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Frauen am Berg, Frauen im DAV

08.03.2018, 09:05 Uhr

Am 8. März 2018 wurde der Internationale Frauentag begangen. Grund genug, einmal mehr über Frauen und das gleichberechtigte Miteinander mit Männern - auch im Deutschen Alpenverein - zu sprechen.

Rückblickend lässt sich – vor allem für die Jüngeren – kaum vorstellen, dass in Sachen Gleichberechtigung vieles noch vor gar nicht so langer Zeit noch ganz anders war:

 

Lange Jahre war das Eröffnen eines eigenen Bankkontos, das Erlangen des Führerschein und selbst das Arbeiten ohne Einwilligung des Ehemanns nicht möglich. Und das, obwohl seit 100 Jahren Frauen in Deutschland wählen dürfen und seit 1949 laut Grundgesetz mit Männern gleichberechtigt sind.

 

Auch für den Alpenverein war es ein nicht immer einfacher Weg: Obwohl der Verein schon in seinen Anfängen Frauen gegenüber offen war, lehnten viele Sektionen lange die Vollmitgliedschaft für Frauen ab.

 

Erst 1960, und unter teils starkem Protest, wurde die sogenannte „Ehefrauenmarke“ abgeschafft, mit denen Frauen zwar Vergünstigungen auf Hütten, aber keine Mitbestimmung im Verein gewährt wurde.

 

Viel hat sich seither geändert: Heute sind gut 42 Prozent der Alpenvereinsmitglieder weiblich, dieses Verhältnis spiegelt sich auch im Präsidium wider. Seit der Jahrtausendwende widmet sich der Alpenverein außerdem verstärkt den Fragen der – strukturellen – Gleichberechtigung. 

 

Frauen & Berge – in allen Facetten

Zum Internationalen Frauentag stellen wir – stellvertretend für viele andere – fünf (bzw. sechs) Frauen vor, die sich auf ganz unterschiedliche Weise den Bergen verschrieben haben und durch ihre Persönlichkeit das Alpenvereinsleben auf ganz eigene Art prägen – und damit andere inspirieren und motivieren; gemeinsam mit ihren männlichen Kollegen, Teammitgliedern oder Partnern.

 

Anna Schober: Integration durch Interaktion

Schon seit der Kindheit in den Bergen unterwegs und Mitglied im Alpenverein. Seit 2016 kann sie beruflich ihre Begeisterung für die Berge mit sozialem Engagement verbinden: Anna ist eine von vier Projektkoordinatorinnen von Alpen.Leben.Menschen (A.L.M.), dem gemeinsamen Projekt von Malteser Hilfsdienst und Deutschem Alpenverein zur Integration von Flüchtlingen im bayerischen Alpenraum. Die A.L.M.-Idee: den Kulturschock überwinden und in den Bergen im größeren Maßstab Begegnungen auf Augenhöhe zwischen Einheimischen und Geflüchteten ermöglichen.

 

„Bei den Flüchtlingen beobachten wir, dass sich im Vorfeld der Touren die Frauen oft weniger zutrauen als die Männer. Wenn sie dann doch mitkommen, blühen sie aber richtig auf – wir haben den Eindruck, dass sie auf den Touren nicht nur ihr gelerntes Deutsch in der Praxis ausprobieren, sondern auch ganz viel Selbstvertrauen tanken. Das Problem: Frauen erreichen wir bisher viel schwieriger als Männer. 2018 wollen wir deshalb unser Netzwerk ausbauen und verstärkt Familienwanderungen und Aktionstage für Frauen anbieten. Für unsere Touren suchen wir auch noch weitere einheimische Tourenbegleiterinnen, vor allem für die Familienangebote.“

 

Fakt: Seit Projektstart haben mehr als 600 Flüchtlinge und mehr als 450 Einheimische mit A.L.M. Zeit in den Bergen verbracht.

 

Sylvia und Claudia Studer: Frauenpower am Berg

Arbeiten in einem der schönsten Talschlüsse der Ostalpen, dem Innergschlöss im Nationalpark Hohe Tauern: Für Sylvia und Claudia Studer wurde das 2014 Wirklichkeit, Mama und Tochter bewirtschaften seither gemeinsam mit Papa Wilfried die Neue Prager Hütte.

Während Wilfried Bergführer und zusätzlich für alles Technische sowie Wasser zuständig ist, umsorgt das Mutter-Tochter-Gespann die Bergsteiger und Wanderer in der Hütte von A-Z:

 

„Mama ist der Ruhepol und schaut, dass in der Küche alles seine Ordnung hat. Und ich kümmere mich darum, dass jeder Gast einen schönen Schlafplatz bekommt und alle zufrieden sind. Wir wollen mit unseren Besuchern Spaß haben – wenn es den Gästen gefällt, gefällt es uns auch. Das macht viel Arbeit und in die tollen umliegenden Berge kommen wir zwei in der Saison eigentlich nicht. Aber wenn alles schläft und wir mit einem Glas Wein vor der Tür sitzen und Mond, Sterne und Wolken beobachten, dann ist das wunderbar.“

 

Fakt: Rund 30 Prozent der Hütten des DAV werden von Frauen bewirtschaftet; 90 Prozent von Paaren und Familien.

 

Petra Weigel: Vom Rollstuhl in die Kletterwand

2004 erhielt Petra Weigel die Diagnose MS – die „Krankheit mit tausend Gesichtern“: MS, multiple Sklerose, ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Erste Symptome können Gefühls-, Gleichgewichts- oder Sehstörungen sein. Seit April 2013 sitzt Petra aufgrund ihrer Krankheit im Rollstuhl. Kurz zuvor hatte ihr Mann Peter eine Handicap-Klettergruppe speziell für MS-Kranke gegründet, die GäMSen Wuppertal, in der heute 30 Betroffene gemeinsam mit 13 Ehrenamtlichen zusammen klettern.

 

„Ich war zwar auch vorher schon ein paar Mal klettern, aber so richtig gebissen hat es mich erst, als die Gruppe gegründet und ich deutlich betroffen von der Krankheit war. Sport trotz Handicap! – Ich finde es toll zu sehen, dass ich Dinge erreichen kann, mit denen ich nicht gerechnet hätte. Motivierend und besonders schön ist, wenn man den Schweinehund besiegt und die Route schafft. Abgesehen davon freue ich mich heute in erster Linie wegen des entstandenen Gemeinschaftsgefühls auf das Klettern. In der Gruppe sind wir mittlerweile eher Freunde als Kletterpartner und tauschen uns über die Erkrankung hinaus auch über persönliche Dinge aus. Wer frisch die Diagnose MS erhält, dem möchte ich raten, sein Leben aktiv weiter zu gestalten. Klettern ist da aber nur eine der Möglichkeiten.“

 

Fakt: Im DAV existieren inzwischen 16 – vielfach von Frauen im Ehrenamt geleitete – inklusive Handicap-Klettergruppen für Erwachsene, Jugendliche und Kinder. Sie bieten Menschen mit allen erdenklichen Einschränkungen Raum, von Down-Syndrom und Querschnittslähmung bis hin zu Amputationen oder eben MS. Informationen zu diesen Gruppen gibt es hier; andere Inklusive Angeboten des DAV unter diesem Link.

 

Sunnyi Mews: Im Einsatz für junge (Alpenvereins-)Menschen

Bundesjugendleiterin und Vizepräsidentin des DAV. Nachdem Sunnyi Mews bereits seit Ende 2016 kommissarische Bundesjugendleiterin war, wurde sie ein Jahr später in die Doppelspitze der Jugend des Deutschen Alpenvereins (JDAV) gewählt und vertritt die Jugend nun bis 2021 innerhalb des Vereins, wo sich die 25-jährige Psychologie-Studentin vor allem zu Fragen der Nachhaltigkeit und der Interessensvertretung der JDAV gegenüber DAV und Gesellschaft engagiert.

 

„Mit Blick auf das Ehrenamt möchte ich Mädchen und Frauen den Mut und das Selbstbewusstsein zusprechen, für Themen einzustehen. Aber eben nicht, weil sie weiblich sind, sondern weil sie zu dem stehen sollten, was ihnen wichtig ist. Meine Botschaft an junge Frauen ist: Traut euch! Ihr könnt das!

 

Um junge Frauen im Ehrenamt zu fördern, haben wir in der JDAV die paritätische Doppelspitze auf vielen Ebenen und eine eigene Projektgruppe zum Thema Geschlechtergerechtigkeit. Unser grundsätzliches Ziel ist aber weiter gefasst: Unsere Angebote sollen allen jungen Menschen offenstehen.“

 

Fakt: Der Frauenanteil im DAV-Ehrenamt liegt derzeit bei rund 30 Prozent. Besonders viele Frauen (56 Prozent) sind als Familiengruppenleiterinnen tätig. Weitere Informationen zum DAV-Ehrenamt.

 

Dörte Pietron: Auf die Berge der Welt

Diplomphysikerin und Profibergführerin. Als erste Frau durchstieg sie die Westwand des Cerro Torre in Patagonien, der als einer der schönsten und auch schwierigsten Berge der Welt gilt. In der gleichen Region gehörte sie der ersten Frauenseilschaft an, die am Nordwestpfeiler des Cerro Fitz Roy die "Afanassieff-Route" klettern konnte. Auf ihr Konto gehen zudem diverse Yosemite-Bigwalls wie Nose, Astroman und Regular. Seit 2011 ist Dörte Trainerin des DAV-Frauenteam-Expeditionskaders. Sie selbst gehörte 2003-2005 noch einem gemischten Exped-Kader an. Das Frauenteam ist erstmals 2011 an den Start gegangen – und wird seitdem immer beliebter. Das sieht man zum Beispiel an der Zahl der Bewerberinnen, die beim aktuellen Expedkader dabei sein wollten: Insgesamt 25 Bewerbungen gab es für das Sichtungscamp – so viele wie nie zuvor.

 

Fakt: Derzeit wird der dritte Damen-Exped-Kader ausgebildet. Ziel der fast dreijährigen Förderung ist es, am Ende als eigenständiges Expeditionsteam Erstbegehungen und Erstbesteigungen im Höhenbergsteigen zu meistern.

 

Ein wichtiges Ziel: Geschlechtergerechtigkeit erreichen

Fünf Beispiele für einen seit Jahren ungebrochenen Trend: Der DAV wird weiblicher. Ob bei den Mitgliederzahlen auf dem Papier und am Berg, im Ehrenamt oder im Vereins-Präsidium. Wie man an den Zahlen aber auch sieht, ist es in vielen Bereichen noch ein langer Weg zur Geschlechtergerechtigkeit. 

Posten und Rollen im Verein geschlechtergerecht zu verteilen heißt aber immer auch, Persönlichkeiten entfalten und agieren zu lassen, die andere begeistern, motivieren und inspirieren können – egal, ob Mann oder Frau.