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Expedkader Frauen - Auf Eiskletterlehrgang in Cogne

05.04.2022, 09:16 Uhr

Vom 10. - 17. Februar ging es für unseren Expedkader der Frauen ans italienische Eis - genauer gesagt: Es ging nach Cogne für einen Eiskletterlehrgang. Wie sich die Athletinnen beim Eis- und Mixedklettern geschlagen und was sie dabei erlebt haben, das berichtet Lea Luithle.

"Repentance Super" - ein Klassiker unter den Eisklettertouren

Ich werde wach, bin der festen Überzeugung, dass der Wecker bald klingeln wird und kann mich irgendwie noch nicht so recht mit diesem Gedanken anfreunden. Ein Blick auf die Uhr lässt mich durchatmen und schenkt mir nochmal 1.5 Stunden Schlaf.

 

Der wirkliche Wecker klingelt dann um 4.30. Ich bin sofort wach, weil ich weiß, dass unser heutiges Vorhaben mir und uns einiges abverlangen wird.

 

5.20: Wir laufen mit Kopflampen am Parkplatz los. Den bereits bekannten, nicht enden wollenden Zustieg, den wir auch schon gestern gelaufen sind über den vereisten Wanderweg bedeckt mit Lärchennadeln ins Tal Valeille hinein. Irgendwann müssen wir auf einen Trampelpfad abzweigen, sind uns im Dunkeln aber nicht ganz sicher, wo. Die GPS Koordinaten geben Auskunft, dass wir richtig sind. Die ganze Zeit begleitet uns die Befürchtung, dass schon andere vor uns am Eisfall sind. Waren die zwei Stunden unangenehmer Zustieg umsonst? Dörte denkt, sie hätte entfernt Kopflampen gesehen. Vielleicht waren es aber nur Sterne. Am Eisfall angekommen, noch eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang, bestätigt sich unsere Befürchtung, zwei italienische Seilschaften, sind noch früher als wir aufgestanden. Absurd. Die Welt ist verrückt. Früher aufstehen als nötig nur um Schlange zu stehen für das Recht als Erste einzusteigen. Aber was jetzt? Hinter ihnen zu klettern ist für uns keine Option. Die Gefahr durch herabfallende Eisbrocken in so einem Eisfall mit delikaten Strukturen und an einem Tag, an dem das Eis von der Kälte spröde ist ist zu groß. Wir entschließen uns, den Fall von links zu klettern, so bleiben wir neben den Italiener:innen und außerhalb der Schussrichtung. Das bedeutet konkret: uneingepickeltes Gelände, 3-dimensionale, epische Strukturen. Wir sind stoked und gleichzeitig angespannt aus Respekt vor der Linie.

 

7.00: Sonnenaufgang. Lulu steigt ein, über eine dünne Glasur, die in den ersten herausragenden Zapfenkopf mündet. Die Finger sind kalt und machen es schwierig exakt zu schlagen und dem Pump zu entgehen. Lulu schlängelt sich durch das Eislabyrinth. Wie sie das macht, bleibt mir ein Rätsel. Fasziniert schaue ich ihr zu wie sie in das harte Eis schlägt, hookt und ihre Füße in Zapfen schlägt, die nach Naturgesetzen schon längst hätten abbrechen sollen. Und wie ich an dem kalten Stand hänge und Lulu sichere, fühle ich mich wie in einem Konzertsaal. Wenn Lulu die Strukturen unwillkürlich zerbricht, klirrt und kracht es, scheppert und wummst in allen Tönen, Stimmlagen und Farben.

 

Beim Nachsteigen kämpfe ich mit der Kälte und dem ungewohnt steilen Gelände. So fühlen sich also echte 90 Grad an. Ich bin absolut fasziniert von den Eisstrukturen, Schuppen, Brokkolis, Medusen, Zapfen, Pilze, Löcher. Wären sie designt worden, hätte man es sich nicht schöner ausdenken können.

 

14.00: Die letzten Schläge, dann klettere ich hinaus der Sonne entgegen. Der zweite Teil der Tour war auch für mich Vorstiegs-freundlich. Ich laufe hin zum Standplatz an einem großen Steinbrocken und mich überkommen die Emotionen. Was für ein Geburtstagsgeschenk! Dörte und Lulu kommen nach, halb erfroren erscheint die Sonne wie ein Segen. Wir umarmen uns, essen zum ersten Mal seit 4.30 eine Scheibe Brot und machen ein paar Fotos zur Erinnerung an den schönen Moment - während der Tour verhinderten die kalten Hände größtenteils das Handy-Handling.

Während der ganzen Woche versprach uns das Eisklettern gepaart mit dem Faktor Menschenandrang intensive Momente wie diesen. Der Fokus lag auf längeren Eistouren unterschiedlicher Schwierigkeiten, wobei wir uns ab und zu erfolgreich in Mixedrouten vor anderen Menschen versteckten. An das wiederholt frühe Aufstehen konnten wir uns zwar nur schlecht gewöhnen, aber belohnt wurden wir mit einer Woche feinstem Eis, während manch andernorts das Eis immer weiter abschmolz.

 

Diese Touren konnten wir klettern:

  • Repentance Super WI6 250m
  • Patrì Gauche WI4 4SL 250m + Candelone di Patrì WI4+ 50m
  • Cold Couloir zum Punta del Rossin (2947m) WI4+ 650m + 450hm zum Gipfel über Grat
  • Un due tre... Stella (Stella Artice Mixed Variante zur 2. Seillänge) WI5 M7 200m
  • Lillaz Gully WI4 200m
  • Hard Ice in the Rock Dry WI5 M8 320m
  • Lau Bij Diretta WI5 80m
  • Candelabro del Coyote WI4+ 6 SL
 

Weitere Infos zum Expeditionskader Damen und Herren

Mer Infos zum Expedkader gibt es unter alpenverein.de/expedkader

oder auf den Sozialen Medien: 

 

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