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Jüdische Bergsteiger*innen: Bewundert, ausgegrenzt und verleugnet

Veranstaltung der IPPG und des DAV

Anlässlich des Festjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ informierten der Deutsche Alpenverein (DAV) und die Internationale Paul Preuss Gesellschaft (IPPG) am 11. Mai 2022 mit einer Veranstaltung über das weithin unbekannte Verhältnis von jüdischen Alpinist*innen und dem Bergsport im deutschsprachigen Raum.

Toleranz – Ausgrenzung – Aufarbeitung

Vor dem Ersten Weltkrieg war das Verhältnis der Sektionen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins (DuÖAV) gegenüber jüdischen Bergsteigerinnen und Bergsteigern im Allgemeinen durch Toleranz gekennzeichnet. Nach dem Kriegsende 1918 wurden sie immer weniger in das Vereinsleben einbezogen; ab 1933 wurden jüdische Mitglieder fast lückenlos ausgegrenzt. Lange wurde diese Tatsache innerhalb der Alpenvereine verdrängt, und erst Ende der 1980er Jahre begann die geschichtliche Aufarbeitung.

 

Die Veranstaltung sollte verdeutlichen, wie sich der DAV und prominente Bergsportler im deutschsprachigen Raum mit dem Erbe der Vergangenheit auseinandersetzen und wie sie sich heute gegen Diskriminierung, Ausgrenzung und Intoleranz engagieren.

 

Livestream der Veranstaltung am 11. Mai 2022

In diesen Zeiten die Stimme erheben

Vertreterinnen und Vertreter des DAV und der IPPG zeigen mit der Veranstaltung, wie wichtig es ist, gerade in den aktuellen Zeiten, die durch den Krieg, wachsenden Hass und Antisemitismus geprägt sind, die Stimme zu erheben und ein Zeichen für Respekt und Gerechtigkeit zu setzen. In ihren Redebeiträgen machen die Sprecherinnen und Sprecher ihre - vor allem auch durch die Geschichte des Österreichischen und Deutschen Alpenvereins bedingte - Verantwortung, sich in diesen Zeiten klar zu positionieren und gegen Intoleranz anzugehen, deutlich. 

 

Josef Klenner, Präsident des DAV

„In einer Zeit, in der der Antisemitismus in unserem Land allgegenwärtig ist, in der Krieg in Europa wütet, ist jede und jeder Einzelne gefragt, beginnend mit den Vorständen, den Vereinsaktiven bis zum einzelnen Mitglied, dafür einzustehen.“ 

 

Staatsminister a. D. Dr. Ludwig Spaenle, MdL

„Ich darf Ihnen danken, dass Sie als Alpenverein auch die dunklen Seiten dieses Verbandes wie vieler Verbände in den Blick nehmen und auch Klartext sprechen.“ 

 

Georg Bachler, Obmann der IPPG

„Und wir wissen, handeln können wir nur in der Gegenwart. Deswegen ist die Veranstaltung jetzt wichtig. Und wir wissen, dass wir jetzt wach sein müssen, jetzt die Stimme erheben müssen, jetzt Tatkraft zeigen müssen. Und das ist ein Charakteristikum von uns Bergsteigern, dass wir Tatkraft haben, dass wir nicht nur philosophieren, sondern tun.“ 

 

Andreas Dick, Alpinjournalist und Bergführer

„Sicher unterwegs zu sein, war auch für Paul Preuß die oberste Maxime. Er hat aber klargestellt, dass Sicherheit im Ursprung aus uns selbst kommen muss. Aus Exzellenz, Konsequenz und Demut. Und er hat uns ein Ideal vorgelebt, dass heute wichtiger ist, denn je: Echtes Wachstum gelingt durch Verzicht.“ 

 

Robert Renzler, ehemaliger Generalsekretär des ÖAV

„Ich musste auch an Viktor Frankel denken und an seine Botschaft, die er selbst lebte und der Welt hinterließ: Dem Leben Sinn zu geben. Einen Sinn, der durch das Leben mit all seinen Freuden, Leiden und Nöten trägt, wozu bei ihm auch das Bergsteigen zählte.“ 

 

Dr. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern - vorgetragen von Melanie Grimm, Vizepräsidentin DAV

„Entscheidend ist aber, dass der jüdische Blick auf die Berge heute nicht mehr von Hass und Missgunst anderer verstellt wird – und dass gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, das geteilte Kulturerbe anzuerkennen.  

Das macht die Vergangenheit nicht ungeschehen – aber es kann den kommenden Generationen einen neuen und besseren Weg aufzeigen, den sie in Zukunft einschlagen können. Wer weiß schließlich, wann uns der nächste Paul Preuss vergönnt sein wird?“

 

Den ganzen Beitrag Charlotte Knobloch: Der jüdische Blick auf die Berge [203 kb] können Sie hier lesen.

 

Simon Keller, Bundesjugendleiter der JDAV

„Ich fand und finde es beschämend, was vor nicht langer Zeit unter fast dem gleichen Namen wie heute und unter dem gleichen Zeichen des Edelweißes getan wurde. [...] Wir wollen Teil einer Gesellschaft sein, die sich entschlossen gegen Intoleranz und Ausgrenzung stellt, eine Gesellschaft, die für Offenheit, Vielfalt und Akzeptanz einsteht.“ 

 

Thomas Huber, Bergsteiger

„Kein Gipfel kann so groß sein, wie das Leben selbst. Das Leben ist für mich der größte Gipfel. Und ich verschönere diesen Moment des Lebens mit schönen Bergtouren“ 

 

Service für die Presse

 

Presseberichterstattung zur Veranstaltung

 

Antisemitismus und Alpenverein: Im Gespräch mit Nicholas Mailänder

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Der 1949 geborene Diplom-Pädagoge Nicholas Mailänder war von 1991-1999 beim DAV zuständig für den Aufgabenbereich Klettern und Naturschutz, von 2008-2012 Geschäftsstellenleiter des Kuratoriums Sport und Natur (Dachverband der deutschen Natursportverbände). Darüber hinaus ist er Autor von Werken zur Geschichte des Bergsteigens, wie "Im Zeichen des Edelweiß - Die Geschichte Münchens als Bergsteigerstadt" (2006) oder "Er ging voraus nach Lhasa", eine Biografie des Tibetforschers Peter Aufschnaiter (2019). In diesem Zusammenhang beschäftigte er sich auch intensiv mit der Geschichte des Bergsteigens in Deutschland und Österreich zwischen 1918 und 1945.