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Rüdiger Nehberg gestorben – ein persönlicher Nachruf

01.04.2020, 15:26 Uhr

„Sir Vival“ ist am 1. April 2020 im Alter von 84 Jahren gestorben. Der Abenteurer und Survival-Experte schrieb zahllose Bücher und engagierte sich als Menschenrechtsaktivist.


Mein Name ist Franz Güntner, ich bin 33 Jahre alt und arbeite seit drei Jahren beim Deutschen Alpenverein in der Kommunikation. Warum ich einen Nachruf mit einem „Ich“ oder „Mein“ beginne, hat einen einfachen Grund: Ohne Rüdiger Nehberg alias „Sir Vival“ säße ich wahrscheinlich nicht im DAV. Wahrscheinlich wäre ich kein Bergsteiger, kein Trekker, kein Kletterer und kein Naturliebhaber geworden.

 

Warum? Mit 8 Jahren fand ich in unserer lokalen Buchhandlung ein Buch mit dem Titel „Survival Training“. Darin beschrieb Nehberg gängige Survival-Taktiken, erklärte, wie man jagt und Knoten bindet, wie man Wasser filtert und Feuer macht. Von da an hing ich am selbstgemachten Haken des Schleswig-Holsteiners. Ich sah die Natur mit anderen Augen, zuerst die Wälder und Bäche hinter meinem Elternhaus, in denen ich anfing, „Abenteurer“ zu spielen, dann die kleineren Berge und später die etwas größeren. Im Laufe meiner Jugend landeten weitere Survival-Bücher aus der Feder Nehbergs in meinen Regalen. Sie alle las ich – mehrfach: Nehberg vermittelte nie nur Praktiken. Er erzählte Geschichten, regte zum Träumen an, sprach die Jugend und ihre Sorgen direkt an und warb für die Völkerverständigung. Das brachte ihm nicht nur meine Hochachtung, sondern die Vieler ein. Zwei Bundesverdienstkreuze wurden dem gelernten Konditor Zeit seines Lebens verliehen.

 

Die bekam er natürlich nicht, weil er ein guter Geschichtenerzähler war, sondern weil er sein Leben den Schwächeren widmete. Seine beiden größten Projekte: Ab 1980 setzte sich Nehberg für das Indianervolk der Yanomami in Südamerika ein. Im September 2000 gründete er die Menschenrechtsorganisation TARGET, die es sich zur Aufgabe machte, die Verstümmelung weiblicher Genitalien zu bekämpfen. Im November 2006 organisierte und finanzierte TARGET eine Konferenz an der al-Azhar-Universität in Kairo. Als Ergebnis dieser Konferenz verurteilten führende islamische Rechtsgelehrte die Praxis der Genitalverstümmelung.

 

Ich war nie ein guter „Survivler“, nicht mal ein schlechter. Ich war eigentlich nur ein Leser von Nehbergs Büchern und ein Träumer. Nehberg hingegen war ein echter Abenteurer. Sein Wissen um die Kunst des Überlebens erwarb er sich in zahlreichen Expeditionen: er befuhr den Blauen Nil, unternahm Radtouren um die halbe Welt, marschierte durch Dschungel und Wüste, überquerte jeweils in einem Tretboot, einem Bambusfloß und in einem Boot, das aus einer alten Weißtanne bestand, den Atlantik. Mit seinen Aktionen trug er unter anderem dazu bei, dass die Yanomami ein geschütztes Reservat bekamen.

 

Nehberg verfasste insgesamt 29 Bücher. Sie handeln nicht nur von Survival-Taktiken und Praktiken, sondern auch von seinen Expeditionen. Sie tragen nicht nur Namen wie „Survival-Abenteuer vor der Haustür“ – und das Jahrzehnte bevor Begriffe wie „Microadventure“ oder „Outdoor“ im deutschsprachigen Raum überhaupt populär wurden – sondern auch „Die letzte Jagd. Die programmierte Ausrottung der Yanomami-Indianer und die Vernichtung des Regenwaldes“. Ein Titel, der sich wohl von selbst erklärt.

 

Im Alter von 84 Jahren ist Rüdiger Nehberg alias „Sir Vival“ nun gestorben. Sein Tun veränderte das Leben vieler Menschen rund um den Globus – danke dafür!