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Bergsteiger durch und durch

Abschied von Heiner Geißler

12.09.2017, 16:21 Uhr

Beinahe wäre er Jesuit geworden. Doch bevor er die Ordensgelübde Armut, Keuschheit und Gehorsam ablegen sollte, stieg Heiner Geißler aus – wie er später erklärte: „Mit 23 Jahren habe ich gemerkt, ich kann zwei – also mindestens eins – dieser Gelübde nicht halten. Die Armut war es nicht.“

Pfiffig bis provokant zugespitzte Formulierungen waren das Markenzeichen von Heinrichjosef Georg „Heiner“ Geißler (3.3.1930 - 12.9.2017). In seiner Zeit als CDU-Generalsekretär (1977 - 1989) richteten sie sich oft gegen die politische Linke; Willi Brandt bezeichnete ihn damals als „schlimmsten Hetzer seit Göbbels“. Als er sich später kapitalismus- und globalisierungskritischen Organisationen wie „Attac“ angeschlossen hatte, bezeichnete er dann den rücksichtslosen „Marktradikalismus“ als „krank, unsittlich und ökonomisch falsch“. Und zum Schlagwort „Extremsport“ merkte er an, extrem sei ein Sport nur, wenn man ihn nicht beherrsche. Nicht zufällig gehören zu seinen vielen Ehrungen neben dem Großen Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (25. April 1977) auch der Bayerische Bierorden (obwohl er selber einen Weingarten hatte) und der Aachener Karnevalsorden „Wider den tierischen Ernst“.

 

Populistische Übertreibungen waren für ihn aber immer nur Mittel zum Zweck: durch starke Begriffe seine Ziele zu erreichen. Und diese standen immer auf dem Fundament seiner christlich-humanistischen Gesinnung, die er als Bestsellerautor (u.a. „Was würde Jesus heute sagen? Die politische Botschaft des Evangeliums“, 2003) der breiten Öffentlichkeit nahebrachte.

 

"Der Tod ist total demokratisch"

Geißler war Kletterer, Hochtourist, Gleitschirmflieger und Mountainbikefahrer, Mitglied im Deutschen Alpenverein (seit 1954), im Pfälzerwald-Verein, in der Vereinigung der Pfälzer Kletterer und als Gründer und Ehrenvorsitzender im Südpfälzer Gleitschirmflieger Club. Während seiner Amtszeit als Erster Vorsitzender der DAV-Sektion Mainz (1971-1982) entstanden der Mainzer Höhenweg und das Rheinland-Pfalz-Biwak auf dem Geigenkamm in den Ötztaler Alpen. Als Schirmherr des Internationalen Bergfilmfestivals Tegernsee förderte er seit 2003 auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Alpinismus.

 

In einem Interview mit der „Welt“ sagte er 2012: „Bergsteigen ist eines der letzten großen Abenteuer und der beste und schönste Sport, den man treiben kann, besser als auf der Aschenbahn seine Kurven zu drehen, Leichtathletik ist Maloche. Klettern und auch Gleitschirmfliegen – das ist eine Kunst, eine Kombination aus Leistungssport, Naturgenuss, Beherrschung der Technik, Beobachtung der Gestirne und Leben mit dem Wetter.“

 

Im gleichen Interview sagte er: „Der Tod ist total demokratisch; er packt jeden“ und riet dazu: „Da hilft es, über den Sinn des Lebens nachzudenken, der auch darin bestehen kann, die Lebensbedingungen der Menschen, vor allem der armen Menschen zu verbessern.“ Mit vielen Aktionen seines Lebens hat er zu diesem Ziel beigetragen, auch ohne Jesuit zu sein.


Als Minister für Sport in Rheinland-Pfalz (1967-1977) führte er die bundesweit erste Sportförderung ein. Als Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit (1982-1985) initiierte er unter anderem Erziehungsgeld und -urlaub.

 

Vom Polarisierer zum Schlichter

Nach Ende seiner polarisierenden politschen Aktivitäten fungierte er häufig als Schlichter in Tarifstreitigkeiten, später dann, gefurcht und altersweise wie „Meister Yoda“ aus „Star Wars“, auch im Konflikt um den Großbahnhof Stuttgart 21. Und zugunsten des Bergsports brachte er sein politisches Gewicht ein bei den Großdemonstrationen gegen Felssperrungen in Baden-Württemberg Anfang der 1990er-Jahre. 1992 war er an der Gründung des „Kuratoriums Sport und Natur“ beteiligt und engagierte sich als Vorsitzender (ab 2004 als Ehrenvorsitzender) dieses Zusammenschlusses der deutschen Natursportverbände.

 

Der Deutsche Alpenverein nimmt Abschied und sagt danke.