Bernd Römmelt: Heimat
Bildband
04.09.2019, 13:51 Uhr
Der Fotograf Bernd Römmelt zeigt mit diesem hymnischen Bildband, wie seine Heimat das Zuhause der Seele ist – und wie ungeahnt großartig die vermeintlich altbekannten Bayerischen Voralpen sein können.
„Als ich die ersten großen und langen Reisen ins Ausland unternommen habe, merkte ich plötzlich, wie mir das Vertraute fehlte“, schreibt der Autor im Vorwort – das Vertraute einer der „schönsten Regionen Deutschlands, wenn nicht gar ganz Europas“, der Voralpen südlich von München, wo er aufgewachsen ist. Und als er 2018 komplett ohne große Reise verbrachte und nur zuhause fotografierte, erlebte er „vielleicht das fotografisch wertvollste Jahr meiner Fotografenlaufbahn“, die immmerhin schon fast 20 Jahre dauert.
Nicht nur Bilder von 2018 sammelt der Bildband „Heimat“: Es sind die Highlights aus einem Leben in einer Landschaft, wo Römmelt rund 300 Tage pro Jahr mit der Kamera auf Motivsuche ist. Und sie lassen das Wort in seiner tiefen Bedeutung hautnah erfahrbar werden: Heimat, einen Begriff, der von Extremisten des Egoismus derzeit politisch wieder missbraucht wird. Und der doch von Harmonie singt, vom Einswerden mit der Welt, vom Geborgensein zuhause.
In acht Kapitel gliedert Römmelt seine Heimat-Erforschung: Am Berg, Am Wasser, Morgenstund hat Gold im Mund, Wenn andere nach Hause gehen (Schlechtwetterbilder), Mit Adleraugen unterwegs (Drohnen-Aufnahmen), Im Laufe der Zeit (Jahreszeiten), Begegnungen (mit Tieren) und Augenblicke. Zu jedem erzählt er von seinen Erfahrungen und auch von dem Engagement, das gute Landschaftsfotografie erfordert: Da muss man schon mal in den Schnee liegen, um treibende Kristalle im Gegenlicht einzufangen; steht vor Tag und Licht auf, um das erste Schimmern zu erleben; sitzt Donner und Sturm aus (wenn auch im Auto), um Gewittergüsse und Blitzbahnen abzulichten.
Doch die Ergebnisse lohnen den Aufwand. Da leuchtet ein Regenbogen über einer sonennbestrahlten hellgrünen Waldlandschaft unter nachtblauem Gewölk. Die Morgensonne beleuchtet dramatische Wolkenburgen über dem silbervernebelten Tiefgrün einer morgendlichen Wiese, während über blauen Vorbergen das Zugspitzmassiv aufflammt. Sonnenfinger greifen durchs Geäst eines Baumes oder brechen durch Unwetterwolken. Die Drohne fängt Farbenspiele von Flüssen, Seen und Wäldern ein, Stimmungen wie am Äquator oder in Skandinavien – und macht aus Landschaften grafische Abstraktionen.
Altbekannt, neu gesehen
Immer wieder sind die gleichen Berge zu sehen: Herzogstand und Heimgarten, Zugspitze, Benediktenwand – und doch immer wieder aus neuen Perspektiven, in neuen Zusammenhängen, mit neuem Blick. Mal ragen sie unnahbar in den eisigen Himmel, als wären sie dreitausend Meter höher und stünden am anderen Ende der Erde. Mal werden sie schier erdrückt von schwarzen Wolkenballen. Mal heben sie sich kaum ab aus dem Morgennebel über dem Vorland. Und dann kann es passieren: Der Wald steht schwarz und schweiget, und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar.
„Heimat“ kann ergreifen. Auch wenn der Fotograf den „manipulativen Charakter“ seiner Aufnahmen eingesteht: Manche Stromleitung, Straße oder Gewerbegebiete hat er unter einer Nebeldecke versteckt oder per Bildausschnitt ausgeblendet, manche Frostaufnahme lässt sich in wärmer werdenden Wintern nur noch seltener einfangen. Vor diesem Hintergrund ist Römmelts Bildband ein Hymnus an die Schönheit und gleichzeitig ein Aufschrei, diese auch seelische Heimat nicht zu verderben.
Kurzcheck
Info
Besonders geeignet für… Freunde der Bayerischen Voralpen, die gemeint haben, sie zu kennen.
Bernd Römmelt: Heimat, Tecklenborg Verlag, 2019, 152 S., 28,50 Euro
ISBN: 978-3-944327-70-9