen und es ist definitiv in den Köpfen der Athleten. Die Athletinnen und Athleten merken, dass sich zum Beispiel die Medienpräsenz in den letzten Jahren weiterentwickelt hat und wollen European Championships als Bühne für unseren Sport und sich nutzen.

 

Mit dieser Saison entsteht auch eine neue Wettkampfstruktur. Welche Auswirkungen haben die Veränderungen auf deine Planungen und Aufstellung des Teams? 

Zunächst haben wir als Reaktion auf den Status von Speed als olympische Einzeldisziplin mit Peter Schnabel einen neuen Bundestrainer Speed im Team. Wir haben erstmals ein eigenständiges Lehrgangssystem für den Bereich Speed mit sehr spezifischen Trainingsinhalten. Da setzt der neue Bundestrainer Impulse. Ingo Filzwieser ist Bundestrainer für das neue Combined-Format (Boulder & Lead). Hinzu kommt mit Friederike Kops eine Bundestrainerin Nachwuchs. Für die beiden Combined-Disziplinen haben wir weitere Spezialisten im Trainerteam, Maximilian Klaus für Lead und Sagi Damti für den Bereich Bouldern. Die beiden arbeiten als Honorarbundestrainer, sodass sie die Kombinationsathleten in den Spezialbereichen unterstützen können und natürlich auch die Spezialisten in ihren Disziplinen. Nico Schlickum vervollständigt das Trainerteam als Bundestrainer Bildung und Wissenschaft. 

 

Hat sich die Saisonplanung auch verändert? 

Ja, es hat natürlich auch Auswirkungen auf die Saisonplanung gegeben. Vor allem müssen wir genau schauen, welche Athleten wir zu welchen Wettkämpfen schicken. Im nächsten Jahr ist schon das Qualifikationsjahr für die Olympischen Spiele 2024. Deshalb sind die Wettkampfanreize in diesem Jahr enorm wichtig. Die besonderen Anforderungen in der Vorbereitung auf die Kombinationsdisziplin muss natürlich mit den Anforderungen in den Einzeldisziplinen in Einklang gebracht werden. Athleten und Athletinnen, die sich auf eine Disziplin konzentrieren wollen wir die gleichen Chancen bieten, wie den Kombinierern. 
 

Wie sehen die Athleten und Athletinnen das neue Format „Bouldern und Lead” 

Die Kombination aus Bouldern und Lead erscheint sinnvoller kombinierbar. Dadurch gibt es auch mehr Athleten, die einen Bezug zu dem Format finden und sich darauf einlassen. Den meisten Athleten und Athletinnen kommt es zu Gute.  

 

"Ich konsumiere jeden Tag Klettern – so viel nur geht.“

Peter Schnabel – der neue Bundestrainer Speed

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Für Peter Schnabel war es ein Sprung ins kalte Wasser. Bis Ende August arbeitete der 34-Jährige noch als hauptamtlicher Leichtathletik-Trainer, seit Anfang September ist er Bundestrainer Speed beim Deutschen Alpenverein (DAV).         

Ingo Filzwieser: Ein Zufall wird zum Beruf

Der neue Stützpunkttrainer Süd im Portrait

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Dass Ingo Filzwieser zum Klettern fand, ist einem großen Zufall zu verdanken. Seitdem aber dominiert es das Leben des Österreichers: zunächst privat, später dann auch beruflich. Er war Landestrainer Tirol, Trainer der österreichischen Jugendnationalmannschaft und österreichischer Nationaltrainer Bouldern. Seit diesem Jahr arbeitet der 37-Jährige als Trainer des Stützpunktes Süd in München und betreut dort gemeinsam mit Urs Stöcker, leitendem Bundestrainer, die Kaderathletinnen und Athleten Deutschlands.

Nico Schlickum – vom Sport zur Profession

Portrait des Funktionstrainers Bildung & Wissenschaft

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Seit Anfang 2021 ist Nico Schlickum "Funktionstrainer Bildung & Wissenschaft Sportklettern" beim Deutschen Alpenverein. Das hört sich zunächst vielleicht sehr trocken an, ist es aber nicht: „Es geht darum, vorhandenes Wissen zu bündeln und wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen. Unser Ziel ist, internationale Erfolge zu sichern und das leistungssportliche Konzept weiterzuentwickeln, um konkurrenzfähig zu bleiben“, erklärt Schlickum. Er freut sich auf seine neue Aufgabe: „Ich bin von den Kolleginnen und Kollegen herzlich empfangen worden und bin gespannt auf die gemeinsame Zeit im Trainerteam.“   Der "Funktionstrainer Bildung & Wissenschaft" ist bereits in vielen olympischen Spitzenverbänden etabliert. Nun beschäftigt auch der DAV einen hauptberuflichen Sportwissenschaftler im Trainerteam. Hier hat Nico Schlickum vor allem eine beratende Funktion für die Bundestrainer und die Bundestrainerin. Durch die Aufnahme des Sportkletterns in den olympischen Kanon habe sich der Leistungssport in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt, sagt Schlickum. „Für die Spiele in Tokyo musste ein neues Wettkampfformat etabliert werden. Für Olympia 2024 in Paris wurde dieses aber schon wieder verändert.“ Solche sportpolitischen Entscheidungen bedeuten aber viele Herausforderungen für das Training: „Das parallele Training von Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer bedarf einer sensiblen Planung und Evaluierung. Bei solchen Herausforderungen versuche ich, die Bundestrainer zukünftig mit aktuellen Forschungserkenntnissen zu unterstützen“, erklärt Schlickum. 

Friederike „Fritze“ Kops

Die Bundestrainerin in Portrait

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Neben Urs Stöcker und Maxi Klaus ist Friederike Kops eine der Bundestrainerinnen des DAV Kletterkaders. Als Lehrerin und begeisterte Sportlerin bringt sie die besten Voraussetzungen für diese Aufgabe mit sich – nämlich Empathie und die Liebe zum Sport.