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Skigebietszusammenschluss Pitztal - Ötztal: Erneut Erschließungspläne eingereicht

Es scheint wieder von vorne los zu gehen: Im Februar 2023 haben die Skigebietsbetreiber erneut Pläne für den Zusammenschluss der Skigebiete Pitztaler Gletscher und Sölden eingereicht und signalisiert an dem Vorhaben festzuhalten. Die Pläne liegen aktuell beim Amt der Tiroler Landesregierung zur Prüfung. Ende Oktober 2022 hatte das Amt der Tiroler Landesregierung das Vorhaben "Skigebietszusammenschluss Pitztal - Ötztal" aufgrund mangelhafter Unterlagen offiziell gestoppt, die Seilbahnbetreiber wollten das Vorhaben nicht weiter verfolgen. Nun könnte jedoch alles von Vorne beginnen.

Neustart für den Zusammenschluss?

Eigentlich war der seit 2016 geplante Zusammenschluss der beiden Skigebiete Pitztaler Gletscher und Sölden - auch als "Gletscherehe" betitelt - seit Oktober 2022 vom Tisch: zum einen stimmte die knappe Mehrheit der Bevölkerung von St. Leonhard im Pitztal in einem Volksentscheid gegen die Erschließung. Wichtiger jedoch, wurde durch das Amt der Tiroler Landesregierung ein negativer Bescheid über die Umweltverträglichkeit ausgestellt und somit das Verfahren offiziell eingestellt.

Nun scheint es einen Neustart zu geben: es liegen Pläne vor für die seilbahntechnische Erschließung des Linken Fernerkogels durch eine Gondelbahn mit Talstation unterhalb der Braunschweiger Hütte und Bergstation in der Scharte östlich des Gipfels - in Rufdistanz zu den Bergstationen der Bergbahnen Sölden. 

 

Im Schluterschluss mit vielzähligen Naturschutz-NGOs haben sich der Deutsche und Österreichische Alpenverein gegen die Realisierung dieses Vorhaben eingesetzt und werden dies auch bei einem potentiellen neuen Verfahren tun. Das Vorhaben hätte massive negativen Auswirkungen auf einen sensiblen alpinen Natur-, Lebens- und Landschaftsraum und die Verbauung einer der größten zusammenhängenden Gletscherflächen bedeutet. In Kombination mit den rasanten Gletscherrückgängen der letzten zehn Jahre und dem prognostizierten Verlust der Gletscherflächen bis Mitte des Jahrhunderts, wäre dieses Vorhaben nicht im Sinne einer nachhaltigen, naturverträglichen oder klimaverträglichen Entwicklung gewesen. 

 

Was bisher geschah

  • Februar 2023: Erneute Einreichung von modifizierten Plänen für die Erschließung des Linken Fernerkogels
  • Oktober 2022: UVP-Behörder der Landesregierung Tirol erteilt negativen Bescheid aufgrund mangelhafter Unterlagen. Das UVP-Verfahren wird nicht neu aufgenommen. 
  • Juli 2022: Bürgerentscheid in St. Leonhard im Pitztal - Mehrheit der Bürger stimmt gegen den Zusammenschluss
  • Rückzug der Antragsteller: aufgrund der negativen Stimmung in der Öffentlichkeit und den veralteten Plänen vertagen die Seilbahnbetreiber den schon anberaumten Verhandlungstermin und pausieren das Vorhaben auf unbestimmte Zeit. 
  • Klimawandel gibt klares Signal: Allein innerhalb des Planungszeitraums (also 2015 - 2019) haben sich die Gletscherflächen so stark zurückgezogen, dass die ursprünglich angedachten Pistenflächen und Skiwege nicht mehr realisierbar waren. Denn zwischenzeitlich sind Felsrücken aus dem Eis ausgetaut oder Steilstufen entstanden, die eine Pistenanlage erschweren und v.a. in den eingereichten Plänen nicht berücksichtig waren.
  • Unmut in der Öffentlichkeit: zwischenzeitlich zeigt unsere Öffentlichkeitsarbeit und Kampagne "Unsere Alpen" Wirkung. Bilder über die unverhältnismäßigen Eingriffe, wie die Einebnung eines gesamten Gipfelgrates oder Sprengung eines Vorgipfels des Fernerkogels, gehen um die Welt und v.a. auch in Tirol schwindet die Unterstützung in der Bevölkerung für dieses Vorhaben. 
  • Mai 2019: Start des UVP-Verfahrens (Umweltverträglichkeitsprüfung) - Die Unterlagen liegen öffentlich aus, DAV und ÖAV geben gemeinsam eine unmissverständliche Stellungnahme gegen das Vorhaben ab (siehe Download)
  • Bis 2019:Behörde prüft die Unterlagen auf Vollständigkeit und veranlasst Nachbesserungen
  • Mai 2015: Seilbahnbetreiber beantragen beim Amt der Tiroler Landesregierung (Abteilung Umweltschutz) die Genehmigung des Vorhabens "Schigebietserweiterung und -zusammenschluss Pitztal - Ötztal".
 

Was hätte realisiert werden sollen? Die Entstehung eines neuen Skigebiets

Mit drei Gondelbahnen (fünf Sektionen) und einem gemeinsamen Seilbahnzentrum unterhalb der Braunschweiger Hütte sollte das Gebiet rund um den Linken Fernerkogl erschlossen werden: 64 Hektar Pistenfläche auf Karles-, Hangenden- und Mittelbergferner, inkl. Speicherteich und Beschneiungsanlage. 

 

Zahlen und Fakten

 

Anzahl Seilbahnen

3 Gondelbahnen mit insgesamt 5 Sektionen:

  • Gondelbahn (Dreiseil-Umlaufbahn) von Mittelberg zum Seilbahnzentrum
  • Gondelbahn vom Seilbahnzentrum ins Pitztaler Gletscherskigebiet, inkl. Mittelstation im Gletschervorfeld des Mittelbergferners
  • Gondelbahn vom Seilbahnzentrum nach Sölden, inkl. Mittelstation auf östlichen Vorgipfel des Linken Fernerkogels
Höchster Punkt der Erschließung Scharte östl. Linker Fernerkogl (3.200 m)
Speicherteich und Beschneiung Ja
Geplante Pistenfläche 64 ha
davon auf Gletschern 95%
Besonderheiten
  • 614 m langer Skitunnel von Sölden zum Karlesferner
  • bis zu 80 m hohe Seilbahnstützen
  • großes Seilbahn- und Gastronomiezentrum im Gletschervorfeld des Karlesferners und unterhalb der Braunschweiger Hütte des DAV
  • Verschüttung und Einebnung ganzer Gletschervorfelder für den Pistenbau
  • Abtrag eines Vorgipfels des Fernerkogels für die Mittelstation der Seilbahn nach Sölden (180.000 m³ Fels)
Gesamtkosten rund 120 Mio. €

 

 

Das waren unsere wichtigsten Einwände

  • Totalverlust einer naturnahen hochalpinen Landschaft: Eine naturnahe und charakteristische alpine Landschaft wird durch den Umfang und die Dimension der Baumaßnahmen komplett technogen überformt. 80 m hohe Seilbahnstützen, exponierte Seilbahnstationen, ein Speicherbecken und künstlich eingeebnete Gletschervorfelder: die Landschaft wird hier unwiederbringlich zerstört.
  • Gravierende Abwertung und Verlust eines alpinen Lebensraums: für die sensible (hoch-)alpine Flora und Fauna sind Geländekammern wie am Linken Fernerkogel wichtige Lebensräume. Das Vorhaben wird zu einer gravierenden Abwertung und in vielen Bereichen ebenfalls zu einem kompletten Verlust der Lebensräume führen. 
  • Totalverlust eines (Ski-)Tourengebiets und Hüttenstützpunkts: Aktuell ist das Tourengebiet rund um die Braunschweiger Hütte attraktiv für Mehrtagesgäste und als Tagesziel. Duch die komplette Erschließung des Linken Fernerkogels und der Gletscherflächen wird das Hochtourengebiet gänzlich an Wert verlieren; die Braunschweiger Hütte als Stützpunkt ebenfalls.
  • Spekulative Pläne und Wirtschaftlichkeit durch Klimawandel und Gletscherrückgang: Bis Mitte des Jahrhunderts wird von den Gletschern im Projektgebiet mehr als die Hälfte der Fläche verschwunden sein, in den darauffolgenden Jahrzehnten werden Mittelbergferner & Co. gänzlich abgeschmolzen sein. Doch genau auf diesem rasant dahinschmelzenden Gletschereis basiert die Planung und das Ablaufdatum des Gletscherskifahrens ist nicht mehr weit entfernt. Ob und mit welchem Aufwand die Pisten trotz abgeschmolzener Gletscher erhalten werden können ist ebenso unklar, wie ob das Skigebiet ohne Gletscher auch noch wirtschaftlich betrieben werden kann. 
  • Fehlendes Konzept für Mobilitätsfrage: Ganz sicher kommen sowohl Pitzal und Ötzal jetzt schon durch die extreme Verkehrsbelastung an Wochenenden und Ferienzeiten an oder über die Belastungsgrenzen. Der Zusammenschluss wird gerade in diesen Ballungszeiten noch mehr Verkehr initiieren. Ein Konzept, wie mit zusätzlicher Verkehrsbelastung umgegangen werden kann, gibt es nicht. Auch sind durch die engen Täler weitere Ausbaumaßnahmen so gut wie nicht möglich.
  • Negative Auswirkungen auf den Sommertourismus: Der absolute Verlierer von allen oben genannten Punkten ist der Sommertourismus. Durch den Verlust der Landschaftskammer am Linken Fernekogl geht ein wichtiger Baustein für eine nachhaltige Tourismusentwicklung im Pitztal verloren. Noch führt der berühmteste Fernwanderweg E5 vom Pitztal via Braunschweiger Hütte auf der sogenannten "Königsetappe" ins Ötztal. Rund 50-70% der E5-Asprianten übernachten dabei nicht auf der Braunschweiger Hütte, sonden in St. Leonhard oder Wenns in Pensionen und Hotels. Der zu erwartende Attraktivitätsverlust des Tourengebiets oben wird negative Auswirkungen im Tal unten haben.

Die gesamte Stellungnahme des DAV und ÖAV gibt es weiter unten auf der Seite als Download.

 

Neuerschließung als Zusammenschluss getarnt

Grundsätzlich ist in Tirol die Erweiterung von Skigebieten aus ihren festgelegten Grenzen heraus durch das Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm untersagt. Ausnahmen sind sogenannte "Zusammenschlüsse", wie in diesem Vorhaben. Betrachtet man das Ausmaß dieser Erschließung, ist der Begriff "Zusammenschluss" wohl eher irreführend. Es entsteht vielmehr ein neues Skigebiet: das resultierende Gebiet ist in etwa halb so groß wie das gesamte Skigebiet auf der Zugspitze!

 

Eigentlich ist im "Raumordnungsprogramm über den Schutz der Gletscher" beschlossen, dass noch unerschlossene Gletscher und ihre Einzugsgebiete von der Errichtung von Anlagen freizuhalten sind. Eine Ausnahme davon wurde explizit für den Bereich der anvisierten Erschließung gesetzlich verankert: Teile des Mittelbergferners, der Karlesferner und der Hangende Ferner sind vom Gletscherschutzprogramm ausgenommen.

 

Was steht hier genau auf dem Spiel? Kurz erklärt vor Ort von Tobi und Franz...

Wie wollen wir die Alpen erleben? Beitrag im ARD Mittagsmagazin vom Dezember 2018

ARD - Mittagsmagazin, 04. Dezember 2018

 

Weitere Informationen zum Projekt

 

Pitztal-Ötztal: Absage der mündlichen Verhandlung

Pressemitteilung vom 16. Januar 2020

Mehr erfahren
Auf Antrag der Skigebietsbetreiber wurde die für 22. bis 24. Januar vorgesehene Verhandlung zum Projekt „Skigebietserweiterung und -zusammenschluss Pitztal-Ötztal“ von der UVP-Behörde abgesagt.

Keine Erschließung im Malfontal

Bundesverwaltungsericht stoppt Zusammenschluss St. Anton - Kappl

Mehr erfahren
Das Bundesverwaltungsgericht in Wien hebt die Genehmigung für die geplante Skischaukel zwischen St. Anton und Kappl durch das Malfontal auf. Die Urteilsverkündung: die Interessen des Naturschutzes überwiegen die touristischen Interessen.