Der Umgang mit Angst im Leistungsbergsteigen
15.06.2015, 11:46 Uhr
Die Wissenschaft nahm im Deutschen Alpenverein im 19. und 20. Jahrhundert einen hohen Stellenwert in der Vereinsarbeit und -politik ein. Die Erschließung der Alpen war ungebrochen mit den Wissenschaften verwoben. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es sogar einen wissenschaftlichen Beirat, der 1910 vom wissenschaftlichen Unterausschuss abgelöst wurde. An die Arbeit des Unterauschusses anknüpfend entstanden in den 20er Jahren die sogenannten wissenschaftlichen Alpenvereinshefte, die bis nach dem Zweiten Weltkrieg zu bestimmten Schwerpunktthemen im Verein publiziert wurden. Bis in die 80er Jahre förderte der Deutsche Alpenverein sogar wisenschaftliche Arbeiten, die im Themenkreis des Alpinismus entstanden. Diese Tradition ging später verloren.
Wir werden versuchen, in Zukunft an dieser Stelle vereinzelt Abschlussarbeiten vorzustellen, die einen Bezug zum Alpinismus aufzeigen. Darüber hinaus möchten wir ein Archiv von neuen Forschungsarbeiten anlegen, das nachfolgenden Absolventen ermöglicht, bereits publizierte Studien als Quelle für ihre wissenschftliche Arbeit verwenden zu können oder vielleicht sogar in Austausch mit den Nachwuchswissenschaftlern zu treten. Es ist uns ein großes Anliegen, neue Arbeiten zusammenzutragen. Von daher freuen wir uns über Zusendungen und Empfehlungen von Abschlussarbeiten, die den Bergsport in all seinen möglichen Facetten beleuchtet.
Der Umgang mit Angst im Extremsport
Eine Studie mit Bergsteigern des Expeditionskaders des Deutschen Alpenvereins
Wie zeigt sich die Angst?
Es stellte sich heraus, dass die Angst um den Seilpartner sehr typisch für das Extrembergsteigen ist, aber auch häufig Angst um die eigene Unversehrtheit auftritt. Außerdem können Konkurrenzängste und Versagensängste in der Situation des Expeditionskaders auftreten. Ebenso wie in anderen Studien berichten auch hier die Interviewpartner, dass sie in einer Angstsituation sehr fokussiert sind und dadurch handlungsfähig bleiben. Körperliche Angstanzeichen werden dabei kaum erwähnt.
Ergebnisse auszumachen: Fokussierung tritt in diesem Zusammenhang als wichtigste Handlungsstrategie (auch Copingstrategie genannt) in Erscheinung, aber auch die Erfahrung und die Unterstützung durch andere Kletterer sind hervorzuheben.
Umgang mit Angst lernen
Es ist zu beobachten, dass die Bergsteiger der DAV-Ausbildungsprogramme bereits verschiedene persönliche Bewältigungsstrategien benutzen, die sich in ihren Aktionen bewährt haben, diese aber nicht systematisch ins Förderprogramm integriert werden. Daher wäre es sinnvoll, innerhalb einer möglichen Lehreinheit an diesen weiterzuarbeiten. Aufgrund der Begrenzung von Zeit und Budget, scheinen einfache Verfahren wie die in der Sportpsychologie verwendeten Biofeedbackmethode, Atementspannung und kognitive Verfahren am geeignetsten. Im Zentrum sollte dabei der Praxisbezug stehen.
Reflexion als wichtiges Handlungsinstrument
Da es beim Bergsteigen schwierig ist, aus eigenen offensichtlichen Fehlern zu lernen, da die Konsequenzen dieser oft sehr schwerwiegend sind, würde es Sinn machen, eine regelmäßige Reflexion durchzuführen, um aus unscheinbaren Fehlern und Warnhinweisen zu lernen. In anderen Bereichen des Spitzensports werden regelmäßig sogenannte Briefings und Debriefings, Kurzbesprechungen vor einer Aktion und Nachbesprechungen im Nachgang, durchgeführt.
Auch im Extrembergsteigen wäre ein Debriefing nach jeder Klettertour sinnvoll. Dabei erfolgt unter anderem eine Distanzierung zum Erlebten, was die Regeneration fördert. Außerdem wird die innere Zufriedenheit durch das Verständlichmachen der Ereignisse verbessert. Es können Schlüsse für die Zukunft gezogen werden, wobei der Kletterer auch schon aus sehr kleinen Fehlern lernen kann. Es macht Sinn die Nachbesprechung nur mit den Teilnehmern durchzuführen, die auch wirklich zusammen unterwegs waren. Da viele Kaderteilnehmer räumlich weit voneinander entfernt wohnen und eine sofortige Nachbesprechung aufgrund von Zeitmangel oder Erschöpfung eventuell schwierig ist, macht es Sinn, die Nachbesprechung per Mail oder Telefon durchzuführen.
Die Forschungsarbeiten von Hogg und Kellmann (2002) erläutern, dass in solchen Konstellationen ein Sechsstufenmodell sinnvoll ist: Zuerst werden Zeit, Ort und Anlass des Debriefings festgelegt. In der zweiten Stufe analysiert der Athlet zuerst sich selbst. Darauf wird eigenes und fremdes Feedback ausgetauscht. In der vierten Stufe geht es um mögliche Veränderungen und Handlungsalternativen und in der fünften Stufe findet ein Zielsetzungsprozess statt. In der letzten Stufe soll die Eigenkontrolle (auch Selfmonitoring genannt) verstärkt werden.
Möglichkeiten der Integration von Techniken im Umgang mit Angst in DAV-Ausbildungen
Mirko Breckner im Juni 2015
Wer mehr Einblick in die Forschungsarbeit erhalten möchte, kann sich die Zulassungsarbeit zum Staatsexamen von Mirko Breckner als PDF downloaden. Auf Wunsch der Probanden wurde die Darstellung der Ergebnisse in dieser Version nicht mit veröffentlicht. Wir bitten um Verständnis. Bei Rückfragen können Sie sich gern über die Redaktion (info@alexandraalbert.de) mit Mirko Breckner in Verbindung setzen: Angst Bergsteigen Breckner kurz.pdf , 638 kb