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Extra Sammlung Schlagintweit

Die Brüder Schlagintweit

Die Münchner Forscher Hermann, Adolph und Robert Schlagintweit gehörten zu den ersten Wissenschaftlern, die den Himalaya und das Karakorum systematisch untersuchten.

Beeinflusst von Alexander von Humboldt (1769-1859) führten sie genaueste Untersuchungen in verschiedensten Disziplinen durch, um damit ein auf empirischen Erkenntnissen beruhendes, aber der Vielfalt der Erscheinungen gerecht werdendes Bild der Welt zu gewinnen. 
 
Zur Sammlung im Alpinen Museum: Schlagintweit im Historischen Alpenarchiv.
 

Herkunft und Ausbildung

Hermann (1826-1882), Adolph (1829-1857) und Robert (1833-1885) Schlagintweit wurden als drei von fünf Kindern eines Münchner Augenarztes geboren. Die Jungen erhielten eine umfassende Erziehung, insbesondere in den Naturwissenschaften. Der Münchner Maler Johann Georg von Dillis unterrichtete sie außerdem im Malen und Zeichnen.

 

1842 unternahmen Hermann und Adolph die erste Bergwanderung in den Alpen. Hermann gab sein Medizinstudium auf und wurde Geograf. Seit 1847 veröffentlichte er geologische, glaziologische und botanische Untersuchungen der Alpenregionen.

 

1850 gaben er und Adolph die Ergebnisse ihrer Alpenforschungen in dem ersten gemeinsamen Werk Untersuchungen über die physicalische Geographie der Alpen in Beziehungen zu den Phänomen der Gletscher, zur Geologie, Meteorologie und Pflanzengeographie (Leipzig 1850) heraus. Es folgten 1854 die Neue[n] Untersuchungen über die physikalische Geographie und die Geologie der Alpen (Hermann, Adolph und Robert Schlagintweit; Leipzig 1854).
 
 
Hermann Schlagintweit habilitierte sich in Berlin, Adolph in München. Alexander von Humboldt wurde auf die beiden Brüder aufmerksam und förderte sie. Auf seine Anregung hin unternahmen die Brüder zusammen mit dem jüngeren Robert von 1854 bis 1857 eine dreijährige Forschungsreise durch Indien und Hochasien.

 


 
 

Die Expedition durch Indien und Hochasien

Nach Fürsprache von Alexander von Humboldt und mit finanzieller Unterstützung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. beauftragte die britische East India Company die drei Brüder mit erdmagnetischen Messungen für ein umfassenden Kartierungsprojekt in den asiatischen Teilen des britischen Empires. Darüber hinaus waren sie frei, weitere Forschungen zu betreiben.

 

Am 20. September 1854 brachen die Brüder zu ihrer Expedition auf, auf der sie über 29.000 Kilometer zurücklegten. Neben den erdmagnetischen Messungen führten sie Untersuchungen unter anderem in der Glaziologie, der Geografie, der Mineralogie, der Anthropologie und Klimaforschung durch. Dafür betraten und vermaßen sie viele Regionen als erste Europäer. Bei dem Versuch, den Berg Kamet zu besteigen, erstellten sie mit 6.785 überwundenen Höhenmetern einen neuen Höhenrekord auf. Das schlechte Wetter machte jedoch eine Gipfelbesteigung unmöglich.
 
Während der Reise wurde Adolph, den aufständische Rebellen für einen chinesischen Spion hielten, am 26. August 1857 enthauptet.
 
Als Hermann und Robert Schlagintweit im Sommer 1857 nach Europa zurückkehrten, kamen sie mit atemberaubenden Daten und Sammlungen zurück. 750 Aquarelle, zahllose Skizzen und schriftliche Aufzeichnungen hielten ihre Eindrücke und Untersuchungsergebnisse fest. Hinzu kamen einige wenige Fotografien, Gesteinsproben, ein Herbarium, Baumdurchschnitte, Sämereien, zoologische Präparate, Menschenskelette, Gipsabgüsse und ethnografische Alltags- und Kulturgegenstände.
 
Im Anschluss an die Expedition widmete sich insbesondere Hermann Schlagintweit Zeit seines Lebens der Auswertung dieser Expedition. Unter anderem entstanden die Werke Reisen in Indien und Hochasien (Hermann Schlagintweit; Jena 1869-1880) und Results of a scientific mission to India and High Asia (Hermann u. Robert Schlagintweit; Leipzig / London 1861-1866).

 

 

Die Sammlung(en)

In den folgenden Jahrzehnten wurden diese Sammlungen über zahlreiche Institutionen in Großbritannien und Deutschland verstreut. In München sind dies allein das Staatliche Museum für Völkerkunde, die Bayerische Staatsbibliothek und die Staatliche Graphische Sammlung.

 

Auch der Alpenverein war schon früh am Werk der berühmten Forscher interessiert. Der Austausch bedeutender Wissenschaftler über die Hochgebirgsforschung und die Publikation der Erkenntnisse spielten eine große Rolle im jungen Verein. So veröffentlichte Hermann von Schlagintweit 1870, im zweiten Jahrbuch des Deutschen Alpenvereins, einen Aufsatz über Höhengrenzen in verschiedenen Gebirgen der Welt und hielt dazu einen Vortrag in der Sektion München des Deutschen Alpenvereins. Im 1911 eröffneten Alpinen Museum war den Gebrüdern Schlagintweit ein gesondertes Kapitel gewidmet und unter anderem der Manuskript- und Materialband zum Werk Untersuchungen über die physikalische Geographie der Alpen ausgestellt (heute im Alpenverein-Museum OeAV, Innsbruck).
 
Dank ausführlicher Recherchen durch Stephanie Kleidt (Mitkuratorin der Sonderausstellung "Über den Himalaya. Die Expedition der Brüder Schlagintweit nach Indien und Zentralasien 1854 bis 1858") liegt nun eine Konkordanz vor, die den Verbleib bzw. Verlust der von den Brüdern Schlagintweit in Indien und den angrenzenden Hochgebirgen aufgenommenen Aquarelle und Zeichnungen systematisch darzustellen versucht. 
 
 

Ausgewählte Literatur und Internet:

 

  • Finkelstein, Gabriel. Berge von Daten. Die Obsession der Gebrüder Schlagintweit. In: Felsch, Philipp; Gugger, Beat; Rath, Gabriele (Hg.). Berge, eine unverständliche Leidenschaft. Begleitbuch zur Ausstellung des Alpenverein-Museums in der Hofburg Innsbruck, 2007-2012. Wien / Bozen 2007, S. 49-73
  • Kick, Wilhelm. Alexander von Humboldt und die Brüder Schlagintweit. In: Claudius C. Müller, Walter Raunig. Der Weg zum Dach der Welt. Innsbruck, Frankfurt / Main 1982, S. 75-77
  • Körner, Hans. Die Brüder Schlagintweit. In: Claudius C. Müller, Walter Raunig. Der Weg zum Dach der Welt. Innsbruck, Frankfurt / Main 1982, S. 62-75 (mit ausführlicher Bibliografie der Schriften der Gebrüder Schlagintweit)
  • Lindgren, Uta. Die naturwissenschaftlichen Forschungen der Gebrüder Schlagintweit in Hochasien. In: Claudius C. Müller, Walter Raunig. Der Weg zum Dach der Welt. Innsbruck, Frankfurt / Main 1982, S. 98-104
  • Lütli, Jürgen. Heile Welt oder Rückständigkeit? Deutschland, Indien und das deutsche Indienbild. Das romantische und das utilitaristische Indienbild Europas. In: Der Bürger im Staat, H. 1, 1998
  • Polter, Stefan B. Nadelschau in Hochasien: Englische Magnetforschung und die Brüder Schlagintweit. In: Claudius C. Müller, Walter Raunig. Der Weg zum Dach der Welt. Innsbruck, Frankfurt / Main 1982, S. 78-80, 97-98
  • Schlagintweit, Stefan. Die Brüder Schlagintweit – ein Abriß ihres Lebens. In: Claudius C. Müller, Walter Raunig. Der Weg zum Dach der Welt. Innsbruck, Frankfurt / Main 1982, S. 11-13 
  • Seeberger, Max. Die wissenschaftlichen Instrumente der Brüder Schlagintweit auf ihren Forschungsreisen in Hochasien. In: Claudius C. Müller, Walter Raunig. Der Weg zum Dach der Welt. Innsbruck, Frankfurt / Main 1982, S. 104-112
  • Trentin-Mayer, Maike. Die Indien- und Hochasienreise der Brüder Schlagintweit. In: Köck, Christoph. Reisebilder. Produktion und Reproduktion touristischer Wahrnehmung. Münster u. a. 2001, S. 41-51