Meteora Erstbegehungen durch Tino Tanneberger und Team
08.12.2017, 08:34 Uhr
Das Jahr neigt sich dem Ende zu und die Berichte der vom DAV geförderten kleineren und größeren Expeditionen treffen ein. An dieser Stelle berichtet Tino Tanneberger von seinen Erstbegehungen, die er gemeinsam mit seinen Freunden Frank Wehner, Felix Bähr, Mauel Hasterok, Felix Friedrich und Tom Ehrig in der griechischen Kletterregion Meteora erfolgreich umsetzen konnte.
Mythos Meteora
Nachdem ich 2007 vom Kletterurlaub in Meteora sehr begeistert war, kam ich 2014 mit Bohrmaschine und -haken im Gepäck nach Griechenland zurück. Fele und ich bohrten an zwei Tagen die Route „Black Mamba“ (5 SL, 7-) ein. Eine tolle Erfahrung, doch beim Durchwandern und Erkunden der Felsenstadt entstanden noch mehr Visionen. Schwerer, markanter - einfach großartiger sollte es werden. Am letzten Tag des Urlaubs begann ich, zwei unbekletterte Wände am beeindruckenden Gipfel des Pixari mit ein paar Haken zu versehen, um möglichst bald für einen richtigen „Bohrurlaub“ wiederzukommen.
Mit dem Ziel, die beiden Routen zu vollenden, wollte ich mit ein paar Freunden wiederkommen. Aber Leute zum Erstbegehen zu gewinnen, die sich zudem noch auf die untypische und teilweise verrufene Kletterei in Meteora einlassen wollen, war nicht so leicht. Einen gemeinsamen Termin zu finden, war noch schwerer. Eine Knieverletzung führte letztlich dazu, die für 2016 geplante Reise noch einmal zu verschieben.
8 Tage, um die Route einzurichten und frei zu klettern
Ein neuer Anlauf im Frühjahr 2017. Diesmal finden sich fünf motivierte Sachsen – Frank Wehner, Felix „Fele“ Bähr, Manuel Hasterok, Felix „Feli“ Friedrich und Tom Ehrig (der dann leider verletzungsbedingt doch nicht mitmachen kann) - die mit mir zum Pixari kommen, um meine Traumlinien zu erschließen. Zusätzlich begleiten uns noch fünf Freunde, um „ganz normal“ in Meteora zu klettern und gute Stimmung zu verbreiten.
Die Anreise ist nahezu unkompliziert. Nur die 200 Bohrhaken und die Bohrmaschinen stellen beim Flug nach Thessaloniki eine gewichtstechnische Herausforderung dar. Der mit vier Leuten und dem Material bepackte Mietwagen der kleinsten Kategorie macht auf dem Weg vom Flughafen nach Meteora auch keine gute Figur, hält aber durch. Gleich am ersten Abend besichtigen wir die Wand. Alle sind sichtlich beeindruckt. Die gedanklichen Linien in den Wänden links und rechts von der bekannten Route „Archimedes“ sind glatt, senkrecht und gefühlt endlos, fast etwas abschreckend. Wir haben nun genau acht Tage, um die Routen einzurichten und frei zu klettern.
Runder Kiesel als Herausforderung
Am nächsten Morgen geht es zeitig los. Vor Aufregung hält es niemand lange im Zelt aus. Wir wollen die Routen - wie in Meteora üblich - von unten nach oben erschließen. Doch genau das ist die große Herausforderung beim Erstbegehen schwerer Routen hier. Man findet nahezu keine natürlichen Sicherungspunkte vor und die meteoratypischen Kiesel sind zu rund, sodass man nur selten Skyhooks und Schlingen anbringen kann, um daraus die Haken zu schlagen. Oft krallt man sich mit einer Hand an einem Kiesel fest, während man mit der anderen Hand das Loch für den Haken bohrt. Erschwerend kommt hinzu, dass man oft mit Bohrmaschine am Gurt klettert und am jungfräulichen Fels nicht alle Kiesel einer Belastungsprobe standhalten.
Trotzdem kommen Frank und Manuel in der linken Route gut voran. Am Ende des ersten Tages haben sie anderthalb neue Seillängen eingerichtet. In der rechten Route geht es deutlich schleppender voran. Die Gesteinsqualität ist im unteren Bereich etwas gewöhnungsbedürftig und es ist gleich zu Beginn ziemlich schwer. Ich bin nach vier gebohrten Haken vorerst moralisch verschlissen. Fele und Manuel zeigen vollen Einsatz und so steht Manuel am Ende des Tages auf dem kühlschrankgroßen Kiesel, der das Ende der ersten Seillänge markiert.
Auch in Meteora lässt es sich schwer klettern
In den nächsten Tagen zwingt gutes Wetter zum zeitigen Aufstehen, da die Sonne ab 14 Uhr die Routen bestrahlt und ein Klettern fast unmöglich macht. Feli verstärkt das Bohrteam und rotierend klettert und bohrt jeder mal in einem der Projekte. Nach drei Tagen ist die linke Route fertig eingebohrt, aber es sind noch nicht alle Züge frei geklettert. In der rechten Route geht es durch sehr schwere Wandpassagen weiterhin langsamer voran, doch der dritte Standplatz ist erreicht und es folgt vermeintlich leichteres Gelände. Am fünften Tag befreien Frank und Manuel die linke Route.
Sie wird „Heureka“ (7 SL, 8+) getauft und in den folgenden Tagen noch von zwei unserer Seilschaften rotpunkt geklettert. Der Name nimmt Bezug auf die Nachbarroute „Archimedes“, der angeblich nach der Entdeckung des archimedischen Prinzips „Heureka“ rief. Seither gilt Heureka als freudiger Ausruf nach dem Finden der gelungenen Lösung einer schwierigen Aufgabe.
Bei der rechten Route beginnt ein Spiel gegen die Zeit. Da wir genau eine Seillänge pro Tag eingebohrt haben, bleiben noch drei Tage zum freien Durchstieg. Glücklicherweise gelingt Fele und mir die erste freie Begehung gleich am nächsten Tag. Acht Stunden haben wir für unsere „nur“ 165 m lange neue Route gebraucht, so schwer ist sie. Ein kleines Wunder, dass alle Kletterstellen frei lösbar sind und immer ein (wenn auch kleiner) Kiesel kommt.
Für mich geht mit der Bezwingung der „Marvelous Marbles“ (fabelhafte Murmeln) ein Traum in Erfüllung. Eine weitere freie Begehung erfolgt von Frank und Manuel tags darauf. Aufgrund der anhaltenden Schwierigkeiten (5 lange SL, 9+) ist diese Route die vielleicht schwerste Mehrseillängenroute in Meteora. Der Mythos, dass man in Meteora nicht schwer klettern kann, ist damit gebrochen und Vangelis, „unser“ Local vor Ort, glücklich über unseren Beitrag zur Erschließung des Gebietes.
Vielen Dank für die Unterstützung an den Deutschen Alpenverein und den Sächsischen Bergsteigerbund.
(alle Fotos: Tino Tanneberger)
Die Fakten
Heureka
7 Seillängen, 8+, 150 m
(1. SL: 6+, 30 m, 7 BH, 2. SL: 7-, 30 m, 8 BH, 3. SL: 8+, 20 m, 8 BH, 4. SL: 8+, 20 m, 9 BH, 5. SL: 8-, 10 m, 5 BH, 6. SL: 7, 30 m, 12 BH, 7. SL: 5, 20 m, 4 BH)
Erstbegeher: Frank Wehner, Manuel Hasterok, Felix Friedrich, Felix Bähr, Tino Tanneberger
1. RP-Begehung: 04.05.2017 Frank Wehner, Lars Schönberger
Marvelous Marbles
5 Seillängen, 9+, 160 m
(1. SL: 9-, 35 m, 15 BH, 2. SL: 9-, 25 m, 10 BH, 3. SL: 9+, 40 m, 22 BH, 4. SL: 8, 25 m, 12 BH, 5. SL: 7+, 38 m, 12 BH)
Erstbegeher: Frank Wehner, Manuel Hasterok, Felix Friedrich, Felix Bähr, Tino Tanneberger
1. freie Begehung (af): 04.05.2017 Tino Tanneberger und Felix Bähr
Der ausführliche Expeditionsbericht kann hier als PDF eingesehen werden: Expeditionsbericht Meteora2017 [3,10 MB]
Tino Tanneberger im Portrait
An dieser Stelle gehen wir immer mit den Initiatoren der geförderten Expeditionen ins Gespräch, um ein bisschen mehr von den Kletterafinen zu erfahren, die die unterschiedlichsten Klettergebiete der Welt bereisen.
Tino wurde am 03.09.1985 geboren. Er lebt mit seiner Partnerin in Dresden, ist gelernter Ingenieur für Verfahrenstechnik und hat ein 2-jähriges Kind. Er beantwortete uns folgende Fragen:
Nachgefragt
Was machst Du für eine Ausbildung/Beruf/Studium?
Als Entwicklungsingenieur/Produktmanager eines Dresdner Unternehmens für Anlagenbau habe ich die technische Verantwortung für einen bestimmten Anlagentyp.
Was sagen Deine Eltern/Familie/Partner/Freunde zu Deinem Bergsport? Gibt es Kritik oder Bedenken?
Alle meine Freunde sowie meine Freundin klettern, insofern gibt es da wenig Bedenken. Ich denke meine Risikobereitschaft ist im Vergleich zu befreundeten Kletterern nicht überdurchschnittlich hoch. Da ich vorrangig im sächsischen Sandstein unterwegs bin, sind die objektiven Gefahren etwas geringer als im alpinen Gelände. Meine Eltern klettern nicht, haben aber kein Problem damit.
Welche Hobbys / Interessen hast Du?
Volleyball, Skilanglauf, Grillen
Wie finanzierst Du Dich?
Über meine Anstellung in Dresden
Was magst Du an Menschen? Was regt Dich auf?
Mit ehrlichen und von etwas faszinierten Menschen kann ich gut umgehen. Intoleranz und Egoismus stören mich.
Was sind Deine Stärken? Was sind Deine Schwächen?
Stärken: Allroundeigenschaften beim Klettern, Organisieren, Ausdauer und körperliche Belastbarkeit
Schwächen: Hunger macht schlechte Laune, keine Motivation beim Hallentraining, keine Spezialisierung beim Klettern
Wie hast Du mit dem Bergsport angefangen?
In der Schulzeit bin ich erstmals mit meiner Klasse zum Klettern gefahren. Dem folgten Ferienlager mit Kletterschwerpunkt in der Sächsisch-Böhmischen Schweiz. Die Betreuer dieser Kletterlager nahmen mich später auch privat zum Klettern mit bis ich die elementaren Fertigkeiten beherrschte.
Woher kommt Deine Motivation?
Die Entdeckung des Unbekannten. Bei jeder unbekannten Route gibt es etwas Neues zu erleben. In meinem Hausgebiet, der Sächsischen Schweiz, gibt es schon allein mehr Wege als ich in meinem ganzen Leben klettern kann. Noch interessanter sind Wände in denen man neue Routen erschließen kann. Dort kommt die Ungewissheit der Machbarkeit hinzu.
Was war für Dich ein besonders gutes, was ein besonders schlechtes Erlebnis?
Alle Situationen, die zu Verletzungen führten, habe ich noch besonders schlecht in Erinnerung (Meniskusriss letztes Jahr). Besonders gut habe ich den Vasalauf in Schweden in Erinnerung.
Hast Du Vorbilder?
Mich faszinierten schon immer die Kletterer mit großen Visionen, wie Kurt Albert und Wolfgang Güllich
Was gibt Dir das Klettern, was andere Aktivitäten Dir nicht geben können?
Klettern ist viel abwechslungsreicher als die meisten sportlichen Tätigkeiten. Hinzu kommt, dass sich Klettern und Familie sehr gut kombinieren lassen.
Welche aktuellen bergsportlichen Pläne hast Du?
Meinen Sohn auf seinen ersten Gipfel begleiten. Ansonsten gibt es noch ein paar klassische Routen im sächsischen Fels, die ich probieren möchte. Und in die Sportkletterurlaube nehme ich seit ein paar Jahren die Bohrmaschine und ausreichend Bolts mit…
Was zeichnet Deiner Meinung nach heute den Alpinismus aus? Was genau wünschst Du Dir für den Alpinismus?
Für das sächsische Klettern gesprochen gibt es derzeit zu viele Konflikte zwischen Traditionalisten und sportlich motivierten Kletterern. Hier wünsche ich mir mehr gegenseitige Toleranz, da eine Koexistenz beider Strömungen problemlos möglich ist.