Doris Krah
Vorsitzende Sektion Ettlingen
In DAV-Panorama 5/13 porträtierten wir Doris Krah, Vorsitzende der DAV-Sektion Ettlingen. Lesen Sie hier den vollen Text des Interviews.
Wie kamst Du zum Berg-Sport und zum Alpenverein?
Ich wurde praktisch reingeboren in den DAV: Beide Eltern waren Mitglied und haben mich und meine beiden Geschwister seit frühester Kindheit mitgenommen. Als Kind war ich dann auch bei der Familiengruppe dabei, die sich aus befreundeten Familien gebildet hatte. Die Männer haben geklettert, die Frauen Kaffee getrunken, wir Kinder haben im Bach gespielt. Später war ich selbstständig mit Freunden oder auch mal allein unterwegs und habe nicht an den Sektionsangeboten teilgenommen. Mit 30 bis 40 Jahren war ich viel auf Skitour, fast jedes Wochenende – aber nur als Mitläufer, organisiert haben es andere. 1989 habe ich erstmals ein Trekking gemacht, in Nepal mit dem DAV Summit Club, seitdem bin ich dem Unterwegssein verfallen. Das fasziniert mich: Jeden Tag woanders sein, immer ein Stück weiterkommen, was Neues sehen, ob mit dem Rad, auf Ski oder zu Fuß. In Mittelgebirgen, in den Alpen, weltweit, und am liebsten abseits vom Mainstream. Den überlaufenen Jakobsweg zum Beispiel würde ich nicht gehen, für mich ist jede Wanderung mein eigenes Pilgern.
Was waren besonders schöne Erlebnisse in den Bergen?
Einmal meine erste Tour mit meinem Papa ins Eis: Ich war 14 Jahre alt, als wir auf den Mont Pelvoux (3946 m) im Dauphiné gestiegen sind. Daran war schön, dass Papa mich mitgenommen und mir vertraut hat, dass ich das packe. Ich hatte dann auch Höhenprobleme, aber Papa hatte wahnsinnig Geduld mit mir. Er war ja viel stärker, ein erfahrener und aktiver Bergsteiger, aber für mich hat er sich zurückgenommen und hat mir die Freude bereitet.
Mein zweites Highlight war das Unterwegssein auf Korsika. Ich war mehrfach dort, allein, mit Freunden oder auch mit meinem Mann. Korsika bietet eine geradezu grausam schöne Natur. Und viel Abwechslung: Mal liegst du am Meer, dann fährst du eine Stunde mit dem Auto und bist im Hochgebirge mit Schneesturm. So ein krasser Gegensatz auf so engem Raum – faszinierend.
Wie bist Du dann wieder zum Alpenverein gekommen?
Bevor ich zur Vorsitzenden gewählt wurde, hatte ich keine Ehrenämter, auch in keinem anderen Verein. Ich war nur Nutzer meiner Alpenvereins-Mitgliedskarte, aber ins Sektionsleben habe mich nicht eingebracht. Die Versammlungen habe ich nur für Ehrungen besucht.
2006 kam mir dann doch der Gedanke, in der Sektion irgendetwas zu tun, und ich habe beim Sektionssport teilgenommen; das ist Training und Gymnastik in der Halle. Wir hatten da einen guten Leiter, aber irgendwann hat der aufgehört und zuerst hat die Gruppe so für sich weitergemacht. Dann habe ich angeboten, die Gymnastik anzuleiten, aber das ging nicht so gut ohne Ausbildung. Deshalb habe ich beim Badischen Sportbund die Ausbildung zum Übungsleiter Breitensport besucht, dann eine Fortbildung zu Prävention und eine Weiterbildung als Sport-Reha-Trainer. Seit 2008 leite ich den Sektionssport, heute mit zwei Gruppen: Die eine macht anstrengendere Sachen: Krafttraining, Volleyball und Hallenhockey, die andere eher sanfte Gymnastik, Gleichgewichts- und Entspannungsübungen.
Und wie wurdest Du Erste Vorsitzende?
Mein Vorgänger Rolf Hamberger hatte schon immer gesagt, dass er das Amt nicht ewig macht, nur zwei oder drei Perioden à vier Jahre. Nach acht Jahren steckte die Sektion mitten im Hüttenumbau, den wollte er fertig begleiten und danach dann aufhören. Drei Jahre vorher schon hat er angefangen zu suchen, und irgendwann kam er dann auf mich. Durch mein Engagement für den Sektionssport war ich bekannt und präsenter in der Sektion geworden. Von selber hätte ich mich ja nie beworben, hätte gedacht, das kann ich nicht – die frauentypischen Selbstzweifel eben. Außerdem habe ich damals noch gearbeitet und hatte gerade eine interessante Berufsperspektive mit Leitungsverantwortung in Aussicht. Deshalb habe ich zuerst abgesagt – und Rolf Hamberger fand einen Mann als Nachfolge-Kandidaten; der aber beruflich sehr eingespannt war und es nur gemacht hätte, damit es jemand macht.
Aber dann lief es doch anders?
Die Arbeitsperspektive wurde hinfällig, weil der Geschäftsführer meiner Firma wechselte, dann machte mir der Job keinen Spaß mehr. Mein Mann hat ein gutes Einkommen, das uns beiden reicht, deshalb konnte ich kündigen – und dann habe ich mich doch noch für den Vorstandsposten bereiterklärt, eineinhalb Jahre vor der Wahl. Der andere Kandidat war froh, dass er nicht ran musste.
Dein Vorgänger hat ein konsequentes Mentorprogramm mit Dir aufgezogen.
Ja, er hat mich in alles eingeführt, was er bearbeitet hat, mich den Ansprechpartnern vorgestellt, auf Sitzungen mitgenommen. So konnte ich die Strukturen und Gremien kennenlernen: die DAV-Hauptversammlung, Vorstandssitzungen, die Mitgliederversammlung. Und konnte alles lernen, noch ohne die volle Verantwortung tragen zu müssen. Dabei habe ich auch gesehen: Diese Themen – Hütten, Berge, Umweltschutz – begleiten mich schon mein Leben lang, und ich wurde mir sicher, es zu packen.
Für diesen Prozess bin ich Rolf Hamberger sehr dankbar, auch für seine Offenheit in diesen eineinhalb Jahren und auch nach meiner Wahl: Er drängt sich nicht auf mit Ratschlägen, aber wenn ich etwas wissen muss, ist er immer ansprechbar.
Was sind Deine Aufgaben als Vorsitzende?
Als Vorsitzende habe ich die Gesamtleitung der Sektion, das ist ziemlich viel Arbeit. Zum einen ist es die Vertretung nach außen, als Gesicht der Sektion Ettlingen, etwa wie neulich, als die Mitarbeiter der DAV-Bundesgeschäftsstelle ihren Betriebsausflug auf unsere Erfurter Hütte im Rofan machten. Das schöne daran: Man lernt viele interessante Menschen kennen.
Eine weitere Aufgabe ist die PR-Arbeit nach innen und außen: Pressemitteilungen herausgeben, die Homepage gestalten und pflegen, eine monatliche Info-Mail an unsere Mitglieder, die Sektionsmitteilungen… dabei kümmere ich mich um die Inhalte; die technische Umsetzung macht jemand anders.
Was gefällt Dir besonders gut? Und was weniger?
Besonderen Spaß macht mir das Gestalten bei Themen, die mir wichtig sind oder von denen ich überzeugt bin, wie etwa der „Tag des Kletterns“ in Baden-Württemberg. Mit dieser Aktion wollten wir bei Politikern Verständnis für das Klettern an unseren Mittelgebirgsfelsen fördern und ihnen klarmachen, dass Klettern und Naturschutz sich gut vertragen. Dieses Thema war mir sehr wichtig, und ich konnte dieses Projekt anschubsen, vorantreiben und mitgestalten. Nicht um vorne zu stehen, sondern für die Sache.
Den „Verwaltungskram“ der Sektionsleitung mag ich weniger, aber man muss es machen. Dazu treffen wir uns jeden Dienstag für ungefähr eine Stunde in der Geschäftsstelle: ich, der zweite und der dritte Vorsitzende. Wir haben eine kleine Tagesordnung und tauschen uns locker aus, was läuft und ansteht – bei Bedarf können wir auch einen Vorstandsbeschluss treffen. Die offiziellen Vorstandssitzungen mit allen Beiräten und umfassender Tagesordnung machen wir nach Bedarf, um die Belastung für die Ehrenamtlichen gering zu halten.
Habt Ihr noch mehr Frauen im Vorstand?
Im erweiterten Vorstand nur die Schriftführerin, sonst sind alles Männer.
Du bist eine von nur 32 Frauen unter den Ersten Vorsitzenden der 355 DAV-Sektionen. Wie fühlst Du Dich dabei?
Für mich ist es nicht wichtig, ob ein Mann oder eine Frau etwas macht. Wichtig ist, dass es überhaupt gemacht wird, dass jemand den Alpenvereinsgedanken weiterführt und die Sektion weiterentwickelt.
In der Gesellschaft werden oft krampfhaft Quotenregelungen versucht. Solche Vorgaben finde ich nicht gut. Ich glaube, das entwickelt sich von selber. Früher waren viele Frauen nicht so gut ausgebildet und im Haushalt eingespannt. Wenn jetzt mehr Frauen mit guter Bildung kommen und sich bewerben, wird der Frauenanteil automatisch zunehmen.
Beim Alpenverein ist es ähnlich, auch da waren früher weniger Frauen präsent. Jetzt gleichen sich die Mitgliederzahlen von Männern und Frauen an, und die Präsenz von Frauen wird von selber zunehmen. Zum Beispiel werden Frauen aus Familiengruppen ins Ehrenamt hineinwachsen und die Männer ersetzen, die heute wegen gesteigerter beruflicher Anforderungen noch weniger Zeit haben.
Gut wäre, den Männern den Gedanken zu vermitteln: Wenn man Kandidaten sucht, könnte man ja auch über Frauen nachdenken. So kamen bei uns in Ettlingen plötzlich Kandidaten auf. Dies nur als Tipp an andere Sektionen.
Was hältst Du von der Idee, dass sich die Frauen in DAV-Führungsämtern vernetzen könnten?
Das Thema Vernetzung finde ich wahnsinnig wichtig: Wenn man viele Menschen kennt im Alpenverein, muss man nicht jedes Rad selbst erfinden. Aber wenn sich nur die Frauen vernetzen würden, fehlen zu viele andere. Ich möchte mich auch mit Männern vernetzen, nicht nur mit Frauen.
Fühlst Du Dich von allen akzeptiert?
Das ist mir nicht wichtig. Natürlich kann ich Emotionen nicht ausschließen und muss damit umgehen, wenn mich jemand nicht mag. Aber von allen akzeptiert wird man sowieso nie. Und wenn ich nach Anerkennung schiele, kann ich nicht nach meiner Überzeugung gehen. Denn mir geht es um die Sache. Ich will aber meine Meinung nicht dominant durchziehen, sondern versuche mit Argumenten zu überzeugen und im Team eine Lösung zu finden. Wenn ich nicht überzeugen kann mit meinen Argumenten, habe ich entweder in der Sache nicht recht, oder ich habe die falschen Worte gefunden.
Welche Fähigkeiten brauchst Du für Dein Ehrenamt?
Das neue Leitbild des DAV beginnt mit dem Satz „Wir lieben die Berge“ Auch ich liebe die Berge, und das ist das Hauptmotiv, das mich antreibt. Dieser Satz war für mich eine Offenbarung, mehr braucht es fast gar nicht. Wer die Berge liebt, zieht daraus seine Motivation für die ehrenamtliche Arbeit und weiß was zu tun ist.
Natürlich braucht es auch Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen und das ganze übliche Blabla, was jeder Unternehmensberater sagen kann. Aber wichtig ist vor allem, dass man die Menschen mag. Es gibt so viele unterschiedliche – wenn du sie nicht magst, wird’s schwierig.
Was bringt Dir das Ehrenamt für Dein persönliches Leben?
Es füllt auf jeden Fall den Tag mehr als aus. Als ich aufgehört habe zu arbeiten, habe ich gedacht: Jetzt kann ich viel unterwegs sein. Stattdessen sitze ich jetzt oft am Computer. Aber das Ehrenamt bringt mir viele interessante Begegnungen, und ich denke noch nicht ans Aufhören. Solange ich noch Ideen habe und etwas gestalten will, mache ich es.
Ein Gedanke fasziniert und motiviert mich dabei: Unsere Sektion wurde Ende des neunzehnten Jahrhunderts gegründet. Seit jenen Tagen waren immer wieder Menschen unter schwierigen Bedingungen ehrenamtlich für den Verein da und haben sich für ihn eingesetzt. Jeder hat ihn auf seine Weise geprägt. Jetzt reihe ich mich mit meiner Art in diesen Verein ein, und nach mir wird jemand weitermachen. Da gibt es eine Tradition und eine Fortsetzung. Die Zeit ist im Fluss, aber die Seele des Vereins lebt weiter, genährt von Leidenschaft und Begeisterung – eben von der Liebe zu den Bergen.